Wenn Gluten dem Darm schadet

Zöliakie: Glutenunverträglichkeit erkennen und behandeln

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Wer unter Zöliakie leidet, reagiert überempfindlich gegen Gluten, das Klebereiweiß von Getreide. Die Erkrankung wird auch Glutenunverträglichkeit, Sprue oder glutensensitive Enteropathie genannt. Am besten hilft eine glutenfreie Ernährung.

sauerteigbrot
© Getty Images/alvarez

Bei einer Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) führt die Aufnahme von Gluten zu einer Entzündungsreaktion in der Darmschleimhaut. In der Folge kann sie stark geschädigt werden. Anders als bei einer normalen Lebensmittelallergie bildet das Immunsystem fälschlicherweise Antikörper gegen körpereigene Strukturen. Die Glutenunverträglichkeit ist daher eine Mischform aus Allergie und Autoimmunkrankheit.

Artikelinhalte im Überblick:

Vorsicht bei Zöliakie: In diesen Lebensmitteln lauert Gluten!

Was ist Gluten?

Gluten ist ein Proteingemisch in Getreide. Denn Gluten besteht aus verschiedenen eiweißähnlichen Molekülen (Peptiden), von denen einige überdurchschnittlich viele der Aminosäuren Prolin und Glutamin enthalten. Da Gluten für die Backeigenschaften von Mehl und die Klebrigkeit von Teig verantwortlich ist, bezeichnet man es häufig auch als "Klebereiweiß".

Die speziellen Proteinanteile werden Prolamine genannt, jede Getreidesorte enthält unterschiedliche Prolamine. Für Zöliakie entscheidend sind Gliadin im Weizen, Hordein in der Gerste und Secalin im Roggen.

Zöliakie: Diese Symptome treten auf

Bei Zöliakie sind die Symptome abhängig von Form und Ausprägung der Unverträglichkeit. Die klassische Zöliakie ist nur die "Spitze des Eisberges" und die Glutenunverträglichkeit hat als Erkrankung unterschiedliche Ausprägungsformen. Die Mehrheit der Krankheitsverläufe weist dabei lediglich wenige bis gar keine der klassischen Symptome auf.

Folgende Punkte gelten heute als Kriterien für die gesicherte Diagnose einer Glutenunverträglichkeit:

  • Das Beschwerdebild kann von symptomlos bis zum Vollbild der Erkrankung reichen. Dann mit charakteristischen Symptomen der Mangelernährung (Malabsorption), schweren Verdauungsproblemen und daraus resultierenden körperlichen Merkmalen wie Gedeihstörungen und Kleinwuchs.

  • Der Nachweis zöliakiespezifischer Antikörper im Blut.

  • Charakteristische Veränderungen der Darmschleimhaut: Zottenathropie. Dabei sind die ansonsten dicht gefalteten Erhebungen des Zwölffingerdarms abgeflacht,

  • Eine deutliche Verbesserung der Beschwerden unter einer glutenfreien Diät.

Es werden acht Formen der Zöliakie unterschieden

  • Klassische Zöliakie: Sie stellt das Vollbild der Erkrankung dar und äußert sich vor allem durch Zeichen der Malabsorption. Die Patienten leiden an starkem Gewichtsverlust, Muskelschwund und Eiweißmangel, der zu Flüssigkeitsansammlungen (Ödemen) im Körper führt. Es kommt zu Verdauungsstörungen mit anhaltendem Durchfall und häufigem Erbrechen. Da auch das aufgenommene Nahrungsfett nicht resorbiert werden kann, ist der Stuhlgang massig, breiig und fettglänzend (Fettstühle). Die Patienten haben keinen Appetit und fühlen sich müde und antriebslos. Tritt die Erkrankung bereits im Kleinkindalter auf, kommt es zu Wachstums- und Gedeihstörungen.

  • Mono- und oligosymptomatische Zöliakie: Wie der Name bereits sagt, treten bei dieser Verlaufsform nur vereinzelt Beschwerden auf. Häufig sind beispielsweise Eisenmangel und Kleinwuchs die einzigen spürbaren Symptome. Erst eine Blutanalyse und die Begutachtung der Darmschleimhaut zeigen, dass eine Glutenunverträglichkeit Ursache der Beschwerden ist: Bei den Patienten lassen sich sowohl zöliakietypische Antikörper als auch eine Zottenatrophie nachweisen.

  • Stumme/silente/asymptomatische Zöliakie: Von einer stummen Verlaufsform der Zöliakie spricht man, wenn die Patienten an keinerlei charakteristischen Beschwerden leiden, paradoxerweise aber trotzdem eine ausgedehnte Zottenatrophie sowie zöliakiespezifische Antikörper im Blut aufweisen. In manchen Fällen kommt es nach Einführung einer glutenfreien Ernährung zu einer deutlichen Besserung des Allgemeinbefindens, sodass sich rückwirkend zuvor nicht wahrgenommene Beschwerden offenbaren.

  • Atypische Zöliakie: Bei dieser Ausprägungsform manifestiert sich die Zöliakie außerhalb des Magen-Darm-Traktes. Die Patienten leiden an Krankheiten, die dem ersten Anschein nach nichts mit einer Zöliakie oder deren Folgebeschwerden zu tun haben. Hierzu gehören beispielsweise Hautkrankheiten wie Dermatitis herpetiformis Duhring, Lebererkrankungen wie die Fettleber (Steatosis hepatis) oder Störungen im Nervensystem.

  • Latente Zöliakie: Sie ist in den meistens Fällen nahezu symptomlos. Sowohl der Antikörperbefund als auch die Begutachtung der Darmschleimhaut sind unauffällig beziehungsweise uneindeutig. Nur zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt ist im Krankheitsverlauf eine Zöliakie belegt. Nehmen die Patienten vermehrt Gluten zu sich, kann es wiederum zu zöliakietypischen Veränderungen kommen, die dann die Diagnose bestätigen.

  • Transiente Zöliakie: Ein Sonderfall ist die transiente Zöliakie, bei der die Erkrankung zunächst im Kleinkindalter auftritt, unter glutenfreier Ernährung vollständig verschwindet und auch bei erneuter Glutenbelastung im späteren Lebensalter nicht wieder aufflammt. Auch die Antikörperuntersuchung und die Zotten der Dünndarmschleimhaut sind bei Kontrollen nun unauffällig.

  • Potenzielle Zöliakie: Hierzu zählen Patienten, die nie das klassische Bild einer Zottenatrophie präsentiert haben, wohl aber zöliakietypische Antikörper im Blut aufweisen. Häufig handelt es sich um erstgradige Verwandte von Patienten mit Zöliakie.

  • Refraktäre Zöliakie: Bei dieser sehr seltenen, komplikationsbehafteten Verlaufsform tritt trotz strenger glutenfreier Ernährung keine Besserung der Zottenatrophie ein. Um die Schleimhautzellen des Dünndarms zu schützen, können entzündungshemmende Mittel wie Kortikoide oder Immunsuppressiva gegeben werden.

Begleiterkrankungen und Komplikationen bei Zöliakie

Ihm Rahmen einer Glutenunverträglichkeit gibt es verschiedene Begleiterkrankungen, die auftreten können:

Bleibt die Glutenunverträglichkeit unbehandelt, besteht außerdem ein erhöhtes Risiko für einige Krebserkrankungen. Hierzu zählen MALT-Lymphome des Gastrointestinaltraktes, maligne T-Zell-Lymphome, Speiseröhren- und HNO-Karzinome.

Ursachen für Zöliakie

Für die Glutenunverträglichkeit liegen immer mehrere, teils noch unbekannte Faktoren vor, die zur Entstehung der Symptome von Zöliakie führen. Alle Betroffenen tragen eine gewisse genetische Anfälligkeit (Prädisposition) für die Erkrankung in sich. Die Glutenunverträglichkeit tritt familiär gehäuft auf und wird in der Familie mit einer Wahrscheinlichkeit von fünf bis zehn Prozent an erstgradige Verwandte vererbt. Das Risiko ist bei eineiigen Zwillingen mit 75 Prozent deutlich höher.

Gluten schädigt die Darm-Zotten

In der Dünndarmschleimhaut werden Nährstoffe aufgenommen (Resorption) und weiterverarbeitet. Für eine möglichste große Oberfläche ist die Schleimhaut des Darms "in Falten gelegt", die entstehenden Ausstülpungen werden (Darm-)Zotten genannt. Bei Betroffenen mit Zöliakie werden die Zotten durch die Aufnahme von Gluten stark beschädigt.

Schematische Darstellung einer Darmzotte
© iStock.com/ericsphotography

Bei Menschen mit Zöliakie ist der Glutenstoffwechsel gestört, sodass die Prolamine unverdaut in den Dünndarm gelangen. Im Inneren der Schleimhautzellen des Dünndarms befindet sich das Enzym Gewebstransglutaminase, dass die Bruchstücke des Glutens verändert.

Dadurch können sie an die HLA-Proteine (enl. human leucocyte antigen system) an der Außenseite der Dünndarmzellen binden. Der Komplex aus Prolamin und HLA-Protein wird vom Immunsystem als fremd und potenziell gefährlich erachtet, sodass eine Entzündungsreaktion ausgelöst wird.

Immunsystem attackiert körpereigene Proteine

Um den Körper dauerhaft vor dem vermeintlichen Schadstoff Gluten zu schützen, produziert das Immunsystem im Zuge der Entzündung entsprechende Antikörper. Fälschlicherweise werden jedoch auch Antikörper gegen körpereigene Proteine gebildet. Die resultierende Abwehrreaktion des Immunsystems ist dabei vielfach so heftig, dass die betroffenen Zellen der Dünndarmschleimhaut zugrunde gehen. Als Folge können Nährstoffe aus dem Darm nicht mehr aufgenommen werden. Je mehr Zellen absterben, desto flacher werden die Zotten (Zottenatrophie). Bei vielen Betroffenen mit Zöliakie sind die Zotten nahezu vollständig zurückgebildet.

Zöliakie: Welcher Test dient zur Diagnose?

Eine eindeutige Diagnose der Zöliakie liefern Antikörpernachweis und eine Biopsie der Darmschleimhaut. Die klassische Verlaufsform der Glutenunverträglichkeit kann in vielen Fällen bereits anhand der charakteristischen Symptome diagnostiziert werden. Atypische und symptomlose Ausprägungsformen sind hingegen weit weniger offensichtlich.

Zur eindeutigen Diagnostik der Zöliakie gibt es heute zwei Tests:

  • Antikörpernachweis: Dem Patienten wird Blut entnommen und auf zöliakiespezifische Antikörper (vor allem gegen die Gewebstransglutaminase) untersucht.

  • Biopsie der Dünndarmschleimhaut: Hierbei werden dem Patienten mittels Biopsie an mehreren Stellen des Darms kleine Gewebeproben entnommen, anhand derer die Architektur der Darmschleimhaut unter dem Mikroskop begutachtet werden kann. Dadurch können das Vorliegen einer Zottenatrophie und das Ausmaß der Schädigung sicher beurteilt werden.

Bei unklaren Befunden kann eine Typisierun der HLA-Antigene helfen: Liegen beim Patienten nicht die zöliakietypischen Ausprägungen vor, ist die Erkrankung so gut wie ausgeschlossen. Gleichzeitig sollten mögliche Differenzialdiagnosen berücksichtigt werden, da viele der möglichen Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten.

Glutenfreie Ernährung bei Zöliakie

Die Unverträglichkeit gegenüber Gluten besteht in der Regel ein Leben lang und bedeutet damit eine konsequente lebenslange glutenfreie Ernährung. Die strikte Einhaltung der Diät führt in der Regel zu einer deutlichen Besserung bis hin zum völligen Rückgang der Symptom – mit Ausnahme der seltenen refraktären Zöliakie. Bei symptomloser Zöliakie ist eine glutenfreie Ernährung nur sinnvoll, wenn sie zur Besserung des Allgemeinbefindens führt.

Alternativen zu herkömmlichem Getreide ohne Gluten

  • Buchweizen
  • Hirse
  • Quinoa
  • Amaranth
  • Reismehl
  • Maismehl

Eine genaue Liste über glutenhaltige und glutenfreie Nahrungsmittel sowie versteckte Glutenquellen beispielsweise in Fertiggerichten und Medikamenten gibt es bei der Deutschen Zöliakiegesellschaft e.V. Sie ist Herausgeber der jährlich neu überarbeiteten "Aufstellung glutenfreier Lebensmittel und Arzneimittel" und des "Zöliakiehandbuchs".

Nahrungsergänzung gegen Mangelerscheinungen durch Zöliakie

Viele Patienten mit Zöliakie leiden aufgrund der schlechten Nährstoffaufnahme an Mangelerscheinungen. Bei einer diagnostizierten Zöliakie ist daher die Gabe von bestimmten Mineralstoffen und Spurenelementen wie Kalzium sowie Vitaminen wie Vitamin D sinnvoll. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Präparate für Menschen mit Zöliakie geeignet sind und keine unverträglichen Stoffe enthalten. Sobald sich die Dünndarmschleimhaut regeneriert hat, kann auf die Einnahme wieder verzichtet werden.

Kann man Zöliakie vorbeugen?

Da der Glutenunverträglichkeit eine genetische Prädisposition zugrunde liegt, ist es nicht möglich, sich aktiv vor der Erkrankung zu schützen. Dennoch scheint es, als ob die frühkindliche Ernährung bei der Entwicklung der Erkrankung eine Rolle spielt. Studien zufolge bietet Stillen einen gewissen Schutz vor der Entwicklung einer Zöliakie. Frühkindliche Ernährung spielt offenbar eine Rolle bei der Entstehung der Zöliakie.

Gewöhnung an Gluten schon in der Stillzeit?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt außerdem, glutenhaltige Beikost nicht vor dem 6. Lebensmonat einzuführen. Liegt beim Säugling hingegen eine genetische Prädisposition vor, deuten neuere Studienergebnisse darauf hin, dass die schrittweise Einführung von Gluten während der Stillzeit, und zwar im Zeitfenster zwischen dem 4. und dem 6. Lebensmonat günstig sein kann.

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