Fibromyalgie – Schmerzen am ganzen Körper
Fibromyalgie beschreiben Betroffene oft als "Schmerzen überall". Das Syndrom verursacht nicht nur Muskel- und Gelenkbeschwerden, sondern auch Schlafstörungen, Erschöpfung und Depressionen. Durch eine Therapie, die mehrere Ansätze verbindet, kommt oft die Lebensqualität zurück.
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Medizinisch gehört Fibromyalgie zu den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. In Deutschland betrifft sie etwa ein bis drei Prozent der Bevölkerung. Die Schmerzkrankheit ist fast immer Frauensache: Etwa 90 Prozent der Betroffenen sind weiblich. Meist tritt das Weichteilrheuma zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf.
Artikelinhalte im Überblick:
Was ist Fibromyalgie?
Menschen mit Fibromyalgie (Weichteilrheuma, Fibromyalgiesyndrom, FMS) werden von heftigen Muskel- und Gelenkschmerzen in mehreren Körperregionen geplagt, vor allem in den Armen, Beinen, im Rücken oder Nacken. Viele Betroffene reagieren äußerst empfindlich, wenn ein*e Arzt*Ärztin auf die Ansatzpunkte zwischen den Muskeln und Sehnen drückt, die sogenannten Tender Points.
Fibromyalgie: Symptome des Weichteilrheumas
Die Symptome beim Fibromyalgiesyndrom sind vielfältig. Charakteristisch sind starke, immer wiederkehrende Schmerzen im Bereich der Sehnen, Muskeln und Gelenke. Sie treten nicht täglich und nicht immer in der gleichen Stärke auf. Meist schmerzen die Arme, Beine, Brustkorb, Rücken oder Nacken. Die Beschwerden können sich auf einzelne Körperteile beschränken oder an mehreren Körperbereichen gleichzeitig bestehen. Betroffene beschreiben sie oft als ziehend und reißend. Daneben empfinden sie Druck auf die Ansatzpunkte zwischen den Sehnen und Muskeln (Tender Points) als schmerzhaft. Die Folge der Schmerzen sind Muskelverspannungen, die den Betroffenen heftig zusetzen.
Neben Muskel- und Gelenkschmerzen treten häufig weitere Symptome auf:
Chronische Müdigkeit, Erschöpfung, Abgeschlagenheit
Kalte Hände und Füße
Leistungsabfall, Antriebslosigkeit
Magen-Darm-Beschwerden
Morgensteifigkeit der Finger und Füße
Nervosität, innere Unruhe
Stimmungsschwankungen, depressive Verstimmungen, Niedergeschlagenheit
Taubheitsgefühle
Trockener Mund
Überempfindlichkeit gegenüber Licht, Geräuschen und Gerüchen
Verlauf bei Fibromyalgie sehr unterschiedlich
Eine Fibromyalgie beginnt in der Regel schleichend und unauffällig. Zu Beginn klagen Betroffene über unspezifische Beschwerden, etwa Rückenschmerzen, Abgeschlagenheit oder Schlafstörungen. Bis zur vollen Ausprägung der Fibromyalgie vergehen meist einige Jahre.
In Verlauf der Erkrankung sind nicht immer alle Symptome gleich stark ausgebildet. So können sich beschwerdefreie Phasen mit Zeiten starker Schmerzen abwechseln. Äußere Umstände wie kalte oder warme Witterung, ein Wetterwechsel, intensive Sonneneinstrahlung oder Stress können die Beschwerden verstärken.
Wie stark die Schmerzen und die Begleitsymptome der Fibromyalgie ausgeprägt sind, ist individuell verschieden. Patient*innen mit leichterer Form lernen mit der Zeit, mit ihrer Krankheit zu leben. Bei schwereren Krankheitsbildern können sich neben den chronischen Schmerzen weitere körperliche Beschwerden wie ein Reizdarm oder eine Reizblase entwickeln. Zusätzliche Angststörungen und Depressionen beeinträchtigen das Berufsleben und den Alltag.
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Genaue Ursachen der Fibromyalgie noch unklar
Fachleute unterscheiden zwischen einer primären Fibromyalgie, deren Ursachen oft unentdeckt bleiben, und einer sekundären Fibromyalgie, die durch eine andere Grunderkrankung ausgelöst wird. Dafür infrage kommen entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis, Autoimmunkrankheiten, Infektionen oder eine Operation.
Man vermutet, dass eine gestörte Verarbeitung und veränderte Wahrnehmung von Schmerzen die primäre Fibromyalgie auslösen – das Schmerzgedächtnis ist "fehlprogrammiert" und die Schmerzverarbeitung deshalb gestört. Auch eine körperliche Ursache ist möglich: Forscher des Universitätsklinikums Würzburg stellten fest, dass die Muskelschmerzen auf eine Schädigung vieler kleiner Nervenfasern zurückzuführen ist.
Risikofaktoren, die eine Fibromyalgie begünstigen
Einige Risikofaktoren können die Entwicklung der Erkrankung begünstigen oder die Symptome verstärken:
Frühere Schmerzerfahrung durch Unfälle oder Operationen
Fehlbelastungen und Fehlhaltungen
Mangelndes Verständnis der Umwelt für die Beschwerden
Negative Gedanken und Gefühle, die Patient*innen im Zusammenhang mit ihren Beschwerden entwickeln
Psychische Erkrankungen wie Ängste und Depressionen
Schlafmangel, gestörter Schlaf
Stress und Konflikte am Arbeitsplatz oder in der Familie
Traumatische Erlebnisse wie sexueller Missbrauch, Gewalterfahrungen, Trennungen
Überforderung und hoher Leistungsanspruch
Verminderte körperliche Aktivität, Mangel an Bewegung, Übergewicht
Rauchen
Diagnose Fibromyalgie stellen
Bis Ärzt*innen die Diagnose Fibromyalgie stellen, haben die meisten Betroffenen einen jahrelangen Leidensweg hinter sich. Es können Monate oder Jahre vergehen, bis die Schmerzkrankheit diagnostiziert wird. Wichtig für die Diagnose ist die Anamnese, die aktuelle Beschwerden und die Krankengeschichte umfasst. Darin soll geklärt werden, wie stark die Beschwerden ausgeprägt sind und ob bestimmte Grunderkrankungen bestehen.
Eine wichtige Methode zur Diagnose ist die Untersuchung von Druckpunkten. Die Tender Points befinden sich an den Ansätzen zwischen Muskeln und Sehnen. Der*die Arzt*Ärztin kann sie per Daumendruck stimulieren. Insgesamt sind 18 solcher Punkte über den gesamten Körper verteilt. Durch Abtasten des Körpers wird versucht, die Schmerzen genauer zu lokalisieren.
Wichtige Kriterien zur Diagnose der Fibromyalgie:
Die Schmerzen müssen in mindestens drei Körperbereichen nachweisbar sein und über drei Monate bestehen.
Außerdem schmerzen bei Druck mindestens elf von 18 Tender Points.
Bewertung von typischen Begleitsymptomen bestimmter Stärke können zur Diagnose führen.
Andere Krankheiten ausschließen
Mithilfe von Laboruntersuchungen, Röntgen, Gelenkultraschall oder Kernspintomografie (MRT) lässt sich die Fibromyalgie in der Regel nicht nachweisen, die Befunde sind unauffällig. Diese Diagnostik, beispielsweise die Blutuntersuchung auf Entzündungszeichen, dienen jedoch dazu, andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen auszuschließen.
Differenzialdignosen zur Fibromyalgie:
- Gelenkentzündungen (Arthritis) und chronisch-rheumatische Erkrankungen
- Morbus Bechterew
- Osteoporose
- Schilddrüsenfehlfunktionen
- Depressionen
- Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS)
- Entzündliche Multiorganerkrankung (Polymyalgia rheumatica)
- Entzündung der Sehnen (Tendomyopathien)
- Sklerodermie (sehr seltene entzündlich-rheumatische Erkrankung)
Welche Therapie gibt es bei Fibromyalgie?
Fibromyalgie ist zwar nicht lebensbedrohlich, aber auch nicht heilbar. Sie kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Die Therapie bei Fibromyalgie besteht vor allem darin, die Beschwerden zu verbessern: Dazu werden Schmerzen gelindert, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Erschöpfung und depressive Verstimmungen behandelt. In Deutschland sind keine Medikamente zugelassen, die sich speziell gegen die Erkrankung richten. Die Behandlung hängt davon ab, ob das Weichteilrheuma leicht oder schwer ausgeprägt ist.
In der Regel werden mehrere Maßnahmen kombiniert:
Antidepressiva (in geringerer Dosierung als bei der Behandlung von Depressionen), die auch gegen Schmerzen und Schlafstörungen wirken
Medikamente, die den Serotonin-Stoffwechsel beeinflussen
Muskelentspannende Mittel (Muskelrelaxantien)
Antiepileptika, vor allem der Wirkstoff Pregabalin
Ausdauertraining und Krafttraining
Medizinische Trainingstherapie
Funktionstraining: Gymnastik an Land und im Wasser (Aquajogging)
Entspannungstechniken zur Stressreduktion wie autogenes Training, Yoga und Meditation
Thermalbäder wie Balneo-, Hydro-, Thalassotherapie
Psychotherapie, etwa die kognitive Verhaltenstherapie, Hypnose oder Imagination
Die medikamentöse Behandlung gestaltet sich schwierig: Nichtsteroidale Antirheumatika, Betäubungsmittel und Kortison sollten nicht verschrieben werden, auch Arzneimittel mit Cannabis werden von Fachleuten nicht empfohlen. In vielen Fällen sind Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen nicht ausreichend wirksam. Die Einnahme von schwachen Opioiden wird wegen der starken Nebenwirkungen von Patient*innen häufig abgelehnt.
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