ADHS – was ist das und wie behandelt man?
Konzentrationsprobleme, ein unbändiger Bewegungsdrang und impulsives Verhalten gelten als Hauptsymptome von ADHS. In Deutschland sind rund fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen von einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung betroffen. Manchmal begleitet ADHS Menschen bis ins Erwachsenenalter.
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Nicht still sitzen können (Hyperaktivität), unfähig sein, sich in der Schule zu konzentrieren (Aufmerksamkeitsstörung) oder scheinbar ohne Anlass "hochgehen wie eine Rakete" (Impulsivität): ADHS hat viele Gesichter. Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ist eine psychische Störung, die bereits im 19. Jahrhundert Erwähnung fand: Ein Nervenarzt aus Frankfurt schildert die typischen Symptome anhand der Figur des "Zappelphilipps" in seinem bekannten Kinderbuch "Der Struwwelpeter". Mittlerweile gilt ADHS als häufigste psychische Störung bei Kindern und Jugendlichen, die sich auf alle Lebensbereiche auswirkt. Bei 4,4 Prozent der drei bis 17-jährigen in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen wurde bereits einmal ADHS diagnostiziert. Das ergab eine Elternumfrage zwischen 2014 und 2017. Die Diagnose wird bei Jungen viermal häufiger gestellt als bei Mädchen. Warum Jungen öfter betroffen sind, ist noch unbekannt.
Artikelinhalte im Überblick:
- ADS und ADHS: Unterschied
- ADHS bei Erwachsenen
- Ursachen: Wie entsteht ADHS?
- Symptome und Test
- Diagnose
- Behandlung
- Verlauf und Prognose
ADS und ADHS: Unterschied und Definition
Eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung kann auch ohne nach außen erkennbare Hyperaktivität auftreten. Dann spricht man von ADS. Kinder mit ADS wirken meist ruhig und stören kaum im Unterricht, sind aber trotzdem nicht bei der Sache. Sie scheinen in ihren Träumen und Gedanken versunken zu sein. Auch sie haben Probleme, sich zu konzentrieren. Daher sollte eine ADS auch ohne Hyperaktivität behandelt werden.
ADHS-Kinder leiden neben einer gestörten Aufmerksamkeit außerdem unter Unruhe und Hyperaktivität, weshalb sie in ihrem Verhalten meist auffälliger sind als ADS-Betroffene. Nicht selten werden sie als sehr anstrengend und manchmal sogar als aggressiv empfunden.
Haben Sie die Vermutung, Ihr Kind könnte an ADHS leiden oder wurde vielleicht sogar eine Diagnose gestellt?
Bei Erwachsenen bleibt ADHS oft unerkannt
Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung betrifft vor allem Kinder und Jugendliche. In den meisten Fällen zeigen sich die Symptome von ADHS mit dem Eintritt in den Kindergarten oder die Grundschule.
Die Annahme, dass ADHS nur Kinder betrifft und spätestens mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter verschwindet, ist falsch, denn Lesen Sie hier alles zu ADHS und ADS bei Erwachsenen. Die Störung bleibt bei zirka der Hälfte der betroffenen Kinder auch als Erwachsene bestehen und ist mittlerweile auch von psychiatrischen Fachgesellschaften anerkannt. Da sich die Störung bei Erwachsenen in veränderten Symptomen zeigt und Betroffene gelernt haben, mit diesen zu leben, bleibt eine entsprechende Diagnose oft aus.
Ursachen: ADHS entsteht nicht durch Erziehungsfehler
Eine Hyperaktivitätsstörung ist keine Folge eines Erziehungsfehlers – vielmehr scheint eine Störung im Gehirnstoffwechsel eine zentrale, ursächliche Rolle zu spielen. Es wird angenommen, dass durch mangelhaft durchblutete Gehirnareale wichtige Botenstoffe wie Dopamin und Serotonin nicht in ausreichender Menge ausgeschüttet werden können. Als Auslöser für ADHS führen Experten insbesondere genetische Faktoren an. Aber auch psychosoziale Faktoren haben Einfluss: Die Schnelllebigkeit unserer Zeit, Reizüberflutung durch TV, Internet oder PC-Spiele sowie familiäre Probleme können zum Auftreten und zu einer Verstärkung der Symptomatik beitragen.
Lesen Sie hier mehr über die Auslöser und Ursachen von ADHS.
ADHS Symptome und Test
Ein Kind ist zappelig, mag keine Hausaufgaben und will am liebsten immer aktiv sein? Das bedeutet noch lange nicht, dass es an AD(H)S leidet. Schließlich sind einige Kinder aktiver und hibbeliger als andere. Die Schlussfolgerung "mein Kind hat ADHS" wird häufig zu voreilig gezogen.
Umso wichtiger ist es, die typischen Symptome bei ADHS zu kennen und richtig zu reagieren. Zu den wichtigsten Anzeichen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, zählen:
- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche: Defizite bei der Konzentration beziehungsweise gehäufte Unaufmerksamkeit
- Unruhe: das Bedürfnis, ständig in Bewegung zu sein
- Impulsivität: stürmisches, teilweise aggressives Verhalten
Klassische Symptome wie aggressives Verhalten, das Aufmerksamkeitsdefizit und die Hyperaktivität führen nicht selten dazu, dass ein betroffenes Kind zunehmend in die Rolle eines Außenseiters gerät. Auch die Eltern von ADHS-Kindern stehen unter dem ständigen Druck, alles richtig zu machen und geraten dabei häufig an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
Positive Seiten von ADHS
ADHS stellt Betroffene und Angehörige vor große Herausforderungen, kann aber auch positive Seiten haben. Menschen mit ADHS sind oft sehr begeisterungsfähig, haben eine blühende Phantasie und sind ausgesprochen kreativ. Zudem verfügen ADHS-Betroffene häufig über einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie sind oft besonders offen und empathisch und werden von ihren Mitmenschen für ihre Hilfsbereitschaft geschätzt. Einige Menschen mit ADHS sind auch überaus sensibel und können Stimmungen anderer Personen oft schneller und besser erkennen als andere.
ADHS: Diagnose beim Facharzt
Bei der Diagnose AD(H)S handelt es sich immer um eine Ausschlussdiagnose. Das bedeutet, dass andere Ursachen ausgeschlossen werden müssen. Besteht der Verdacht, dass ein Kind AD(H)S hat, gilt es, einen Experten – meist den behandelnden Kinderarzt oder auch einen Kinder- und Jugendpsychologen – aufzusuchen. Nur dieser kann anhand einer umfassenden Untersuchung sowie eines festgelegten Fragenkatalogs eine Diagnose stellen und gegebenenfalls eine individuell angemessene Therapie einleiten.
Damit betroffene Kinder und Erwachsene sowie Angehörige ein nahezu normales Leben führen können, ist eine frühzeitige Diagnose wichtig. Nur so können geeignete Therapiemaßnahmen schnell eingeleitet werden. Wird eine Hyperaktivitätsstörung nicht behandelt, droht den Betroffenen sonst mitunter ein Abgleiten in die soziale Ausgrenzung. Zusätzliche gesundheitliche Einschränkungen, etwa durch Depressionen oder Angststörungen, sind keine Seltenheit. Sie treten vor allem bei Erwachsenen mit ADHS auf. Auch der verstärkte Hang zum Drogenkonsum kann laut Wissenschaftlern die Folge einer unzureichend behandelten ADHS-Störung sein.
Informieren Sie sich hier ausführlich zur Diagnose bei ADHS!.
Fehldiagnose ADHS? Was es noch sein könnte
ADHS ist keine Störung, die man medizinisch eindeutig diagnostizieren oder ausschließen kann. Weil die Symptome in schwach ausgeprägter Form auch bei gesunden Kindern im Rahmen eines normalen Entwicklungsverlaufs auftreten können, wird AD(H)S von einigen Ärzten oft nicht erkannt. Auf der anderen Seite wird ADHS oft auch fälschlicherweise diagnostiziert. Denn es gibt viele andere mögliche Ursachen für die Symptome. Darunter zum Beispiel:
- schulische Unter- oder Überforderung
- Schlafmangel, Bewegungsmangel, Mangelernährung und/oder Vernachlässigung
- Autismus
- geistige Behinderungen
- Wahrnehmungsstörungen
- Hirnschäden
- Epilepsie
- verschiedene psychische Störungen oder Erkrankungen, etwa Schizophrenie oder Borderline-Persönlichkeitsstörung
Therapie: ADHS nicht nur mit Medikamenten behandeln
In der Regel basiert die Therapie einer ADHS auf einem multimodialen Behandlungskonzept. Dazu gehören unter anderem:
- psychotherapeutische Maßnahmen,
- professionelles Verhaltenstraining der Eltern beziehungsweise erwachsenen Betroffenen,
- Lerntherapie und
- die Gabe geeigneter Medikamente, insbesondere der Wirkstoff Methylphenidat (zum Beispiel in Medikinet oder Ritalin)
Diese Medikamente fördern die Hirndurchblutung, weshalb sich Betroffene in der Regel besser konzentrieren können und ruhiger werden. Doch der Einsatz dieser Wirkstoffe wird seit Jahren kontrovers diskutiert, da unerwünschte Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit oder Desinteresse zusätzliche Belastungen bedeuten. Zudem gibt es bisher noch keine Langzeitstudien zur Wirkung und möglichen Folgeschäden.
Betroffene müssen mit dem behandelnden Arzt klären, wie eine individuell angemessene Therapie aussehen kann. Eltern sollten auch mit dem Kind selbst über die einzelnen Bausteine seiner Therapie sprechen. Die Behandlung von ADHS bedeutet immer, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen und eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.
Hier erfahren Sie mehr über die Therapie sowie den Einsatz von Medikamenten bei ADHS!.
Verlauf und Prognose bei ADHS
Bei etwa der Hälfte der von ADHS betroffenen Kinder verschwinden die Symptome mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter. Der Langzeitverlauf ist individuell sehr unterschiedlich. Je stärker die Symptome aber in der Kindheit ausgeprägt sind, umso größer ist in der Regel auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese auch noch im erwachsenen Alter zeigen. Fehlender sozialer Halt ist ebenfalls ein Faktor, der die Prognose negativ beeinflussen kann.