Motoneuronen-Erkrankung

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) – unheilbare Nervenkrankheit

Qualitätssiegel Nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Expert*innen geprüft

Bei der Amyotrophen Lateralsklerose handelt es sich um eine fortschreitende Krankheit des zentralen Nervensystems. Sie führt zu Lähmungen, die das Sprechen, Schlucken und Atmen beeinträchtigen. Auch wenn es noch keine Heilung gibt, können die Symptome mit Therapien gelindert werden und so die Lebenserwartung erhöht werden.

Nervenzelle.jpg
© Getty Images/Viaframe

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), ist eine degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems, betrifft also die Nerven im Gehirn und Rückenmark. Sie führt zu einer fortschreitenden und unwiederbringlichen Zerstörung jener Nervenzellen, die für die Bewegungsabläufe im Körper zuständig sind, den sogenannten Motoneuronen. Nach ersten muskulären Ausfällen kommt es zu massiven Schwierigkeiten beim Schlucken, Sprechen und Atmen sowie im späteren Verlauf zu einer Lähmung der gesamten Körpermuskulatur. Nach heutigem medizinischen Stand ist die ALS nicht heilbar und führt meistens innerhalb von etwa zwei bis fünf Jahren zum Tod. Es gibt jedoch Behandlungsmöglichkeiten, die das Fortschreiten der Krankheit etwas verzögern und die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend verbessern können.

Artikelinhalte im Überblick:

Gehirn: Mythen und überraschende Fakten

Die Amyotrophe Lateralsklerose gilt zwar als häufigste Form der Motoneuronen-Erkrankungen, tritt aber dennoch relativ selten auf. Pro Jahr erkranken in Deutschland zwei von 100.000 Menschen. Der Erkrankungsgipfel liegt um das 60. Lebensjahr herum. Erkrankungen vor dem 50. und nach dem 75. Lebensjahr kommen zwar vor, sind aber sehr selten. Männer sind insgesamt etwas häufiger betroffen als Frauen.

Was ist ALS?

Die ALS ist eine Motoneueronen-Erkrankungen. Als Motoneuronen werden die Nervenzellen (Neuronen) bezeichnet, die für die Ausführung von willkürlich gesteuerten Bewegungen, also für die Motorik zuständig sind. Die Zellkörper des ersten (oberen) Motoneurons entspringen in der Großhirnrinde (Kortex) im Gehirn und führen über die sogenannte Pyramidenbahn durch das Rückenmark bis hin zu den einzelnen Wirbelkörpern. Im Rückenmark werden die Signale auf ein zweites (unteres) Motoneuron übertragen, das dann bis zu dem entsprechenden Muskelansatz weiterverläuft. Es gibt unterschiedliche Formen von Motoneuronen-Erkrankungen. Die ALS ist die einzige Form, bei der das erste und das zweite Motoneuron betroffen sind.

Die Schädigung der beiden motorischen Neuronen führt zu jeweils unterschiedlichen Anzeichen:

  • Bei Beeinträchtigung des ersten Motoneurons kommt es zur spastischen Lähmung mit übermäßiger Muskelspannung (Muskeltonus), Krämpfen und gesteigerten Muskelreflexen.
  • Bei Störung des zweiten Motoneurons entsteht hingegen eine sogenannte schlaffe Lähmung mit abgeschwächtem Muskeltonus und gedämpften Reflexen sowie schwindenden Muskeln (Muskelatrophie). 

Sonderformen mit milderem Krankheitsverlauf

Die primäre Lateralsklerose gilt als eine Sonderform, bei der lediglich das erste Motoneuron geschädigt ist. Sie tritt in jüngeren Jahren auf als die klassische ALS, schreitet sehr viel langsamer voran und verläuft milder. Der bekannteste Patient war der britische Astrophysiker Stephen Hawking, bei dem die Nervenkrankheit mit 21 Jahren diagnostiziert wurde. Er saß zwar viele Jahre seines Lebens im Rollstuhl, erreichte aber trotzdem ein Alter von 76 Jahren.

Eine weitere, sehr seltene Variante ist die Progressive Spinale Muskelatrophie (PMA), bei der ausschließlich das zweite, untere Motoneuron betroffen ist. Verlauf und Symptome sind ebenfalls etwas langsamer und milder. Sowohl die primäre Lateralsklerose wie auch die PMA können sich aber zu einer klassischen ALS ausprägen.

Ursachen für ALS sind weitgehend unbekannt

Warum es zur Entwicklung einer ALS kommt, ist nach wie vor nicht geklärt. Nur bei wenigen Betroffenen liegt eine erbliche Veranlagung vor. Generell wird eine sporadische, eine familiäre und eine endemische (örtlich begrenzte) Form unterschieden.

  • Bei über 90 Prozent der Betroffenen tritt die Krankheit ohne irgendeine erkennbare Ursache auf. Diese Form wird als sporadische ALS (SALS) bezeichnet.

  • In etwa 10 Prozent der Fälle lässt sich eine familiäre Häufung feststellen, was für eine Genmutation spricht. Dabei kommen mindestens sieben verschiedene Gene als Auslöser in Frage, meistens liegt eine Kombination von mehreren Gendefekten vor. Bei einigen Patienten ist das sogenannte SOD1-Gen geschädigt, das Freie Radikale unschädlich macht. So kann sich der Körper nicht mehr ausreichend vor oxidativem Stress schützen und es kommt zur Schädigung von Nervenzellen. Von einer familiäre ALS (FALS) spricht man, wenn mindestens zwei Familienmitglieder betroffen sind.

  • Auf einigen Inseln im Westpazifik tritt die ALS besonders häufig auf. Sie nimmt dabei auch einen unterschiedlichen Verlauf mit fortschreitender Demenz und Parkinson-Symptomen. Ob für diese Häufung aber irgendwelche besonderen Umweltfaktoren verantwortlich sind, konnte bisher nicht geklärt werden. Diese endemische Form ist als Western Pacific ALS oder ALS PD complex bekannt.

Erste Symptome der ALS: Im Frühstadium sind die Anzeichen unauffällig

ALS kann sich auf sehr unterschiedliche Weise äußern, je nachdem ob das erste oder zweite Motoneuron stärker betroffen ist und in welcher Region des Nervensystems (Hirnkerne, Hals-, Brust- oder Lendenwirbelbereich) die Schädigung zuerst auftritt. Entsprechend schwierig ist es anfangs meist, sie zu diagnostizieren.

Die Krankheit beginnt schleichend und unauffällig. Als erste Anzeichen fallen den Betroffenen meist Ungeschicklichkeiten auf. Sie stolpern häufiger als sonst, lassen etwas fallen, haben Probleme beim Halten von Schreibgeräten. Sie ermüden schneller bei körperlicher Anstrengungen, haben keine rechte Kraft in Armen oder Beinen, wobei diese Einschränkungen zunächst einseitig auftreten. Häufig kommt es in der Anfangszeit auch zu nächtlichen Muskelkrämpfen.

Treten zuerst Sprachstörungen oder Schluckbeschwerden auf, spricht man von einem sogenannten bulbären Beginn: dann sind zunächst die Muskeln betroffen, die von Hirnnerven versorgt werden. Das kann sich dadurch äußern, dass sich der Betroffene auffallend häufig verschluckt, vor allem an Flüssigkeiten, oder undeutlich spricht.

Mögliche Erstsymptome, die für das Entstehen einer ALS sprechen können sind:

Allerdings können die genannten Symptome auf viele verschiedene Erkrankungen hinweisen. Man sollte bei ihrem Auftreten keineswegs sofort an eine ALS denken. Wesentlich wahrscheinlicher sind als Auslöser nervliche Störungen wie beispielsweise ein Bandscheibenvorfall oder eine Myopathie oder auch ein Schlaganfall (Apoplex).

Schlaganfall: Vorboten und akute Symptome erkennen

Symptome und Komplikationen im fortgeschrittenen Stadium

Wo und wie eine ALS auch immer beginnen mag, die Symptome breiten sich fast immer kontinuierlich aus. Zunächst greifen die Beschwerden auf Nachbarregionen über, beispielsweise vom Arm auf die Schulter und dann auf den gegenüberliegenden Arm, und führen dann zum typischen Vollbild einer klassischen ALS: schmerzlose Lähmungen am ganzen Körper in Kombination mit spastischen (krampfartigen) Symptomen in unterschiedlichen Ausprägungen. Dabei können grundsätzlich alle Muskeln des Körpers betroffen sein. Eine Ausnahme bilden der Herzmuskel, die Augenmuskeln und die Schließmuskeln von Blase und Darm, die bei ALS im Normalfall nicht in Mitleidenschaft gezogen sind.

Häufig kommt es im fortgeschrittenen Stadium zu unwillkürlichen Zuckungen von Muskelpartien (Faszikulationen). Sie sind für den Betroffenen unangenehm, da er sie nicht kontrollieren kann, aber normalweise nicht schmerzhaft. Fast immer resultieren die Spasmen irgendwann in einer vollständigen Lähmung der Skelettmuskulatur (Tetraplegie) und dem totalen Verlust aller motorischen Fähigkeiten.

Ein typisches Symptom der ALS ist pathologisches Lachen, Gähnen oder Weinen, das durch die Schädigung des VII. Hirnnervs, des Nervus facialis, entsteht. Der Betroffene beginnt aus heiterem Himmel zu lachen oder zu weinen, ob wohl ihm gar nicht danach ist.

Häufige Komplikationen: Schluckstörungen und Lungenentzündung

Besonders gefährlich sind die Auswirkungen auf die Schluck- und Atemmuskulatur. Mitunter kommt es zu Krämpfen im Schlund, sogenannten Laryngospasmen, die die Atmung massiv behindern können. Schluckstörungen führen auch dazu, dass die Betroffenen kaum mehr Nahrung zu sich nehmen können und stark abmagern. Häufig kommt es zu vermehrtem Speichelfluss, der von den Betroffenen als sehr störend empfunden wird. Dabei besteht vor allem die Gefahr, dass Speichel, Nahrungsreste oder Flüssigkeiten in die Atemwege gelangen, wo sie zu Erstickungsanfällen führen oder eine Lungenentzündung auslösen können. Die Lungenentzündung ist die häufigste und gefährlichste Komplikation bei ALS, deswegen sind Maßnahmen, die die Schluckstörungen und die übermäßige Speichelbildung (Hypersalivation) verbessern, besonders wichtig.

Mögliche Symptome im Verlauf einer ALS sind:

  • verlangsamte Atmung und Atemaussetzer
  • Schlafstörungen aufgrund nächtlicher Atemprobleme
  • daraus resultierend Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und Kopfschmerzen
  • Sekretansammlungen in den Atemwegen
  • daraus resultierend Atemwegsinfekte und Lungenentzündung (Pneumonie)
  • Schluckstörungen, Essensverweigerung und Gewichtsverlust
  • Sprachstörungen
  • Ausbreitung der Lähmung (Parese) mit vollständigem Verlust der Muskelbeweglichkeit
  • Muskelschwund (Muskelatrophie)
  • Kognitive Defizite wie Demenz

Da es sich um eine Erkrankungen der motorischen Nerven handelt, gehören Empfindungs- und Sensibilitätsstörungen normalerweise nicht zu den Symptomen. Die Betroffenen haben meist eine normale Körperwahrnehmung. Auch Schmerzen sind erstmal nicht charakteristisch, können aber im Verlauf durch die zunehmenden Muskelkrämpfe auftreten.

Typischer Weise sind die kognitiven Funktionen bei der klassischen ALS lange Zeit kaum eingeschränkt. Die Betroffenen behalten häufig bis zum Ende einen wachen, funktionierenden Verstand. Es gibt allerdings eine Form der ALS mit frontotemporaler Demenz (ALS-FTD), bei der schon frühzeitig die Neuronen im Frontallappen im Gehirn angegriffen werden. Bei diesen Personen kommt es dann auch zu Verhaltensauffälligkeiten und Persönlichkeitsveränderungen.

15 Tipps gegen Demenz und Alzheimer

Diagnose der ALS bedeutet in erster Linie Ausschluss anderer Erkrankungen

Die Diagnose einer ALS ist im Anfangsstadium aufgrund der sehr unterschiedlichen Symptome und Verlaufsformen ausgesprochen schwierig. Dennoch ist es wichtig, die Nervenkrankheit möglichst frühzeitig zu erkennen, da gerade im Anfangsstadium die richtige Therapie das Fortschreiten noch deutlich verlangsamen kann.

Bei einem Verdacht auf ALS stehen den Ärzten verschiedenste neurologische Untersuchungsmethoden und bildgebende Verfahren zur Verfügung. Erst wenn diese Untersuchungen eindeutig eine Schädigung des ersten und zweiten Motoneurons ergeben haben, spricht man von ALS.

Ziel der Diagnostik ist es zunächst, andere Krankheiten, die ähnliche Symptome verursachen, sicher auszuschließen. Hier kommen verschiedene Nervenkrankheiten wie Polyneurosen oder Nervenentzündungen, Muskelerkrankungen oder Autoimmunerkrankungen in Frage. Ausgeschlossen werden muss auch ein Bandscheibenvorfall, der mitunter ebenfalls Zeichen der Schädigung des ersten und zweiten Motoneurons verursachen kann.

Bei der Diagnose durch den Neurologen steht neben der Blickdiagnose die körperliche Untersuchung im Vordergrund. Der Behandler sucht bei ALS-Verdacht nach Zeichen von Muskelschwund, besonders an den Handmuskeln sowie nach unfreiwilligen Muskelzuckungen (Fibrillationen) an der Zunge.

Folgende Untersuchungen werden in der Regel durchgeführt:

  • neurologische und neurophysiologische Untersuchungen
  • Elektromyographie (EMG): Messung der elektrischen Muskelaktivität
  • Elektroneurographie (ENG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit
  • spinales und kraniales MRT: Scans von Gehirn und Wirbelsäule
  • Liquordiagnostik: Untersuchung des Hirnwassers
  • Prüfen der Vitalkapazität
  • Gewicht, Body-Mass-Index (BMI)
  • Blutuntersuchungen: BSG, CRP, Blutbild, GOT, GPT, TSH, Vitamin B12, Elektrophorese, CK, Kreatinin, Elektrolyte, Glukose

Zum Ausschluss von Autoimmunerkrankungen oder bakteriellen Infektionen wie Borreliose oder Syphilis (Lues) werden häufig weitere Laborwerte herangezogen.

Bei Verdacht auf Vorliegen einer familiären Veranlagung wird zusätzlich eine genetische Diagnostik durchgeführt.

Blutbild: Wichtige Werte und was sie bedeuten

Neuer Bluttest soll Diagnose von ALS erleichtern

Forscher der Universitäten Ulm und Mailand haben eine neue Möglichkeit gefunden, die ALS per Bluttest nachzuweisen. Der Test misst sogenannte Neurofilamente (NFL). Das sind Proteine, die das Gerüst von Nervenzellen bilden. Gehen Neuronen zugrunde, wie das bei ALS der Fall ist, wird NFL freigesetzt und kann so als Biomarker verwendet werden. Der Test dient nicht nur der Diagnose, sondern kann auch das Fortschreiten der Krankheit dokumentieren und zur Prognose des Verlaufs herangezogen werden. Noch befindet sich diese Blutuntersuchung allerdings in der Testphase und es sind noch weitere Studie nötig. Wenn es zur Zulassung kommen sollte, würde der Bluttest allerdings das Erkennen der ALS um einiges erleichtern und die komplizierten Differentialdiagnosen überflüssig machen. Damit wäre gewährleistet, dass die Betroffenen frühzeitig mit dem richtigen Wirkstoff behandelt werden können.

ALS-FRS: Einteilung der Symptome bei Amyotropher Lateralsklerose

Um nach der Diagnose alle unterschiedlichen Symptome sicher erfassen zu können und vor allem um den Verlauf der Krankheit zu dokumentieren, haben Forscher eine Punkteskala entwickelt, die "Amyotrophe Lateralsklerose Functional Rating Scale", kurz ALS-FRS. Mit dieser Skala wird der Status der möglichen Einschränkungen hinsichtlich Sprache, Speichelfluss, Schlucken oder Bewegungsfähigkeit bewertet. Sie dient auch den Therapeuten als Anhaltspunkt für die Behandlung.

Wie kann ALS behandelt werden?

Zum jetzigen Stand existiert keine Therapie, die ALS heilen kann. Dennoch gibt es Medikamente, die das Fortschreiten der Nervenkrankheit zumindest verlangsamen, wenn auch nicht aufhalten können. Außerdem stehen zahlreiche Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die die Symptome behandeln und die Lebensqualität entscheidend verbessern können. Empfehlenswert ist in jedem Fall die Beratung in einer auf ALS spezialisierten Klinik, wo Betroffene das nötige Wissen um diese sehr spezielle Krankheit und die besten Therapieformen an einem Ort vorfinden.

Ursächliche Therapie zur Verlangsamung von Nervenschäden

Derzeit steht in Deutschland mit Riluzol nur ein zugelassenes Medikament zur Verfügung, das das Fortschreiten der Nervenläsionen eindämmen kann. Der Wirkstoff verlangsamt den Krankheitsprozess und verlängert die durchschnittliche Überlebenszeit um etwa drei bis vier Monate. Mögliche Nebenwirkungen von Riluzol sind Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Müdigkeit und erhöhte Leberwerte.

Des Weiteren gibt es einen neuen Wirkstoff, der ursprünglich für Schlaganfallpatienten entwickelt worden ist, das Antioxidativum Edaravone. In einer Studie mit 137 an ALS-Erkrankten konnte die Wirksamkeit bereits bestätigt werden, indem es den Allgemeinzustand der Probanden um einige Punkte auf der ALS-FRS-Skala verbessern konnte. Die Nebenwirkungen von Edaravone sind gering, allerdings ist das Medikament bisher nur in Japan und den USA zugelassen.

Außerdem laufen derzeit Untersuchungen, die die Wirksamkeit von natürlichen Antioxidantien zum Schutz von Nervenzellen wie Vitamin E und Vitamin C erforschen. Gesicherte Ergebnisse liegen bisher aber nicht vor. Aktuell wird sehr intensiv an ALS-Heilmitteln geforscht – nicht zuletzt dank der öffentlichen Aufmerksamheit und den Spendengelder der "Ice-Bucket-Challenge".

Symptomlindernde Therapien und Behandlungsmöglichkeiten

Nachdem eine ursächliche Behandlung nicht zur Verfügung steht, liegt der Schwerpunkt auf Maßnahmen, die den Allgemeinzustand und die Lebensqualität der Erkrankten verbessern. Erfolgversprechend sind im Anfangsstadium in erster Linie Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. Im weiter fortgeschrittenen Krankheitszustand stehen dann lebenserhaltenden Maßnahmen wie Beatmung und künstliche Ernährung im Vordergrund.

Erhalt der Bewegungsfähigkeit durch Physiotherapie und orthopädische Hilfsmittel

Grundlage der symptomatischen Behandlung ist die Physiotherapie, die weniger der Kräftigung der Muskulatur als vielmehr dem Erhalt der Beweglichkeit dient. Wichtig ist es, einen Physiotherapeuten zu finden, der sich mit den speziellen Anforderungen eines an ALS Erkrankten auskennt. Ergänzend können Ergotherapie und bei Sprach- und Schluckproblemen Logopädie sehr hilfreich sein. Bei eingeschränkter Beweglichkeit kommen Gehstock, Rollator und (Elektro-)Rollstuhl zum Einsatz, um möglichst lange die Selbständigkeit des Betroffenen zu erhalten.

Medikamentöse Behandlung der Symptome

Zur symptomatischen Therapie der Beschwerden stehen verschiedene erprobte Wirkstoffe zur Verfügung:

  • Antibiotikatherapie bei Pneumonie
  • Schmerzmittel gegen Muskelschmerzen
  • Magnesium und Chininsulfat gegen Muskelkrämpfe
  • Thromboseprophylaxe zur Vermeidung von Thrombose aufgrund der fehlenden Bewegung
  • schleimlösende Medikamente wie N-Acetylcystein
  • zur Hemmung der Speichelbildung Anticholinergika, eventuell auch Injektionen mit Botolinumtoxin (Botox) in die Speicheldrüsen

Behandlung der respiratorischen Insuffizienz

Früher oder später kommt es bei Menschen mit amyotropher Lateralsklerose zu einer Beeinträchtigung der Atmung. Wenn die Atemmuskulatur so schwach wird, dass die Lunge nicht mehr ausreichend belüftet wird, sind ALS-Patienten zur Sauerstoffversorgung auf maschinelle Beatmung angewiesen. Es ist wichtig, mögliche lebensrettende Maßnahmen wie eine Notfall-Intubation bei starker Ateminsuffizienz frühzeitig zu besprechen. Hier gilt es vor allem, die Wünsche des Betroffenen zu respektieren, denn viele möchten ausdrücklich keine lebenserhaltenden Maßnahmen, sondern ziehen es vor, friedlich einzuschlafen.

Mögliche Maßnahmen bei Atemproblemen sind:

  • Beruhigung
  • Atemgymnastik
  • Klopfmassagen
  • Lagewechsel
  • Schleimlösende Maßnahmen wie Absaugen
  • Beatmung mit einem mobilen Beatmungsgerät und einer Atemmaske: hierdurch besser sich außerdem die nächtliche Schlafqualität und die damit verbundenen morgendlichen Kopfschmerzen.

Magensonde sichert die Ernährung

Die Schluckstörungen führen häufig zu Mangelernährung und Dehydration. Durch eine Magensonde (PGE-Sonde) kann hochkalorische, flüssige Nahrung zugeführt werden. Diese Maßnahme erhöht die Lebenserwartung beträchtlich, sofern sie rechtzeitig durchgeführt wird, allerdings wird sie nicht von allen Betroffenen gewünscht.

Sprachcomputer erleichtert Kommunikation bei Sprechstörungen

Häufig kommt es aufgrund der Einschränkung der Zungen- und Gesichtsmuskulatur im fortgeschrittenen Stadium zu Sprechstörungen. Hier können Sprachcomputer eingesetzt werden. Alternativ kann eine Bildertafel, auf der Buchstaben, Zahlen oder wichtige Begriffe aus der Pflege (etwa Schmerzintensität oder Bedürfnisse wie Hunger und Durst) dargestellt sind, die Kommunikation erleichtern. So kann der Betroffene seine Bedürfnisse per Augenbewegung mitteilen. Die Beweglichkeit der Augenmuskulatur bleibt auch bei einer fortgeschrittenen ALS-Erkrankung erhalten.

Psychotherapeutische Unterstützung bei Ängsten und Depressionen

Aufgrund der Schwere und Aussichtslosigkeit der Krankheit kommt es gerade im Anfangsstadium zu Ängsten und Depressionen. Es ist wichtig, dass die Betroffenen professionelle psychotherapeutische Unterstützung erhalten. Teilweise können psychische Symptome auch durch Medikamente wie Antidepressiva gebessert werden. Hier muss aber immer darauf geachtet werden, dass die Mittel keine atemdepressive Wirkung haben, also die Atmung nicht beeinträchtigen.

Sanfte Hilfe für die Seele: Psychopharmaka aus der Natur

Verlauf, Prognose und Lebenserwartung bei ALS

Steht die Diagnose ALS fest, beginnt für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine schwere Zeit. Denn die Lebenserwartung ist bei einer klassischen ALS nicht besonders hoch. Nach wie vor gilt die ALS als unheilbar und die meisten Erkrankten versterben innerhalb von zwei bis fünf Jahren. Nur etwa 10 Prozent leben länger als fünf Jahre, etwa fünf Prozent länger als zehn Jahre. Besser ist die Lebenserwartung allerdings bei den verschiedenen Sonderformen.

Wegen des oft schnellen Voranschreitens der Erkrankung raten Ärzte, sich nach der Diagnose möglichst früh um eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht zu bemühen. Hier sollten auch Wünsche hinsichtlich Palliativmedizin und lebenserhaltenden Maßnahmen festgehalten werden. Trotz der schweren Erkrankung und der insgesamt schlechten Prognose berichten viele Menschen mit ALS jedoch auch in fortgeschrittenem Krankheitsstadium noch von einer relativ guten Lebensqualität.

Todesursache bei ALS: Versagen der Atemmuskulatur

Letzendlich führt bei den meisten Patienten das Aussetzen der Atemmuskulatur zum Tode. Mediziner sprechen von zunehmender respiratorischen Insuffizienz. Die Atmung hat grundsätzlich zwei Funktionen: Zum einen dient sie der Aufnahme von frischer, sauerstoffreicher Luft, zum anderen aber auch der Abgabe von verbrauchter, kohlendioxidhaltiger Luft. Die Schwächung der Atemmuskeln führt in erster Linie nicht zum Sauerstoffmangel, sondern zu einem Überschuss an Kohlendioxid, was die Betroffenen zunehmend müde macht. Insofern kommt es bei einer ALS normalerweise nicht zu qualvollen Erstickungsanfällen, sondern eher zum langsamen Einschlafen. Sollte Atemnot auftreten, hilft die Zuführung von Sauerstoff den Betroffenen.

ALS kann man nicht vorbeugen

Aktuell gibt es keine Möglichkeit, einer ALS vorzubeugen, da Ursachen und Auslöser der Krankheit weitgehend unbekannt sind. Es gibt entsprechend auch keine speziellen Risiken oder Umweltfaktoren, die es zu vermeiden gilt.

Bestellen Sie den Newsletter

Haben Sie eine Frage?

Sie möchten Informationen zu bestimmten Krankheitssymptomen oder wollen medizinischen Rat? Hier können Sie Ihre Fragen an unsere Experten oder andere Lifeline-Nutzer stellen!

Artikel zum Thema
Corona: Welche Symptome sind möglich?

Die wichtigsten Fakten zum Coronavirus im Überblick und der aktuelle Impfstatus in Deutschland →

mehr...
Experten-Foren

Mit Medizinern und anderen Experten online diskutieren.

Forum wählen
Stichwortsuche in den Fragen und Antworten unserer Community

Durchstöbern Sie anhand der für Sie interessanten Begriffe die Beiträge und Foren in der Lifeline-Community.

Newsletter-Leser wissen mehr über Gesundheit

Aktuelle Themen rund um Ihre Gesundheit kostenlos per Mail.

Abonnieren

Zum Seitenanfang

afgis-Qualitätslogo mit Ablauf 2024/05: Mit einem Klick auf das Logo öffnet sich ein neues Bildschirmfenster mit Informationen über FUNKE Digital GmbH und sein/ihr Internet-Angebot: https://www.lifeline.de/

Unser Angebot erfüllt die afgis-Transparenzkriterien.
Das afgis-Logo steht für hochwertige Gesundheitsinformationen im Internet.

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt. Vielen Dank für Ihr Vertrauen.