Tinnitus – Ursachen, Symptome und Behandlung der Ohrgeräusche
Als Tinnitus werden Geräusche bezeichnet, die meist nur der Betroffene hört. Tinnitus ist ein Symptom, das viele Ursachen haben kann – von Stress über Infektionen bis hin zu Bluthochdruck. Wie die Behandlung erfolgt, Tipps zum Umgang und wie man Tinnitus vorbeugen kann.
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- © Getty Images/Peter Dazeley
Tinnitus, medizinisch Tinnitus aurium, ist ein Sammelbegriff für Geräusche im Ohr, die meist ohne eine äußere Schallquelle auftreten. Er leitet sich ab von dem lateinischen Wort "tinnire", das "klingen" bedeutet. In Deutschland haben etwa 25 Prozent der Menschen schon einmal Ohrensausen wahrgenommen, 13 Prozent über einen längeren Zeitraum. Der Deutschen Tinnitus-Liga (DTL) zufolge leiden etwa 1,5 Millionen Menschen in Deutschland unter mittelgradigem bis unerträglichen Tinnitus. Die akute Form des Tinnitus ist zwar häufiger, jedoch geht nach Informationen der DTL jährlich bei rund 340.000 Menschen ein akuter Tinnitus in eine chronische Form über.
Im Überblick:
Schweregrade des Tinnitus
Meist wird der Tinnitus nur vom Betroffenen selbst wahrgenommen (subjektiver Tinnitus). Nur 0,01 Prozent aller Betroffenen haben einen objektiven Tinnitus, bei dem die Geräusche auch von einem Arzt gehört werden können. Von einem akuten Tinnitus spricht man, wenn der Tinnitus erst seit höchstens drei Monaten besteht. Zwischen drei und zwölf Monaten wird Tinnitus als subakut bezeichnet. Bleiben die Ohrgeräusche länger als ein Jahr, handelt es sich um chronischen Tinnitus. Zusätzlich lässt sich die Krankheit danach einteilen, ob es gleichzeitig zu einem Hörverlust kommt oder nicht.
Tinnitus wird in vier Schweregrade eingeteilt:
- Grad I: stört nicht
- Grad II: tritt hauptsächlich in Stille auf, unter Stress und psychischer Belastung stört er
- Grad III: stört ständig. Dabei treten auch emotionale und körperliche Schäden sowie kognitive Störungen auf. Wahrnehmung, Erinnerung und Lernen können betroffen sein. Die Psyche leidet.
- Grad IV: stört ständig, beeinträchtigt die Lebensqualität massiv und führt bis zur Berufsunfähigkeit
Grad I und II werden als kompensierter Tinnitus bezeichnet, das heißt, die Geräusche führen nicht zu psychischen Störungen. Sind psychische Beeinträchtigungen die Folge, spricht man von einem dekompensierten Tinnitus (Grad III und IV).
Symptome: So äußert sich Tinnitus
Tinnitus nimmt unterschiedliche Ausprägungen an. Oft fällt ein anhaltendes Zirpen im Ohr anfangs gar nicht auf. Das Ohrensausen kann sich dabei in jeder Tonlage und Intensität äußern: Brummen, Summen, Zischen, Dröhnen, Hämmern, Rauschen und vieles mehr. Zusätzlich treten bei einigen Betroffenen starker Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, Schwerhörigkeit, plötzlicher Hörverlust, Druck im Ohr und Kopfschmerzen auf.
Das Ohrensausen kann ganz plötzlich und anfallartig auftreten, aber auch schleichend. Es kann einseitig sein, in einem Ohr stärker wahrgenommen werden oder beide Ohren betreffen. Die Intensität, mit der die Geräusche auftreten, kann generell von "kaum wahrzunehmen" bis "extrem laut" variieren.
Manche Betroffene nehmen den Tinnitus unabhängig vom Herzrhythmus wahr, andere hingegen pulssynchron, was meist auf blutgefäßbedingte Ursachen hinweist. Klick- oder Schmatzgeräusche entstehen häufig beim Öffnen der Verbindung zwischen Ohr und Rachen und sind oft die Folge von verklebten Schleimhäuten. Die Symptome des Tinnitus geben also manchmal bereits Hinweise auf die mögliche Ursache.
Ursachen für Tinnitus sind vielfältig
In Bezug auf die Ursachen von Tinnitus ist die Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Tinnitus wichtig – selbst wenn der objektive relativ selten vorkommt. Beim objektiven Tinnitus werden körpereigene Schallquellen, die sich in der Nähe des Innenohrs befinden, wahrgenommen. Beim subjektiven Tinnitus liegt dagegen eine fehlerhafte Informationsverarbeitung im Hörsystem vor.
Ursachen für subjektiven Tinnitus
Hier kommen die unterschiedlichsten Ursachen infrage, die von seelischen Belastungen bis zu ernsthaften Krankheiten wie einem Tumor reichen:
hohe Lärmbelastung
psychischer Druck, Stress, Trauer, Angst
orthopädische Probleme in den Kiefergelenken oder der Nackenwirbelsäule
Innenohrentzündung (Otitis interna, Labyrinthitis)
Erkrankung des Knochens, der das Innenohr umgibt (Otosklerose)
Hirntumor
Tumor im Ohr (Akustikusneurinome)
Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck
Stoffwechselerkrankungen wie Nierenerkrankungen oder Diabetes
Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Colitis ulcerosa
Altersschwerhörigkeit
virale oder bakterielle Infektionen wie Herpes zoster (Gürtelrose), Borreliose oder Mumps
bestimmte Medikamente, unter anderem Acetylsalicylsäure oder Betablocker
Genuss- und Rauschmittel wie Nikotin, Alkohol, Cannabis, Morphium, Heroin
Ohrenschmalz und Ohrpfropf
Ursachen für objektiven Tinnitus
Der objektive Tinnitus, der relativ selten auftritt, hat als Ursache eine tatsächliche Schallquelle im Ohr oder in Ohrnähe an Kopf und Hals:
direkte Verbindungen zwischen Arterien und Venen, durch die das Blut mit hoher Geschwindigkeit strömt (Arteriovenöse Fisteln)
Verengungen der Halsschlagadern mit hoher Blutflussgeschwindigkeit (Karotisstenose)
Muskelzuckungen (Myoklonien) der Gaumensegel oder Mittelohrmuskulatur
meist gutartige Tumore in der Venenwand (Glomustumore)
Ausbuchtungen von Arterien innerhalb des Kopfes (Arterielles intrakranielles Aneurysma)
Blutarmut (Anämie)
Öffnen der Verbindung vom Ohr zum Rachen (Tubenöffnung; Vorgang, der beispielsweise für den Druckausgleich unter Wasser wichtig ist)
Die Suche nach der Ursache für Tinnitus ist selbst für den Arzt nicht immer leicht, weil die Auslöser für das Ohrensausen so unterschiedlich und weit gestreut sind.
Diagnose: Wie wird Tinnitus festgestellt?
Halten Ohrgeräusche länger als 24 Stunden an, sollte unbedingt ärztlich untersucht werden. Bei Ohrgeräuschen ist der*die HNO-Arzt*Ärztin zuständig. Zunächst wird ausführlich über die Beschwerden gesprochen (Anamnese). Dabei ist wichtig, wie lange der Tinnitus schon besteht, ob er durch Umweltgeräusche verdeckt werden kann und ob wegen der dauernden Ohrgeräusche schlechter gehört wird. Zusätzlich wird nach Grunderkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck gefragt.
Anschließend folgt eine körperliche Untersuchung, bei der mit dem Stethoskop die Halsgefäße und die Ohrregion abgehört werden, um festzustellen, ob ein objektiver Tinnitus vorliegt, etwa durch eine Verengung der Halsschlagadern.
Audiogramm gibt Aufschluss
Die wichtigste Untersuchung bei Tinnitus ist die Audiometrie, bei der mithilfe verschiedener Methoden bestimmte Eigenschaften des Gehörs geprüft werden können. Dabei werden dem*der Betroffenen verschiedene Töne in unterschiedlicher Lautstärke vorgespielt.
Tonaudiogramm: Mithilfe des Tonaudiogramms werden zunächst die Hörschwellen bestimmt. Es wird ermittelt, wie gut einzelne Frequenzbereiche wahrgenommen werden können. Nachdem das Tonaudiogramm erstellt wurde, ist die Ermittlung der Tonhöhe und Lautstärke des Tinnitus durch Vorspielen verschiedener Vergleichstöne möglich.
Impedanzmessung: Sie dient der Untersuchung der Mittelohrfunktion. Dabei wird gemessen, wie viel Widerstand das Mittelohr der Aufnahme von Schallwellen entgegensetzt. Anhand der Ergebnisse können mögliche Veränderungen im Mittelohr festgestellt werden.
Bestimmung der Unbehaglichkeitsschwelle: Hier wird die Lautstärke, ab der man Töne als unangenehm empfindet, festgestellt. Dafür werden Töne mit steigender Lautstärke vorgespielt, bis die Toleranzschwelle erreicht ist.
Sprachaudiometrie: Tritt gleichzeitig zum Ohrensausen ein Hörverlust auf, kann durch die Sprachaudiometrie das Hörvermögen ermittelt werden. Dabei werden Reihen mehrsilbiger Zahlen und Testwörter mit steigender Lautstärke vorgespielt.
Sollten diese Untersuchungen wenig Ergebnisse erbracht haben, wird zu weiteren Untersuchungen geraten. Gibt es etwa Hinweise auf mögliche körperliche Ursachen, kann beispielsweise eine Computertomographie (CT) zeigen, ob die Ursache für den Tinnitus im Kopf liegt, oder ob orthopädische Probleme im Kiefer die Ohrgeräusche verursachen.
Therapie des Tinnitus
Die Therapie des Tinnitus richtet sich nach der Ursache und Form. Wichtig ist, dass die Behandlung so schnell wie möglich nach Einsetzen der Ohrgeräusche startet. Das vergrößert die Chancen, dass die Therapie gut anschlägt und die Ohrgeräusche vollständig verschwinden. Eine durchblutungsfördernde Infusion kann sowohl bei akutem als auch chronischem Tinnitus eingesetzt werden. Kortison kann dabei gegeben werden, wenn eine Entzündung als Ursache vorliegt. Bei gleichzeitiger Hörminderung kann der Tinnitus mit einem Hörgerät behandelt werden.
Behandlung des chronischen Tinnitus
Bei chronischem Tinnitus, der länger als ein Jahr anhält, steht die Beratung und Betreuung der Betroffenen im Vordergrund. Besonders bei psychisch beeinträchtigenden Ohrgeräuschen ist es sinnvoll, dass Betroffene lernen, einen guten Umgang mit dem Tinnitus zu finden. Denn ein dauerhafter Tinnitus kann zu Ängsten, Schlafstörungen, einer Fixierung auf die Ohrgeräusche, Depressionen oder sogar zu Suizidgedanken führen. Bei diesen oder ähnlichen seelischen Beschwerden sollte unbedingt eine Psychotherapie eingeleitet werden.
Zur Behandlung des chronischen Tinnitus gibt es verschiedene Ansätze:
Entspannungsverfahren wie beispielsweise Autogenes Training: Übungen für mehr Entspannung können hilfreich dabei sein, die Ohrgeräusche zu akzeptieren und leichter mit dem Tinnitus zu leben.
Eine bewährte Methode ist die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT). Dabei werden Betroffene umfassend über die medizinischen Zusammenhänge der Ohrgeräusche aufgeklärt (Tinnitus Counseling) und lernen Methoden, die den Umgang mit dem Tinnitus erleichtern. Dazu zählen verhaltenstherapeutische Maßnahmen und die akustische Stimulation im Rahmen der Hörtherapie: Ein dem Hörgerät ähnelnder Apparat (Tinnitus-Masker) kann dabei zum Einsatz kommen. Er gibt Töne ab, die weniger unangenehm sind als die Tinnitus-Geräusche. Bis zu acht Stunden täglich sollten die Betroffenen im Rahmen der Retraining-Therapie (Retraining bedeutet Umschulung) den Masker über mehrere Monate nutzen, um das Gehirn so zu trainieren, dass es den Tinnitus als weniger unangenehm empfindet. Der Hintergrund: Bei chronischem Tinnitus lässt Stille das Ohrensausen verstärkt wahrnehmen. So berichten Betroffene, dass Dauerbeschallung in Form von Wasserplätschern oder ein leise geschalteter Fernseher ihren Leidensdruck mindern.
App zur Behandlung von Tinnitus, die ärztlich verordnet werden kann: Sie kombiniert Entspannungsverfahren, TRT, Verhaltenstherapie und Masker.
Präparate aus Ginkgo-biloba-Blättern sollen durchblutungsfördernd wirken und auf diese Weise die Symptome bei Tinnitus, der durch Durchblutungsstörungen des Innenohrs verursacht wird, bessern.
Verhaltenstherapie, Stressmanagement oder auch Anleitung zum richtigen Umgang mit der Angst kommen dann zum Einsatz. Das Gefühl, bei einem erfahrenen Therapeuten loslassen zu können und das Problem Tinnitus in Worte zu fassen, ist für viele Betroffene bereits eine große Hilfe. Als hilfreich kann sich auch eine Selbsthilfegruppe erweisen. Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen und das Gefühl, mit dem Tinnitus nicht allein zu sein, kann helfen, besser mit der Belastung durch das Ohrensausen umgehen. Selbsthilfegruppen finden Sie beispielsweise hier.
Behandlung des akuten objektiven Tinnitus
Die Therapie des akuten objektiven Tinnitus ist ebenfalls abhängig von den Auslösern. Gefäßbedingte Ursachen können mikrochirurgisch durch den künstlichen Verschluss bestimmter Gefäße (Embolisation) sowie durch die Implantation von Stents behandelt werden. Stents sind Implantate, die das Gewebe mancher Organe stützen, das Wachstum von bestimmten Zellen gezielt verhindern oder auch Medikamente freisetzen können. Bei Muskelzuckungen (Myoklonien) kann zum Beispiel die Sehne des Mittelohrmuskels durchtrennt werden. Zuckungen des Gaumensegels werden in der Regel mit Medikamenten behandelt.
Tipps zum Umgang mit Tinnitus
Verschiedenen Maßnahmen können den Umgang mit dem Tinnitus erleichtern:
Stress abbauen: Entspannungstechniken wie progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen kann helfen, den Tinnitus besser aushalten zu können und sich durch das Ohrensausen nicht noch weiter stressen zu lassen.
Gelassenheit entwickeln: Den Tinnitus bewusst anzunehmen und zu akzeptieren kann helfen, den durch den Tinnitus entstehenden Stress zu reduzieren und dem Teufelskreis zu entkommen.
Absolute Stille vermeiden: Da der Tinnitus in absoluter Ruhe meist am stärksten ist, kann es in Ruhesituationen wie beim Einschlafen hilfreich sein, Naturgeräusche wie Regenprasseln im Hintergrund zu hören.
Verlauf: Tinnitus verschwindet oft vollständig
Eine exakte Prognose für der Verlauf eines Tinnitus ist schwierig. Der Verlauf hängt von der Form ab und davon, wie rasch die Therapie einsetzt. Idealerweise verschwinden die Ohrgeräusche bereits nach wenigen Tagen. Auf einen Großteil der Betroffenen trifft dies zu.
Verlauf des chronischen Tinnitus
Die häufigsten Probleme, die im Verlauf eines chronischen Tinnitus auftreten, sind Schlafstörungen wie Einschlaf- und Durchschlafprobleme. Auch Konzentrationsstörungen gehören zu den psychischen Auswirkungen des Ohrensausens. Tinnitus kann zu Depressionen führen und im schlimmsten Fall kann es sogar zu Suizidgedanken kommen. Hier sollten unbedingt alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft werden.
Tinnitus: Am besten vorbeugen
Stress und Lärmbelastung sind die beiden wichtigsten Auslöser für Tinnitus. In diesem Bereich lässt sich sinnvoll vorbeugen.
Beschäftigte haben zum Beispiel ein Recht auf Lärmschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. Auch in der Freizeit gilt es, Dauerbelastung durch Lärm aus dem Weg zu gehen. Die Lautstärke von Kopfhörern sollte ein normales Maß nicht übersteigen. Auf Konzerten empfiehlt es sich zudem nicht direkt neben oder unter den Lautsprechern zu stehen, um mögliche Folgen zu verhindern.
Die zweite Präventionsmaßnahme gegen Tinnitus heißt: Dauerstress abbauen. Hier helfen beispielsweise Entspannungstechniken wie Yoga oder Autogenes Training. Ganz allgemein trägt eine gesunde Lebensweise dazu bei, das Tinnitus-Risiko zu senken. Dazu gehört Übergewicht abzubauen, sich ausgewogen zu ernähren und Kaffee und Alkohol nur in Maßen zu konsumieren. Auf das Rauchen sollten Sie verzichten, wenn es irgendwie geht: Tabakkonsum ist Gefäßgift Nummer eins, begünstigt Ablagerungen und macht die Blutgefäße unflexibel.