Schwangerschaftskomplikation

Hyperemesis gravidarum: Übermäßiges Erbrechen in der Schwangerschaft

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Übelkeit während der Schwangerschaft kennen viele Frauen, doch ein kleiner Prozentanteil leidet an einer besonders schweren Form, der sogenannten Hyperemesis gravidarum. Das pausenlose Erbrechen kann die Schwangerschaft zu einem extremen Kraftakt werden lassen. Wie gefährlich die Erkrankung ist und was bei schwerem Schwangerschaftserbrechen hilft.

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© Getty Images/GoodLifeStudio

Rund 25 Prozent aller Frauen leiden an Übelkeit (Nausea) während der Frühschwangerschaft, etwa 50 Prozent zusätzlich an Erbrechen (Emesis gravidarum). In den meisten Fällen klingen die Beschwerden gegen Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels (Trimenon) ab. In 0,2 bis 2 Prozent der Schwangerschaften ist das Erbrechen allerdings übermäßig stark ausgeprägt – dann handelt es sich um eine Hyperemesis gravidarum.

Artikelinhalte im Überblick:

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Was ist Hyperemesis gravidarum?

Unter einer Hyperemesis gravidarum verstehen Fachleute eine Schwangerschaftskomplikation, die sich durch besonders starke Übelkeit und häufiges Erbrechen (mehr als fünfmal täglich) kennzeichnet. Weitere Kriterien der Erkrankung sind:

  • Gewichtsabnahme von mehr als fünf Prozent des Körpergewichts,
  • Störungen im Stoffwechsel sowie
  • Füssigkeitsmangel (Dehydration).

Die extreme Übelkeit beginnt in der Regel in der 4. bis 9. Schwangerschaftswoche. Bei etwa der Hälfte der Patientinnen bessern sich die Beschwerden ab der 14. Schwangerschaftswoche (SSW) wieder. Nur in Ausnahmefällen hält das unstillbare Schwangerschaftserbrechen über die 20. Woche hinaus an. Aufgrund des schlechten Allgemeinzustands ist in vielen Fällen ein Klinikaufenthalt notwendig.

Schweregrade der Hyperemesis gravidarum

Fachleute unterscheiden zwei Schweregrade:

  • Hyperemesis gravidarum Grad 1: Es treten Übelkeit, Erbrechen und ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl auf. Die Stoffwechselwerte liegen im Normalbereich.

  • Hyperemesis gravidarum Grad 2: Zusätzlich zu den Symptomen von Grad 1 leiden Schwangere an einem gestörten Stoffwechsel-, Wasser- und Mineralhaushalt.

Symptome: Hyperemesis gravidarum oder normale Schwangerschaftsübelkeit?

Übelkeit während der Schwangerschaft ist keine Seltenheit und belastet Betroffene meist stark. In den meisten Fällen handelt es sich allerdings um eine normale Begleiterscheinung der Schwangerschaft und keine ernsthafte Erkrankung.

Hyperemesis gravidarum ist hingegen eine extreme Form der Schwangerschaftsübelkeit. Zu den typischen Anzeichen zählen:

  • Andauernde Übelkeit und ständiges Erbrechen (mindestens fünfmal innerhalb von 24 Stunden)
  • Nahrung und Flüssigkeit können nicht im Körper behalten werden
  • Gewichtsverlust (von über fünf Prozent des Körpergewichtes)
  • Dehydration (trockene Schleimhäute und Zunge, stehenbleibende Hautfalten, eingefallene Augen, reduzierter Harndrang und Durstgefühl)
  • Kreislaufschwäche (Schwindel, zu schneller Puls)
  • Erhöhte Temperatur
  • Süßlicher Atemgeruch (Hinweis auf Ketose)

Mit anhaltendem Flüssigkeitsverlust sind weitere Symptome möglich. Häufige Folgen sind Nährstoffmangel und Störungen im Wasserhaushalt wie Elektrolytentgleisungen.

Hält die Erkrankung über die 16. bis 18. SSW hinaus an, kann es zu ernsthaften Schäden der Leber kommen, was sich beispielsweise durch eine Gelbsucht bemerkbar macht. Bei schwerer Leberschädigung oder Flüssigkeitsmangel treten unter Umständen Bewusstseinstrübungen bis hin zum Delirium auf. Ebenso sind Blutgerinnungsstörungen sowie Nerven- und Muskelschmerzen möglich.

Wie gefährlich ist eine Hyperemesis gravidarum?

Das ständige Erbrechen stellt für Schwangere nicht nur eine starke psychische Belastung dar, sie führt auch oft zu einer körperlichen Schwäche sowie Mangelzuständen, welche das Risiko für weitere Komplikationen wie eine Präeklampsie (Bluthochdruck in der Schwangerschaft mit Nierenstörung) oder Speiseröhrenschäden erhöhen.

Unbehandelt kann eine Hyperemesis gravidarum Auswirkungen auf den Stoffwechsel von schwangeren Frauen haben. Es kann zu Vitamin-B-Mangelschäden des Gehirns (Wernicke-Enzephalopathie) oder Nervenschädigungen kommen. Solche Komplikationen sind allerdings selten.

Für das ungeborene Kind besteht die Gefahr, frühzeitig (also vor der 37. SSW) auf die Welt zu kommen. Das Baby kann bei der Geburt ein verringertes Gewicht (weniger als 2,5 Kilogramm) haben.

Ursachen: Wie kommt es zu einer Hyperemesis gravidarum?

Die genauen Ursachen der Erkrankung sind bisher unklar. Lange wurde davon ausgegangen, dass sie rein psychischer Natur ist und auf Stress während der Schwangerschaft zurückzuführen ist. Diese Annahme gilt mittlerweile als überholt und ist nicht wissenschaftlich bewiesen. Stattdessen vermuten Fachleute, dass mehrere verschiedene Faktoren eine Rolle spielen.

Dazu gehören unter anderem hormonelle Veränderungen. Vor allem das Schwangerschaftshormon hCG (humanes Choriongonadotropin) scheint eine Rolle zu spielen, da Übelkeit und Brechreiz durch einen hohen hCG-Spiegel ausgelöst werden. Zudem tritt die Erkrankung häufiger bei Mehrlingsschwangerschaften auf, bei denen der hCG-Spiegel grundsätzlich höher ist. Aber auch andere Hormone wie Östrogen, Progesteron und Schilddrüsenhormone scheinen beteiligt zu sein.

Frauen, deren Mütter ebenfalls von der Erkrankung betroffen waren, sind etwa drei- bis viermal so stark gefährdet. Deshalb gehen Expert*innen davon aus, dass die Veranlagung ebenfalls Einfluss hat. Darüber hinaus könnte eine Trägheit von Speiseröhre und Magen die ständige Übelkeit verursachen. In Studien wurde zudem festgestellt, dass der Magenkeim Helicobacter pylori bei Schwangeren mit Hyperemesis gravidarum deutlich häufiger vorkommt. Allerdings ist nicht erwiesen, ob das Ursache oder Folge der Erkrankung ist.

Risikofaktoren, die eine Hyperemesis gravidarum begünstigen:

  • Junges Alter
  • Übergewicht
  • Stoffwechselerkrankungen (zum Beispiel Diabetes mellitus)
  • Mehrlingsschwangerschaften
  • Afrikanische oder asiatische Abstammung

Wie wird Hyperemesis gravidarum diagnostiziert?

Schwangere Frauen, denen ständig übel ist und die häufig erbrechen müssen, sollten unbedingt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. In der Regel ist die erste Anlaufstelle die gynäkologische Praxis. Dort werden Betroffene zunächst nach der Häufigkeit des Erbrechens und anderen Symptomen befragt. Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei der eine mögliche Gewichtsreduktion und der Allgemeinzustand kontrolliert werden. Außerdem wird auf Anzeichen einer Austrocknung oder einer Stoffwechselstörung geachtet.

Im Anschluss folgt eine labordiagnostische Überprüfung. Das Blutbild wird auf Entzündungs-, Elektrolyt-, Leber-, Nieren- und Schilddrüsenwerte überprüft. Eine Urinprobe gibt Aufschluss auf mögliche Ketonkörper im Urin. Die Stoffe entstehen beim Abbau von Fettsäuren im Körper und sind ein wichtiger Hinweis auf eine mögliche Stoffwechselentgleisung. Die Diagnose schließt zudem eine Ultraschalluntersuchung (Sonografie) mit ein, um die Entwicklung des ungeborenen Kindes zu überprüfen.

Unter Umständen kommen noch weitere Untersuchungen zum Einsatz, um Erkrankungen wie eine  Magen-Darm-Grippe oder eine Bauchspeicheldrüsenentzündung auszuschließen. Zudem können gleichzeitig mit einer Hyperemesis gravidarum weitere Krankheiten auftreten, etwa:

  • Präeklampsie
  • Schwangerschaftsfettleber
  • Entzündungen im Verdauungstrakt oder Urogenitalbereich
  • Neurologische Krankheiten
  • Stoffwechselerkrankungen

Ein schlechter Allgemeinzustand (Anzeichen von Dehydration oder starker Gewichtsabnahme) erfordert eine Aufnahme in einem Krankenhaus.

Therapie: Wie wird eine Hyperemesis gravidarum behandelt?

Ziel der Behandlung bei einer Hyperemesis gravidarum ist es, den Brechreiz zu stoppen und Flüssigkeits-, Vitamin- und Elektrolytspeicher wieder aufzufüllen. Je nach Schwere der Symptome kommen dafür verschiedene Behandlungen infrage:

Ernährung und konservative Maßnahmen

Bei leichteren Fällen können oftmals eine Ernährungsumstellung und Maßnahmen, die bei einer normalen Schwangerschaftsübelkeit empfohlen werden, helfen. Dazu gehören unter anderem:

  • Meiden von Triggern (zum Beispiel bestimmte Gerüchen)
  • Fettarme und kohlenhydratreiche Ernährung
  • Viele kleine Mahlzeiten
  • Ausreichend Trinken (vor allem Kamillen- oder Kräutertees tun Magen und Darm gut)
  • Viel Ruhe und genügend Schlaf

Zudem können Ingwer, Akupunktur, Akupressur am Handgelenk und eine Supplementierung mit Vitamin B die Übelkeit lindern. Die Maßnahmen können allerdings nicht das Erbrechen reduzieren.

Medikamente

Bei einer Hyperemesis gravidarum können verschiedene Medikamente helfen. Häufig werden Antihistaminika, Anticholinergika und Antiemetika verschrieben, die den Brechreiz lindern. Mittel der Wahl ist das Antihistaminikum Meclozin, das in Deutschland allerdings nur über Auslandsapotheken erhältlich ist. Alternativ verordnen Mediziner*innen oft eine Kombination von Doxylamin und Pyridoxin (Vitamin B6), die die Übelkeit reduzieren.

Bei schweren Verläufen ist zudem die Gabe von Metoclopramid (aus der Gruppe der Antiemetika), kortisonhaltigen Medikamente oder Ondansetron möglich. Letzteres wird normalerweise bei Übelkeitsanfällen während einer Krebstherapie eingesetzt, hat aber auch bei extremer Schwangerschaftsübelkeit Erfolge gezeigt. Bei der Verschreibung von Medikamenten in der Schwangerschaft müssen Nutzen und Risiken gut abgewogen werden.

Stationäre Behandlung

In schweren Fällen von Schwangerschaftserbrechen ist ein stationärer Aufenthalt notwendig. Hier erhalten Schwangere Elektrolytlösungen und Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen. Bei einer Mangelernährung kann zudem eine Vitaminzufuhr (vor allem Thiamin) angezeigt sein. Im Krankenhaus kann der Zustand der Betroffenen und des Babys besser überwacht werden.

Dauer und Prognose der Hyperemesis gravidarum

Schwere Komplikationen und lebensbedrohliche Zustände sind bei einer Hyperemesis gravidarum selten. Meist klingen die Beschwerden ab der 14. SSW ab, bei etwa 15 bis 20 Prozent der Betroffenen halten sie allerdings noch im 3. Trimenon an, bei etwa 5 Prozent sogar bis zur Geburt.

Das schwere Schwangerschaftserbrechen ist sehr kräftezehrend und belastend. Private und berufliche Aktivitäten werden beeinträchtigt und Schwangere können Schwangerschaftsdepressionen entwickeln. Eine ärztliche, familiäre und unter Umständen auch psychologische Betreuung ist daher sehr wichtig.

Kann man Hyperemesis gravidarum vorbeugen?

Einer Hyperemesis gravidarum kann bisher nicht vorgebeugt werden. Das Risiko, dass Frauen bei einer erneuten Schwangerschaft an einer Hyperemesis gravidarum erkranken, beträgt 15 bis 20 Prozent.

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