Interstitielle Nephritis – Risiko Schmerzmittel!

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Die interstitielle Nephritis ist eine Nierenentzündung, die akut oder chronisch verlaufen kann. Die häufigsten Auslöser sind Schmerzmittel, weitere Ursachen sind Bakterien, Viren und Schadstoffe. Von der interstitiellen Nephritis spüren viele Patienten zunächst nichts, was die Diagnose erschwert.

Einnahme Medikamente mit Wasser
© iStock.com/FotoDuets

Eine interstitielle Nephritis ist eine Nierenentzündung, welche die Zwischenräume der Nieren betrifft. Sie enthalten Blutgefäße, Nerven und Bindegewebe. Der Begriff lässt sich so ableiten: "Interstitiell" bedeutet "Zwischenraum" und "Nephritis" heißt übersetzt "Nierenentzündung". Mediziner unterscheiden die akute interstitielle Nephritis (AIN) und die chronische interstitielle Nephritis (CIN).

Die Nierenerkrankung erfasst zudem oft die feinen Nierenkanälchen. Diese bezeichnen Ärzte als Tubulo-interstitielle Nephritis. Greift die Entzündung auf das Nierenbecken über, leiden Patienten unter einer Pyelonephritis. Anders als bei der "normalen" Nierenentzündung, der Glomerulonephritis, sind bei der interstitiellen Nephritis die Nierenkörperchen nicht entzündet.

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Symptome: An diesen Anzeichen lässt sich die interstitielle Nephritis erkennen

Eine interstitielle Nierenentzündung kann lange Zeit ohne Beschwerden verlaufen. Patienten bemerken in diesem Fall nichts von der Entzündung in ihren Nieren und auch nichts von den Nierenschäden, die sich schleichend entwickeln. Die Bandbreite der Symptome ist beträchtlich: Sie reicht von keinen oder leichten Beschwerden bis hin zu den Symptomen eines Nierenversagens. Die interstitielle Nephritis ist auch für Ärzte schwer erkennbar. Oft entdecken sie die Erkrankung per Zufall im Rahmen von Routineuntersuchungen, etwa einer Blut- oder Harnuntersuchung.

Spezifische Anzeichen können sein:

  • Medikamente als Ursache: allergische Reaktion mit fleckigem, knotigem Hautausschlag (Exanthem), grippeähnliche Symptome (etwa Fieber, Gelenkschmerzen), Vermehrung der eosinophilen Granulozyten (bestimmte Gruppe von weißen Blutkörperchen, Eosinophilie)

  • Infektionen als Ursache (Hantavirus): hohes Fieber, Muskel-, Kopf-, Flankenschmerzen

  • Schmerzmittel als Ursache (Analgetika-Nephropathie): Blut im Urin (Hämaturie), eventuelle Koliken

Bei Nierenversagen entwickeln sich folgende Symptome:

  • akutes Nierenversagen: zum Beispiel verminderte Harnausscheidung, steigender Kreatininwert, Übersäuerung oder Muskelschwäche aufgrund der eingeschränkten Nierenfunktion

  • chronisches Nierenversagen: zum Beispiel erhöhte Urinausscheidung, nächtlicher Harndrang, Durst, Bluthochdruck, Wassereinlagerungen (Ödeme)

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Bei der chronischen interstitiellen Nephritis schreitet die Störung der Nierenfunktion langsam fort und wird oft erst sehr spät erkannt. Der Arzt findet Veränderungen im Urin, einen Stau bestimmter Substanzen im Harn (erhöhte Retentionswerte) oder Bluthochdruck. Die Patienten selbst verspüren Symptome eines Bluthochdrucks (zum Beispiel Schwindel, Kopfschmerzen, Schlafstörungen) oder der Nierenschwäche (Niereninsuffizienz) – diese hängen von der Ausprägung der Nierenfunktionsstörung ab.

Ursachen der interstitiellen Nierenentzündung

Die Ursachen der Entzündung der Niere sind vielfältig. Infrage kommen Medikamente wie Schmerzmittel oder Antibiotika, aber auch Bakterien, Viren und bestimmte Grunderkrankungen.

In etwa 80 Prozent der Fälle sind bestimmte Medikamente die Auslöser. Sie rufen eine allergische Überempfindlichkeitsreaktion hervor. Arzneimittel aus den folgenden Wirkstoffgruppen sind bekanntermaßen für die AIN verantwortlich:

  • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR): Beispiele für diese sehr häufig eingesetzten Schmerzmittel sind Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen.

  • Antibiotika: Beispiele sind Penicilline (Ampicillin, Methicillin), Cephalosporine, Sulfonamide (wie Cotrimoxazol) oder Ciprofloxacin

  • Entzündungshemmer (Antiphlogistika)

  • Kontrastmittel, zum Beispiel im Rahmen von Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT)

  • entwässernde Medikamente (Diuretika), etwa Furosemid, Bumetanid oder Thiazide

  • H2-Rezeptor-Antagonisten (Magensäuremittel), zum Beispiel Cimetidin

  • Protonenpumpenhemmer (Magensäureblocker), zum Beispiel Omeprazol und Lansoprazol gegen Sodbrennen, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre

  • Allopurinol gegen Gicht

  • Antivirenmittel (Virustatika), zum Beispiel Aciclovir, Tenofovir, Abacavir

  • Chemotherapie (Zytostatika) bei Krebs, zum Beispiel Cisplatin

  • pflanzliche Gifte, etwa verschiedene chinesische Heilkräuter, die mit Pilzgiften verunreinigt sind

Andere Ursachen der akuten interstitiellen Nephritis

Daneben kommen folgende Ursachen für die AIN in Frage:

  • Viren, meist Hantaviren

  • Bakterien, beispielsweise Streptokokken, Legionellen, Staphylokokken, Yersinien

  • Einzeller (Protozoen)

  • Autoimmunerkrankungen, zum Beispiel Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom, Sarkoidose

  • andere Krankheiten wie Tubulo-Interstitielles Nephritis-Uveitis-Syndrom (TINU, seltene Form einer Augenerkrankung)

Freunde und Feinde der kranken Niere

Ursachen der chronischen interstitiellen Nephritis (CIN)

Für die Entwicklung einer chronischen Form können beispielsweise folgende Ursachen verantwortlich sein:

  • Schadstoffe wie Blei oder Cadmium

  • Infektionen mit Viren, Bakterien und Einzellern (Protozoen)

  • bestimmte Krankheiten: erhöhte Harnsäurewerte im Blut (Gicht, Hyperurikämie), erhöhter Kalziumspiegel (Hyperkalzämie), erhöhter Kaliumspiegel (Hyperkaliämie), erhöhte Oxalsäurewerte im Urin (Hyperoxalurie)

  • Autoimmunkrankheiten: Sarkoidose, Sjögren-Syndrom, Lupus erythematodes

  • genetisch bedingte Erkrankungen, zum Beispiel Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD), Hereditäre Nephritis (Alport-Syndrom), Markschwammniere

  • andere Krankheiten wie Amyloidose, hier lagern sich unlösliche Eiweiße in den Zwischenräumen der Nieren ab

  • Krebs, zum Beispiel Multiples Myelom (Lymphdrüsenkrebs)

  • Ionisierende Strahlung, zum Beispiel Strahlentherapie bei Krebs, kann eine Strahlennephritis verursachen.

Diagnose der Nierenentzündung in mehreren Schritten

Der erste Schritt bei der Diagnose einer Nierenentzündung ist das Gespräch mit dem Arzt. Er befragt den Patienten unter anderem zu bestehenden Krankheiten und zur Einnahme von Medikamenten.

  • Nehmen Sie Medikamente ein, wenn ja: welche? (zum Beispiel Schmerzmittel, entwässernde Medikamente, Magensäureblocker, Antibiotika)

  • Seit wann nehmen Sie die Medikamente ein?

  • In welcher Dosierung wenden Sie die Arzneien an?

  • Haben Sie Hautveränderungen bei sich festgestellt?

  • Leiden Sie unter grippeähnlichen Symptomen wie Fieber oder Gelenkschmerzen?

  • Haben Sie sich kürzlich mit Bakterien, Viren oder anderen Erregern angesteckt?

  • Sind Krankheiten bei Ihnen bekannt, zum Beispiel Krebs oder Autoimmunerkrankungen wie ein Lupus erythematodes?

  • Haben Sie kürzlich Heilkräuter gekauft und die pflanzlichen Mittel angewendet?

Körperliche Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung tastet der Arzt die Nieren ab und prüft, ob der Patient zum Beispiel Schmerzen empfindet. Auch die Haut liefert wichtige Hinweise. Eine akute interstitielle Nephritis entsteht oft aufgrund einer allergischen Überempfindlichkeitsreaktion, zum Beispiel gegenüber Medikamenten. In diesem Fall ist ein Hautausschlag mit Knötchen, das Exanthem, erkennbar.

Urinuntersuchung

Eine Urinuntersuchung ergibt ebenfalls Hinweise auf eine interstitielle Nephritis. Der Urin wird über 24 Stunden gesammelt und dann im Labor untersucht (24-h-Sammelurin).

Folgende Werte können beeinträchtigt sein:

  • erhöhte Eiweißausscheidung und erhöhte Eiweißwerte im Urin (Proteinurie)

  • erhöhte Zahl an weißen Blutkörperchen (Leukozyturie), ohne erhöhte Zahl von Bakterien (Bakteriurie)

  • erhöhte Werte an roten Blutkörperchen (Hämaturie)

  • erhöhte Ausscheidung von Zucker (Glukose) im Harn (Glukosurie)

  • erhöhte Phosphatwerte (Phosphaturie)

Blutuntersuchung

Im Rahmen der Blutuntersuchung prüft der Arzt, wie gut die Nierenfunktion ist. Bestimmt werden unter anderem folgende Werte:

Daneben kann die Blutuntersuchung noch andere Auffälligkeiten zeigen:

  • bei Infektion mit dem Hantavirus: Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie)
  • erhöhte Anzahl an eosinophilen Granulozyten (weiße Blutkörperchen, Eosinophilie)

Urographie

Die Urographie zählt zu den radiologischen Methoden. Sie kann die ableitenden Harnwege wie Nierenbecken, Harnleiter und Harnblase gut sichtbar machen. Bei einer Analgetika-Nephropathie sterben die Papillen in den Nieren teilweise oder ganz ab – dies ist im Urogramm (Aufnahmen der Urographie) erkennbar.  

Ultraschalluntersuchung

Mittels Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann der Arzt die Nieren und das Nierengewebe beurteilen. Bei einer akuten interstitiellen Nephritis finden sich Vernarbungen, Verkalkungen, später ein verbreitertes Nierengewebe und verkleinerte Nieren.

Nierenbiopsie

Eine Gewebeprobe aus der Niere (Nierenbiopsie) liefert den sicheren Hinweis auf eine interstitielle Nephritis. Allerdings ist eine Biopsie ein invasiver Eingriff mit bestimmten Risiken, der deshalb gut überlegt sein muss. Ein Pathologe untersucht das aus der Niere und den Zwischenräumen entnommene Gewebe unter dem Mikroskop. Es zeigen sich Ansammlungen von Lymphozyten, Plasmazellen und eosinophilen Granulozyten. Zudem kommt es zu Wasseransammlungen (Ödeme). Die Nierenkörperchen sind dagegen normal ausgebildet.

Behandlung akuten und chronischen Nierenentzündung

Die interstitielle Nephritis verläuft oft ohne oder mit nur milden Beschwerden. Ärzte diagnostizieren und behandeln sie deshalb mitunter erst spät. Am wichtigsten ist es, den möglichen Auslöser zu finden. Wird er behandelt, bessert sich die Nierenfunktion in vielen Fällen wieder. Manchmal sind aber schon erhebliche Nierenschäden eingetreten und Patienten müssen sich einer Blutwäsche (Dialyse) unterziehen.

Auslösendes Medikament finden und absetzen

In der Mehrzahl der Fälle sind Medikamente die Ursache der interstitiellen Nephritis – das gilt sowohl für die akute als auch die chronische Form. Die Maßnahme Nummer eins lautet deshalb: Das auslösende Medikament finden und absetzen. Der Arzt überprüft mit dem Auslassversuch, ob innerhalb weniger Tage eine deutliche Besserung der Symptome eintritt. Das gilt auch für andere Schadstoffe wie Schwermetalle oder pflanzliche Mittel mit giftigen Stoffen, die ebenfalls eine interstitielle Nephritis verursachen können.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten:

  • Glukokortikosteroide (Kortison): Kortison hilft eventuell Patienten mit einer fortgeschrittenen interstitiellen Nephritis. Das Medikament ist einer der wirksamsten Entzündungshemmer. Zudem bremst das Kortison allergische Überempfindlichkeitsreaktionen.

  • Behandlung von Infektionen: Auch Bakterien und Viren können die Auslöser einer interstitiellen Nierenentzündung sein. In diesem Fall wird die Infektion behandelt, zum Beispiel mit Antibiotika und Antivirenmittel (Virustatika).

  • Behandlung der Grunderkrankung: Einige Krankheiten können die interstitielle Nierenentzündung auslösen. Hier steht immer die Behandlung der jeweiligen Grunderkrankung im Vordergrund. Bei einer Autoimmunerkrankung, die der Verursacher der Nierenentzündung sein kann, greift das Immunsystem körpereigene Strukturen und Organe an. In diesem Fall werden Medikamente eingesetzt, die das Immunsystem unterdrücken, sogenannte Immunsuppressiva. So versuchen Ärzte, die Entzündung zu bremsen und die Nierenfunktion wieder zu stabilisieren.

  • Blutwäsche (Dialyse): In manchen Fällen ist die Nierenfunktion so stark beeinträchtigt, dass nur noch eine Blutwäsche (Dialyse) den Patienten helfen kann. Die Dialyse reinigt das Blut von giftigen Substanzen, übernimmt also die Aufgabe der Nieren.

Interstitieller Nephritis vorbeugen

Einer interstitiellen Nephritis kann man durch bestimmte Maßnahmen vorbeugen:

  • Schmerzmittel sollten nicht über einen längeren Zeitraum in hoher Dosierung eingenommen werden. Dies gilt auch, obwohl viele Präparate freiverkäuflich ohne Rezept erhältlich sind.

  • Bei (chronischen) Schmerzen gibt es auch komplementärmedizinische Heilverfahren, zum Beispiel die Akupunktur. Auch Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson können Schmerzen lindern.

  • Protonenpumpenhemmer bei Problemen mit der Magensäure sind mittlerweile rezeptfrei in Apotheken erhältlich. Sie zählen heute zu den meistverkauften Medikamenten. Auch diese Wirkstoffe sollten nicht dauerhaft ohne Rücksprache mit einem Arzt eingenommen werden.

  • Antibiotika sind zwar sehr wirksam im Kampf gegen Bakterien, sie sind allerdings nicht in allen Fällen notwendig.

  • Viel trinken: Oft lösen Bakterien eine interstitielle Nierenentzündung aus. Wer zwischen 1,5 und zwei Litern Flüssigkeit pro Tag trinkt, spült die Nieren und Harnwege gut durch.

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