Schmerztherapie bei Krebs
Besonders groß ist die Angst vieler Krebspatienten vor Schmerzen. Doch bei einem Großteil der Betroffenen können Tumorschmerzen heute erfolgreich behandelt werden.
-
- © Getty Images / iStock.com / Piotr Marcinski
Neben dem Bangen, ob die Krankheit heilbar ist oder nicht, und der Sorge um ihre Angehörigen, ist es vor allem die Angst vor Schmerzen, die viele Krebspatienten gerade am Beginn ihrer Krankheit umtreibt. Dabei lassen sich Tumorschmerzen bei konsequenter Therapie heute in den meisten Fällen erfolgreich behandeln und unterdrücken. Voraussetzung für eine effiziente Schmerztherapie ist allerdings, dass die Art und Stärke der Schmerzen diagnostiziert und die jeweils empfohlenen Schmerzmedikamente in angepasster Dosierung angewendet werden.
Unterschiedliches Erleben von Tumorschmerz
Unter dem Begriff Tumorschmerzen verbergen sich verschiedene Formen von akutem und chronischem Schmerz, die im Zusammenhang mit Krebserkrankungen auftreten können. Wie stark Schmerzen jeweils empfunden werden, unterliegt der subjektiven Wahrnehmung und wird von psychischen und soziokulturellen Faktoren beeinflusst. Ebenso unterschiedlich erleben Krebspatienten, in welchem Ausmaß ihre Lebensqualität durch die Schmerzen beeinträchtigt wird. Dabei spielen neben der Schmerzintensität Faktoren wie die Schlafqualität sowie der Einfluss der Schmerzen auf Alltagsaktivitäten und psychische Stimmungen maßgeblich eine Rolle.
Umfassende Schmerzanamnese
Bevor eine Schmerztherapie bei Tumorschmerzen begonnen werden kann, muss deshalb eine umfassende Schmerzanamnese durchgeführt werden. Dabei erfasst der Arzt u.a. die Ausprägung und Intensität der Schmerzen, welche Beeinträchtigungen der Patient dadurch erlebt, aber auch Wünsche und Ziele, die mit der Schmerztherapie verbunden sind.
Schmerztherapie nach WHO-Stufenschema
Ausgangspunkt der von der Weltgesundheitsorganisation WHO erarbeiteten Richtlinien für die Behandlung von Tumorschmerzen ist ein Stufenschema, in das die Art des Schmerzes und vor allem seine Intensität eingehen. Der Arzt ordnet die Schmerzen eines Patienten in dieses Schema ein und legt dann die geeignete Therapie fest. Wichtigstes Prinzip dabei: Die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, deren Wirkstoff langsam freigesetzt wird und dadurch lange wirkt, zu genau festgelegten Zeiten (in der Regel alle zwölf bis 24 Stunden). Dabei werden bevorzugt Medikamente in Tablettenform angewendet. Durch diese Art der Therapie lassen sich gleichmäßige Blutspiegel der Schmerzmittel erreichen, sodass die Schmerzen quasi rund um die Uhr bekämpft werden. Zum Einsatz kommen folgende Wirkstoffe:
WHO-Stufe I (leichte Schmerzen): Schmerzmittel, die nicht zu den Opioiden * gehören, z.B. Metamizol, Paracetamol, nicht-steroidale Antirheumatika (konventionelle NSAR wie Diclofenac und Ibuprofen oder sogenannte COX-2 Hemmer wie Celecoxib und Etoricoxib);
WHO-Stufe II (mäßige bis starke Schmerzen): schwach wirkendes Opioid (Tramadol, Tilidin/Naloxon) plus gegebenenfalls ein Nichtopioid plus gegebenenfalls ein Ko-Analgetikum, das nicht zur Gruppe der eigentlichen Schmerzmedikamente (Analgetika) gehört, aber unter bestimmten Bedingungen schmerzlindernd wirken kann (trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva, Kortikosteroide, Kalzitonin, Bisphosphonate);
WHO-Stufe III (starke bis sehr starke Schmerzen): stark wirkendes Opioid in Tabletten- oder Spritzenform (Morphin, Hydromorphon, Oxycodon, Fentanyl, Buprenorphin, L-Methadon) plus gegebenenfalls ein Nichtopioid plus gegebenenfalls ein Ko-Analgetikum.
Angst vor Abhängigkeit
Viele Krebspatienten werden, so zeigen es Studien, trotz umfangreicher Möglichkeiten nicht ausreichend schmerztherapiert. Ein möglicher Grund dafür ist die sowohl bei den Patienten als auch teilweise bei den Ärzten bestehende Angst vor einer Opioidabhängigkeit. Als gesichert gilt allerdings, dass eine entsprechend den Regeln durchgeführte Therapie bei Tumorschmerzen im Normalfall keine psychische Abhängigkeit (Sucht) hervorruft. Eine körperliche Abhängigkeit hingegen entsteht. Sie kann allerdings durch ein langsames Ausschleichen der Therapie mit immer geringer werdenden Wirkstoffmengen überwunden werden. Opioide sollten deshalb grundsätzlich niemals abrupt abgesetzt werden.
Therapie bei Durchbruchschmerzen
Ein besonderes Phänomen bei Krebserkrankungen sind sogenannte Durchbruchschmerzen. Hierbei handelt es sich um plötzlich einsetzende Schmerzattacken, die mehrmals am Tag auftreten können und in den meisten Fällen etwa zehn bis 30 Minuten anhalten. Sie werden mit schnell wirksamen Opioiden, z.B. Fentanyl, in Tablettenform, als Spray oder Spritzen behandelt. Den Bedarf dieser Therapie regulieren die Patienten je nach Schmerzhäufigkeit selbst.
Nebenwirkungen der Schmerztherapie
Mögliche Nebenwirkungen der Schmerztherapie mit Opioiden sind Übelkeit und Erbrechen (in den ersten Tagen), Verstopfung, Schwitzen, Juckreiz, Schwierigkeiten beim Wasserlassen (Harnverhalt), Müdigkeit und Verwirrtheit. Sie lassen sich im Allgemeinen gut behandeln oder sollten unter Umständen Anlass zu einer Senkung der Opioiddosis oder zum Wechsel des Präparats sein.
WORTERKLÄRUNG
Opioide: Dem Opium ähnliche Medikamente, die die Erregungsleitung schmerzvermittelnder Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark hemmen, indem sie an speziellen Bindungsstellen, sogenannten Opioidrezeptoren, andocken. Sie werden in der Regel nur bei sehr starken Schmerzen eingesetzt und können bei Missbrauch zur Sucht führen.
Sie möchten Informationen zu bestimmten Krankheitssymptomen oder wollen medizinischen Rat? Hier können Sie Ihre Fragen an unsere Experten oder andere Lifeline-Nutzer stellen!