Non-Hodgkin-Lymphom

Plasmozytom: Therapie und Lebenserwartung bei multiplem Myelom

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Das Plasmozytom oder multiple Myelom ist eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems. Es kommt zu einer übermäßigen Anreicherung krankhaft veränderter Plasmazellen im Knochenmark. Alles zu den Symptomen, der Diagnostik, der Behandlung und wie die Lebenserwartung beim Plasmozytom ist.

multiples myelom
© Getty Images/Kohei Hara

Charakteristisch für das multiple Myelom sind viele Tumorherde im Knochenmark. Ist nur ein Krankheitsherd vorhanden, handelt es sich um ein solitäres (vereinzeltes) Plasmozytom. Eingeordnet wird das multiple Myelom in die Gruppe der sogenannten Non-Hodgkin-Lymphome.

Plasmazellen sind B-Lymphozyten und gehören zu den weißen Blutzellen. Sie spielen bei der spezifischen Immunabwehr eine Rolle. Bei Kontakt mit Krankheitserregern oder körperfremden Substanzen bilden sie Antikörper gegen diese aus. Beim multiplen Myelom kommt es durch die übermäßige Anreicherung von Plasmazellen im Knochenmark zu einer Störung der Blutbildung und zur Schwächung des Immunsystems mit erhöhter Infektanfälligkeit. Durch Auflösungserscheinungen der Knochen entsteht die Gefahr von Knochenbrüchen und Osteoporose. Die krankhaften Plasmazellherde produzieren zudem vermehrt Antikörper und Eiweißstoffe, die im weiteren Krankheitsverlauf andere Organe wie die Nieren oder das Gehirn schädigen.

Plasmozytom-Stadien: Wie das Multiple Myelom fortschreitet

Für die Abschätzung des Krankheitsstadiums und des zu erwartenden Krankheitsverlaufs werden mehrere Klassifikationen angewendet.

Internationales Staging System

Stadium Merkmale
Gruppe I Beta-2-Mikroglobulin im Blut < 3,5 mg/l und

Albumin im Blut mindestens 3,5 g/dl

Gruppe II Weder Gruppe I noch Gruppe III: Beta-2-Mikroglobulin im Blut < 3,5 mg/l und Albumin im Blut < 3,5 g/dl oder Beta-2-Mikroglobulin 3,5-5,4 mg/l unabhängig vom Albumin
Gruppe III Beta-2-Mikroglobulin im Blut > 5,5 mg/l

Plasmozytom-Stadieneinteilung nach Durie und Salmon

Stadium Merkmale
Stadium I Folgende Kriterien sind erfüllt:
 

- Hämoglobin > 10 g/dl
- Serumkalzium normal
- Normale Knochenstruktur oder nur ein einzelner
  Herd im Knochen nachweisbar
- Niedrige Myelomeiweißkonzentration:
  - IgG < 50 g/l (Blut)
  - IgA < 30 g/l (Blut)
  - Bence-Jones-Eiweiß < 4 g/24-Stunden (Urin)

Stadium II Weder Stadium I noch Stadium III
 
Stadium III Mindestens eines der folgenden Kriterien ist erfüllt:
 

- Hämoglobin < 8,5 g/dl
- Serumkalzium erhöht
- Fortgeschrittene Knochenschädigungen
- Hohe Myelomeiweißkonzentration:
  - IgG > 70 g/l (Blut)
  - IgA > 50 g/l (Blut)
  - Bence-Jones-Eiweiß > 12 g/24-Stunden (Urin)

Zusatz A = normale Nierenfunktion

B = eingeschränkte Nierenfunktion (Kreatinin > 173 µmol/l)

Häufigkeit und Prognose bei Plasmozytom (multiplem Myelom)

In Deutschland erkranken pro Jahr etwa sechs bis sieben von 100.000 Einwohnern an einem multiplen Myelom. Damit ist es unter den 20 häufigsten Krebsarten in Deutschland. Die Häufigkeit nimmt mit dem Lebensalter zu, das durchschnittliche Erkrankungsalter ist 71 Jahre.

Die durchschnittliche Prognose (Lebenserwartung) beim Plasmozytom beträgt sechs Jahre ab Diagnosestellung, schwankt jedoch zwischen wenigen und über zehn Jahren. Heilbar ist die Krebsform bislang nicht.

Symptome beim Plasmozytom

Das Beschwerdebild beim Plasmozytom ist sehr vielfältig und reicht vom Fehlen jeglicher Symptome bis hin zu schweren Organschäden.

Meist beginnt das multiple Myelom symptomlos und verläuft über einen Zeitraum von wenigen Wochen bis hin zu Monaten oder sogar Jahren schleichend. Dabei treten zunehmend uncharakteristische Allgemeinbeschwerden auf wie Leistungsminderung, Schwäche, Müdigkeit, Inappetenz, Durstgefühl, Gewichtsabnahme, Nachtschweiß und leichtes Fieber.

Die häufigsten Plasmozytom-Symptome zum Zeitpunkt der Diagnose sind:

  • Knochenschmerzen (fast zwei Drittel aller Patienten)
  • Beschwerden infolge von Blutarmut: mangelnde körperliche Leistungsfähigkeit, starke Atemnot bei Belastung, Hautblässe (die Hälfte aller Patienten)

Seltener beziehungsweise im fortgeschritteneren Stadium treten auf:

  • neurologische Störungen infolge einer Wirbelsäulenschädigung und Einklemmung von Nerven insbesondere im Brust- und Lendenbereich (Rückenschmerzen, Taubheitsgefühl in den Beinen)

  • schmerzhafte Knochenbrüche infolge der Knochenschädigungen

  • Polyneuropathie: Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen vor allem
    in den Beinen

  • Nierenfunktionsstörungen: stark schäumender Urin, häufiger Harndrang
    mit besonders großen Urinmengen oder das Versiegen der Urinproduktion (Urämie)

  • erhöhte Anfälligkeit für bakterielle Infektionen, zum Beispiel eitrige Bronchitis, Lungenentzündung, Entzündung der Nasennebenhöhlen, Harnwegsinfekte

Als Notfall gelten:

  • Hyperkalzämische Krise bei übermäßiger Kalziumkonzentration im Blut: Übelkeit, Erbrechen, verstärkter Harndrang, Flüssigkeitsverlust und Austrocknung (Dehydratation), neuropsychiatrische Störungen wie Müdigkeit, Verlangsamung, Muskelschwäche, Schläfrigkeit bis hin zum Koma

  • Hyperviskositätssyndrom (krankheitsbedingte Veränderung der Fließeigenschaften des Blutes infolge der verstärkt gebildeten Antikörper und Eiweiße, die zu zähflüssigem Blut führen): krankhaft gesteigerte Blutungsneigung, Herzkreislaufstörungen und neurologische Symptome wie Schwindel, Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit oder Sehstörungen.

Ursachen für das multiple Myelom

Die Ursachen für das Plasmozytom sind bislang noch nicht abschließend erforscht. Nachgewiesen ist, dass Menschen afrikanischer Abstammung ein höheres Risiko für das multiple Myelom haben. Zudem kommt die Erkrankung in manchen Familien gehäuft vor. Wissenschaftler wiesen genetische Veränderungen nach, die dafür verantwortlich sein könnten.

Weiterhin gibt es folgende Risikofaktoren:

  • häufiger Kontakt mit Insektiziden
  • häufiger Kontakt mit bestimmten Unkrautbekämpfungsmitteln, Formaldehyd, Benzol, Schwermetallen und Asbest
  • radioaktiver Strahlung
  • Vorliegen der sogenannten monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS)

Menschen, bei denen MGUS festgestellt wird, erkranken später mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Prozent pro Jahr an einem multiplen Myelom. Anders als beim multiplen Myelom bilden die Plasmazellen bei diesem Syndrom zwar ebenfalls vermehrt Antikörper, allerdings ohne die Blutbildung zu verdrängen, die Knochensubstanz zu zerstören oder die Nieren zu schädigen. Die Häufigkeit von MGUS nimmt im höheren Lebensalter zu. Zudem scheint berufsbedingter regelmäßiger Kontakt mit Pestiziden, insbesondere dem Insektizid Dieldrin, der Räuchermittelmixtur Kohlenstoff-Tetrachlorid/Kohlenstoff-Disulfid und dem Pilzmittel Chlorothalonil, das Risiko für MGUS zu erhöhen.

Plasmozytom-Diagnose: So werden multiple Myelome festgestellt

Neben der Erfragung von Krankengeschichte und aktuellen Beschwerden des Patienten sowie einer gründlichen körperlichen Untersuchung spielen Blut- und Urinuntersuchungen die entscheidende Rolle für die Diagnose des multiplen Myeloms.

Oft wird ein Plasmozytom zufällig im Rahmen einer Routineuntersuchung festgestellt, bei der bestimmte Laborwerte (Kreatinin, Kalzium, Albumin, Gesamteiweiß, Hämoglobin) bestimmt wurden. Häufig sind zum Beispiel eine starke Beschleunigung der Blutsenkungsgeschwindigkeit, Blutarmut, Veränderungen der Bluteiweißzusammensetzung und eine Nierenfunktionsstörung festzustellen. Zeigen sich in den Blutwerten Auffälligkeiten, die auf eine lymphatische Erkrankung hindeuten, wird gezielt nach entsprechenden Veränderungen gesucht (etwa Bestimmung von Antikörpern und Eiweißen im Blut und Urin mithilfe von Serumeiweißelektrophorese und quantitativer Immunglobulinbestimmung).

Neben der Bestimmung von Laborwerten werden Röntgenuntersuchungen der langen Röhrenknochen, des Beckens, der Rippen und des Schädels sowie eine Punktion des Knochenmarks durchgeführt. Mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) können kleine Ansammlungen von Tumorzellen, sogenannte fokale Läsionen, im Knochen und Knochenmark dargestellt werden. Besteht der Verdacht, dass einzelne Organe angegriffen sind, können Gewebeproben (Biopsien) entnommen und mikroskopisch begutachtet werden.

Um den Krankheitsverlauf zu kontrollieren, werden regelmäßig Messungen bestimmter Blut- und Urinwerte (Eiweiß- und Antikörperkonzentrationen) vorgenommen.

Wie lässt sich ein multiples Myelom behandeln?

Die Therapie des multiplen Myelom (Plasmozytom, Morbus Kahler) hängt vom Stadium der Erkrankung ab.

Plasmozytom-Stadium I oder nicht-symptomatische Erkrankung

Patienten mit multiplen Myelom im Stadium I und Patienten, die keinerlei Beschwerden aufweisen, müssen zunächst nicht behandelt werden. Allerdings wird ihr Krankheitsverlauf regelmäßig kontrolliert, um ein Fortschreiten rechtzeitig zu bemerken.

Plasmozytom-Stadium II, III oder symptomatische Erkrankung

Im fortgeschritteneren Stadium des multiplen Myeloms beziehungsweise beim Auftreten von Beschwerden wird in der Regel eine Behandlung eingeleitet. Ziel ist es, ein langfristiges Verschwinden der krankhaften Plasmazellen zu erreichen oder die Lebensqualität durch die Behandlung zu erhalten beziehungsweise zu verbessern.

Hochdosis-Chemotherapie und Stammzelltransplantation

Eine intensive Therapie, die auf ein langfristiges Verschwinden der krankhaft veränderten Plasmazellen (Langzeitremission) abzielt, ist die Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Blutstammzelltransplantation. Dabei werden die krankhaften Plasmazellen durch hohe Dosen an Chemotherapeutika zerstört. Da dies jedoch auch die blutbildenden Zellen im Knochenmark schädigt, erhält der Patient anschließend durch eine Transplantation Blutstammzellen zurück, aus denen sich neues Blut bilden soll.

Diese Stammzellen kommen entweder von dem Patienten selbst (vor der Therapie entnommen, von kranken Zellen gereinigt und anschließend zurückgegeben – sogenannte autologe Stammzelltransplantation) oder von einem geeigneten Spender (allogene Stammzelltransplantation). Da es sich insgesamt um ein belastendes und risikoreiches Therapieverfahren handelt, entscheiden in erster Linie das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten, ob eine Hochdosis-Chemotherapie und Blutstammzelltransplantation möglich sind oder nicht.

Alternative medikamentöse Therapie des multiplen Myeloms

Ist eine intensive Therapie etwa aufgrund des Alters des Patienten oder seines Gesundheitszustands nicht möglich, kann eine Therapie mit Thalidomid, Bortezomib oder Lenalidomid und einer Kombinationschemotherapie aus Melphalan und Prednison (Kortison) durchgeführt werden. Diese Behandlung kann nachweislich die Überlebenszeit und die krankheitsfreie Zeit verlängern und die Lebensqualität verbessern. Sie wird auch bei Krankheitsrückfällen angewandt.

Therapie von Knochenschäden

Liegen bereits Knochenschädigungen vor, kann unterstützend eine Langzeittherapie mit Bisphosphonaten durchgeführt werden. Diese wirken schmerzlindernd, halten die weitere Knochenzerstörung auf und beugen Knochenbrüchen vor. Neuere Untersuchungen wiesen zudem nach, dass Bisphosphonate (wie der Wirkstoff Zoledronsäure) auch direkt gegen die Tumorzellen wirken und deshalb unabhängig von ihrer Wirkung am Skelettsystem zu einer Verlängerung der Überlebenszeiten beitragen. Bei besonders starken Knochenschmerzen ist auch eine Strahlentherapie möglich.

Kann man dem Plasmozytom vorbeugen?

Spezielle Empfehlungen zur Vorbeugung des Plasmozytoms gibt es nicht, aber Tipps für bestimmte Risikogruppen.

Personen, die beispielsweise berufsbedingt häufigem Kontakt mit Insektiziden, Phenoxyherbiziden, Formaldehyd, Benzol, Schwermetallen oder Asbest ausgesetzt sind, sollten ihr erhöhtes Risiko für das multiple Myelom kennen und beim Auftreten unklarer Allgemeinbeschwerden ihren Arzt darauf hinweisen. Ähnliches gilt für Personen, in deren Familie das multiple Myelom gehäuft aufgetreten ist.

Patienten mit monoklonaler Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) sowie Patienten, bei denen ein Plasmozytom zwar nachgewiesen wurde, die aber noch keine Symptome aufweisen, werden regelmäßige Verlaufskontrollen empfohlen. Geht die Erkrankung in ein behandlungsbedürftiges Stadium über, kann dann rechtzeitig die notwendige Therapie eingeleitet werden.

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