Autogenes Training: Übungen für mehr Entspannung
Autogenes Training ist eine Entspannungstechnik, bei der mithilfe der eigenen Vorstellungskraft Einfluss auf das vegetative Nervensystem genommen wird. Die Methode hilft bei Stress und Problemen mit dem Einschlafen. Probieren Sie die Übungen gleich aus!
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Kurzübersicht
Was ist autogenes Training? Es handelt sich um eine Entspannungsmethode, bei der Menschen durch Selbstbeeinflussung Stress und Ängste im Alltag reduzieren.
Wie funktioniert die Methode? Es gibt verschiedene Übungen, bei denen formelartige Sätze immer wieder aufgesagt werden.
Für wen eignet sich autogenes Training? Die Technik ist für jede*n geeignet, erfordert aber etwas Übung. Sie kann neben Stress und Ängsten auch bei Schlafstörungen, Schmerzen oder bei Konzentrationsproblemen angewandt werden.
Artikelinhalte im Überblick:
- Was ist autogenes Training
- Schwierigkeitsstufen
- Basis-Übungen
- Wirkung auf Körper und Seele
- Anleitung und Hinweise
- Anwendungsgebiete
- Grenzen der Anwendung
Was ist autogenes Training?
Beim autogenen Training handelt es sich um eine weitverbreitete Entspannungstechnik. Die Methode wurde 1932 von dem deutschen Psychiater Johannes H. Schultz entwickelt, der sich viel mit Hypnose beschäftigte.
Der Begriff "autogen" leitet sich aus dem Griechischen ab (autos = selbst und genos = erzeugen) und bedeutet so viel wie selbsterzeugt. Ziel ist es, Körper und Geist wieder in Gleichgewicht zu bringen, Anspannung abzubauen und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
Stufen des autogenen Trainings
Beim autogenen Training werden verschiedene Stufen zur Selbstentspannung unterschieden:
Grundstufe: Diese dient dazu, einen allgemeinen Entspannungszustand herbeizuführen. Sie bildet die Basis aller späteren Übungen. Die Grundübungen zielen auf Ruhe, Schwere, Wärme, Atem, Herz, Bauch und Kopf.
Mittelstufe: Mithilfe der formelhaften Vorsatzbildung sollen eigene Formeln entwickelt werden, um eingefahrene oder negative Verhaltensweisen positiv zu verändern.
Oberstufe: In der Ober- beziehungsweise Fortgeschrittenenstufe werden meditative oder hypnotherapeutische Übungen einbezogen, die auf spezielle Problembereiche zugeschnitten sind und zu tieferen Einsichten führen sollen.
Während die Grundstufe des autogenen Trainings auch selbst erlernt werden kann, stellt die Oberstufe des autogenen Trainings ein psychotherapeutisches Verfahren dar. Es ist daher ratsam, diese nur nach Instruktion eines*einer ausgebildeten Psychotherapeut*in anzuwenden.
Autogenes Training: Übungen zur Selbsthypnose
Zu der Grundstufe des autogenen Trainings gehören folgende sieben Übungen:
Ruheübung: Den Anfang jeder Übungseinheit bildet die Ruheübung. Hierbei begeben Sie sich in eine angenehme Körperposition und versuchen alles um sich herum auszublenden. Sagen Sie sich immer wieder den Satz vor: "Ich bin ganz ruhig." Dabei können Sie sich vorstellen, an einem schönen Ort, beispielsweise am Strand oder auf einer Wiese zu sein.
Schwereübung: Stellen Sie sich vor, wie sich Ihre Körperglieder entspannen, bis sie sich angenehm schwer anfühlen. Beginnen Sie mit einem Arm, in dem Sie beispielsweise den Satz denken: "Mein rechter Arm wird angenehm schwer". Dies wiederholen Sie anfangs bis zu sechsmal, bevor Sie sich dann auf den anderen Arm, auf beide Arme, die Beine und schließlich alle Glieder konzentrieren: "Alle meine Glieder sind angenehm schwer."
Wärmeübung: Sobald sich Ihr Körper angenehm schwer anfühlt, lassen Sie eine wohlige Wärme durch Ihren gesamten Körper fließen. Fangen Sie wieder mit einem Arm an ("Angenehme Wärme strömt durch meinen rechten Arm") und arbeiten Sie sich über den anderen Arm, beide Arme und die Beine schließlich zu allen Gliedmaßen vor: "Angenehme Wärme durchströmt all meine Glieder."
Herzübung: Der nächste Schritt beim autogenen Training ist das Herz. Stellen Sie sich vor, wie Ihr Herzschlag langsamer und ruhiger wird und wiederholen Sie die Formel: "Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig."
Atemübung: Jetzt konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung, indem Sie beispielsweise denken: "Mein Atem geht ruhig und gleichmäßig" oder "Jeder Atemzug vertieft die Ruhe". Beobachten Sie, wie sich Ihre Atmung dadurch verändert. Versuchen Sie, die Kontrolle über den Atem loszulassen und die Entspannung Ihres gesamten Körpers auf sich wirken zu lassen.
Sonnengeflechtsübung (warmer Bauch): Bündeln Sie nun die Wärme des Körpers in Ihrem Bauch: "Wärme strömt durch meinen Bauch." oder "Mein Sonnengeflecht ist warm." Spüren Sie nach, wie sich Ihr Bauch entspannt und ganz weich wird.
Kopfübung (kühle Stirn, Stirnübung): Abschließend konzentrieren Sie sich auf Ihre Stirn, zum Beispiel mit dem Satz: "Meine Stirn ist angenehm kühl". Das sorgt für einen klaren Kopf, während Ihre Gliedmaßen und Muskeln gut durchblutet, entspannt und warm sind.
Autogenes Training: Wirkung auf Körper und Seele
Beim autogenen Training wird die Kraft der Gedanken (Autosuggestion) genutzt, um in einen Zustand der inneren Ruhe und ganzheitlichen Entspannung zu gelangen. Die Methode basiert dabei auf der Fähigkeit des Menschen, sich Körperempfindungen oder Gefühle vorzustellen, sodass es zu einer körperlichen Reaktion kommt.
Während sich beispielsweise Ängste und Stress negativ auf den Körper auswirken und Symptome wie Kopfschmerzen verursachen können, lässt sich mithilfe des autogenen Trainings das vegetative Nervensystem positiv beeinflussen. Das ständige Wiederholen von Formeln wie "Ich bin ganz ruhig" oder meine "Arme und Beine sind ganz warm" und gedankliche Konzentration führt dazu, dass der Körper tatsächlich entspannt und die Durchblutung in bestimmten Körperteilen verbessert wird.
Autogenem Training werden unter anderem folgende positive Effekte nachgesagt:
- Mehr Gelassenheit und innere Ruhe
- Mehr Kraft und Energie
- Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit und Kreativität
- Abbau von Muskelverspannungen
- Linderung von chronischen Schmerzen, Kopfschmerzen und Migräne
- Besserung von Magen-Darm-Beschwerden
- Positiver Effekt bei psychischen Belastungen
- Vermindere Infektanfälligkeit
Wichtig:
Im Vergleich zur progressiven Muskelentspannung ist autogenes Training weniger gut wissenschaftlich untersucht. In einer schon älteren Meta-Analyse von 2002, in der 64 kontrollierte randomisierte klinische Studien zur Anwendung des Autogenen Trainings untersucht wurden, ließen sich aber bei verschiedenen Krankheitsbildern mittel bis starke Effekte aufzeigen.
Autogenes Training: Anleitung und Hinweise für Neulinge
Autogenes Training ist im Alltag zur Stressbewältigung anwendbar. Es benötigt keine besonderen Vorkehrungen. Gerade zu Beginn empfiehlt sich aber, in das autogene Training unter Anleitung einzusteigen. Viele Krankenkassen bieten beispielsweise spezielle Kurse für autogenes Training an. Darüber hinaus lässt sich die Methode aber auch durch Videos auf Youtube oder mit einer App für das Smartphone erlernen.
Für Anfänger*innen ist eine bequeme Liegeposition, beispielsweise auf dem Bett oder einer Matte, zu empfehlen. Geübtere können sich auch in einer entspannten Sitzposition in den gewünschten Ruhezustand versetzen. Hilfsmittel wie leise Musik, Wärmekissen oder auch eine Duftlampe mit Aromaölen können das zur Ruhe kommen erleichtern.
Gut zu wissen:
Die ersten Erfolge stellen sich meist bereits nach drei bis vier Wochen ein. Dabei gilt: Je regelmäßiger Übungen durchgeführt werden, desto eher kann eine Wirkung gespürt werden.
Autogenes Training: Breites Anwendungsgebiet
Die Entspannungsmethode wird von vielen Menschen als begleitende Therapie vieler Erkrankungen und Störungen angewandt. Vor allem bei psychischen Störungen hat sich autogenes Training als hilfreich erwiesen. Darüber hinaus kann autogenes Training in folgenden Fällen ergänzend zu einer ärztlichen Behandlung ausprobiert werden:
- Stress
- Leistungsabfall und Konzentrationsstörungen
- Muskelverspannungen
- Spannungskopfschmerzen und Migräne
- Leichter bis mittelschwerer Bluthochdruck
- Asthma
- Schlafstörungen
- Verdauungsbeschwerden (zum Beispiel Reizdarm)
- Durchblutungsstörungen
- Tinnitus
Regelmäßige Auszeiten und Entspannungsübungen vom Alltagsstress können auch vorbeugend hilfreich sein. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung eines Burnout-Syndroms sowie anderer Erkrankungen, die im Zusammenhang mit permanentem Stress stehen.
Für wen ist autogenes Training nicht geeignet?
In einigen Fällen raten Fachleute von autogenem Training ab. Nicht geeignet ist die Technik der Suggestion beispielsweise für Menschen mit
- Psychosen,
- Hypochondrie,
- schweren Angststörungen wie Depressionen,
- schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen (etwa ein kürzlich zurückliegender Herzinfarkt) oder
- Demenz.
Derartige Krankheiten können sich durch das autogene Training verschlimmern.
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