Glomeruläre Filtrationsrate (GFR): Wert im Blut zu niedrig?
Die glomeruläre Filtrationsrate, kurz GFR, ist ein wichtiger Wert zur Einschätzung der Nierenfunktion. Sie dient dem Nachweis von Nierenschäden, vor allem im Langzeitverlauf von Diabetes.
Mit der glomerulären Filtrationsrate oder auch Nierenfiltrationsrate können Ärzte abschätzen, wie gut die Niere arbeitet. Das Organ reinigt in seinen kleinsten Verästelungen, den Nierenkörperchen oder Glomeruli, das Blut von Abbauprodukten des Organismus. Die herausgefilterten Stoffe, unter anderem Kreatinin, Harnstoff und Harnsäure, werden in den Urin abgegeben.
Wenn die Niere geschädigt ist, können die Nierenkörperchen das Blut nicht mehr ausreichend filtern, die Konzentration der Abbauprodukte im Blut steigt an und kann im Labor nachgewiesen werden. Die GFR selbst ist ein rechnerischer Wert, der zum Beispiel aus dem Kreatinin-Wert, mittels Cystatin C (einem Protein) oder mithilfe von Inulin (einem Polysaccharid) ermittelt wird.
Artikelinhalte im Überblick:
- GFR-Wert bestimmen
- GFR und Kreatinin
- Normalwerte
- Zu niedriger Wert
- GFR-Wert bei Nierenschwäche
- Erhöhter Wert
Wann wird die GFR bestimmt?
Die glomeruläre Filtrationsrate gehört nicht zu den Standard-Blutwerten, wie sie zum Beispiel im kleinen oder großen Blutbild bestimmt werden. Immer dann, wenn der Arzt differenzierte Informationen zur Nierenfunktion benötigt und wissen möchte, ob die Filterfunktion der Niere noch ausreicht oder schon vermindert ist, kann er die GFR ermitteln lassen.
Der GFR-Wert spielt eine wichtige Rolle, wenn der Verdacht auf eine Nierenerkrankung besteht. Bei vielen Diabetikern wird er bestimmt, denn sie können eine schleichende und chronische Nierenschwäche entwickeln. Die GFR dient deshalb auch als Kontrollwert bei der Therapie.
Mit der GFR können Nierenerkrankungen zudem bereits in einem sehr frühen Stadium erkannt werden. Vor medikamentösen Therapien, welche die Nieren schädigen könnten, ist es sinnvoll, die Nierenfunktion anhand der GFR zu überprüfen.
GFR und die Unterschiede zu Kreatinin und Kreatinin-Clearance
Zur Überprüfung der Nierenfunktion können verschiedene Werte herangezogen werden. Die Bestimmung des Kreatinin-Werts im Blutserum liefert einen ersten Anhaltspunkt, wie gut die Nieren arbeiten. Jedoch steigt das Kreatinin erst bei einer Verschlechterung der Nierenfunktion um über 50 Prozent an. Zur Abschätzung einer beginnenden Nierenschädigung ist der Wert nicht empfindlich genug.
Deshalb wird bei Verdacht auf eine beginnende Niereninsuffizienz die Kreatinin-Clearance bestimmt. Das ist eine Kennzahl dafür, wie viel Kreatinin die menschliche Niere in einer bestimmten Zeit ausscheiden kann. Die Kreatinin-Clearance-Messung ist aufwändig: Über einen ganzen Tag muss der komplette ausgeschiedene Urin gesammelt werden (24-Stunden-Urin). Bei diesem Verfahren können naturgemäß Fehler auftreten, es wird allgemein nicht mehr empfohlen, außer bei Patienten mit stark abweichender Muskelmasse oder bei rein vegetarischer Kost.
Nierenfiltrationsrate aus Kreatinin errechnen
Deshalb wurden verschiedene Berechnungsformeln entwickelt, mit denen die glomeruläre Filtrationsrate (GFR/Nierenfiltrationsrate) aus dem einfacher zu bestimmenden Kreatinin im Blutserum näherungsweise ermittelt werden kann. In diese Formeln werden unter anderem Alter, Geschlecht, Gewicht, Körpergröße, Körperfläche und Hautfarbe mit einbezogen, denn die Konzentration des Kreatinins im Blut wird nicht allein von der Nierenfunktion bestimmt.
Alle Formeln geben jedoch nur einen geschätzten GFR-Wert, er wird auch eGFR (für englisch estimated = geschätzt) genannt. Je nach Formel liefert die Berechnung unterschiedliche Ergebnisse. Verfälschte Werte können sich zum Beispiel bei sehr zierlichen oder stark übergewichtigen Patienten, bei Menschen mit großer oder verminderter Muskelmasse, bei erhöhter oder verminderter Kreatin-Zufuhr über die Nahrung (Nahrungsergänzungsmittel bei Bodybuildern beziehungsweise Vegetariern) ergeben. Auch spielt der Grad der Nierenvorschädigung eine große Rolle für die GFR-Ergebnisse.
Alternativ kann die glomeruläre Filtrationsrate mittels Cystatin C im Blut berechnet werden. Cystatin C ist ein Eiweiß, welches nur über die Nieren aus dem Blut gefiltert wird. Seine Konzentration im Blut ist unabhängig von der Muskelmasse und anderen Faktoren. Der Wert ist ein guter Parameter, um beginnende Nierenschäden erkennen zu können. Allerdings ist die Laboruntersuchung von Cystatin C im Blut auch teuer und wird nicht überall angewandt.
Normalwerte für die glomeruläre Filtrationsrate (GFR)
All diese Faktoren müssen zur Interpretation des GFR-Werts durch den Arzt herangezogen werden. Bei gesunden Menschen bewegen sich die Werte der glomerulären Filtrationsrate zwischen 95 und 110 Milliliter pro Minute. Das heißt, gesunde Nieren können zwischen 95 und 110 Milliliter Blut filtern.
Der Normalwert ist abhängig von Geschlecht, ethnischen Merkmalen und dem Alter. Die GFR nimmt mit zunehmendem Alter ab – das gilt auch für gesunde Menschen.
Niedrige GFR ist ein Maß für die Schädigung der Niere
Den höchsten Wert erreicht die GFR zwischen 20 und 29 Jahren, bis zum 70. Lebensjahr ist sie auf etwa 70 ml/min abgefallen. Die GFR nimmt also mit zunehmendem Alter ab – das gilt auch für gesunde Menschen.
Medizinisch relevant sind vor allem niedrige Werte der glomerulären Filtratrionsrate. Werte unter der Norm zeigen eine Nierenschädigung an, das heißt, das Organ kann nicht mehr ausreichend Blut filtern.
GFR und Stadien der Nierenschwäche
Mittels der glomerulären Filtrationsrate wird die Schädigung der Niere(n) in verschiedene Stadien eingeteilt.
GFR in ml/min | Grad der Nierenschädigung | Diagnose und Therapie | |
Stadium I | ≥ 90 | Nierenfunktion normal, aber erhöhte Albumin-Ausscheidung (Mikroalbuminurie oder Makroalbuminurie) |
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Stadium II | 60 bis 89 | beginnende Nierenschwäche |
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Stadium III | 30 bis 59 | mäßige Einschränkung der Nierenfunktion |
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Stadium IV | 15 bis 29 | hochgradige Einschränkung der Nierenfunktion |
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Stadium V | < 15 | Nierenversagen (terminale Niereninsuffizienz) |
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Eine chronische Niereninsuffizienz entwickelt sich schleichend, oft über Jahre hinweg und ist durch den steten Abfall der GFR erkennbar. Hauptursache für die Verschlechterung der Nierenfunktion ist Diabetes, sowohl vom Typ 1 als auch Typ 2. Durch den häufig jahrelang unerkannt hohen Blutzuckerspiegel kommt es zu zunehmender Einschränkung der Nierenfunktion.
Ursachen für erhöhte GFR-Werte
Eine glomeruläre Filtrationsrate über den Normalwerten kann ganz am Anfang einer Nierenschädigung auftreten. Auch während der Schwangerschaft steigt die GFR an, da die Nieren dann mehr zu tun haben.
Als weitere Ursachen für eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate kommen neben Diabetes infrage:
- gefäßbedingte Nierenerkrankungen, vor allem durch Bluthochdruck,
- Entzündungen der Nierenkörperchen (Glomeruli),
- Autoimmunerkrankungen mit Beteiligungen der Nieren,
- bakterielle Infektionen,
- langjährige Medikamenteneinnahme,
- Harnwegserkrankungen,
- Nierensteine,
- Nierentumoren,
- Medikamente, zum Beispiel Antibiotika, Zytostatika
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