Keine Lust auf Sex? Erotik in langjährigen Beziehungen
Die Beziehung verändert sich im Lauf der Jahre. Das betrifft auch die Erotik. Wenn Alltag und Routine mehr Platz einnehmen, werden Leidenschaft und Lust verdrängt. Doch sind Phasen, wo einer oder beide keine Lust auf Sex haben, normal? Oder sollte man an sich arbeiten?
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"Wenn Paare länger als drei Monate nicht mehr miteinander schlafen, sollten sie zur Paartherapie." Solche und ähnliche Expertenratschläge zum Thema Erotik und Beziehung können Sie ignorieren. Es ist normal, wenn die Lust im Lauf der Beziehung nachlässt. Es wird immer Phasen geben, in denen Sie seltener mit Ihrem Partner schlafen. Sei es eine Phase beruflichen Stresses oder kurz nach der Geburt Ihres Kindes. Erst, wenn die Flaute im Bett zum Dauerzustand wird, sollten Sie etwas unternehmen. Und auch das ist kein Grund, gleich die ganze Beziehung in Frage zu stellen. Dass Sie weniger Sex haben, bedeutet in den meisten Fällen nicht, dass Sie Ihren Partner weniger lieben. Solange Sie und Ihr Partner den fehlende Erotik in Gesprächen thematisieren und mit der Situation zurechtkommen, ist alles in Ordnung.
Lust auf Sex ist keine Frage des Alters
Sie sind Anfang 20, haben Ihrer Ansicht nach zu wenig Erotik und finden das für Ihr Alter seltsam? Machen Sie sich keine Sorgen. Erotische Probleme in einer Beziehung haben nichts mit dem Alter zu tun. Sie treffen junge Paare ebenso wie ältere. Ebenso gibt es keine Norm, wie viel Erotik normal ist. Wenn Sie und Ihr Partner einmal im Monat miteinander schlafen und glücklich damit sind, haben Sie keine Probleme mit Ihrem Beziehungsleben. Umgekehrt kann es sein, dass Sie unzufrieden sind, wenn Sie mit Ihrem Partner einmal pro Woche schlafen. Egal wie oft – sobald einer von Ihnen unzufrieden ist, ist an der Zeit für ein Gespräch.
Lustkiller Stress
Stress im Berufsleben kann Folgen für Ihr Beziehungsleben haben. Wenn Sie zwischen acht und zwölf Stunden arbeiten, ist es nicht verwunderlich, dass Sie abends zu müde für kuschelige Stunden mit Ihrem Partner sind. Stress und Erotik – das funktioniert einfach nicht.
Der "Lustkiller Stress" betrifft Männer wie Frauen gleichermaßen. Aus der Personengruppe "Double income, no kids" (Doppelverdiener ohne Kinder) ist die Gruppe "Double income, no sex" (Doppelverdiener ohne Sex) geworden. Stress sorgt für die Ausschüttung von Stresshormonen, unter anderem Adrenalin und Cortisol. Diese Hormone erhöhen Pulsfrequenz und Blutdruck, wodurch Muskeln und Gehirn besonders gut durchblutet werden. Im Gegenzug reduziert der Körper die Verdauung und die Aktivität der Fortpflanzungsorgane. Durch die Ausschüttung der Stresshormone werden Flucht- und Kampfinstinkte ausgelöst. An Sex ist nicht mehr zu denken. Das ist evolutionstechnisch durchaus sinnvoll: Wer verfolgt wird oder sich verteidigen muss, verschwendet keine Gedanken an die Paarung. Stress wirkt sich also nicht nur psychisch, sondern auch physisch auf Ihr Sexualleben aus. Wenn Sie überfordert sind und nicht mehr zur Ruhe kommen, produziert Ihr Körper auch weniger Sexhormone. Die Falle: Ein unerfülltes Sexleben sorgt gleichermaßen für Stress – so kann ein Teufelskreis entstehen.
Steuern Sie gegen, sorgen Sie für Entspannung
Wenn Ihr berufliches Engagement und Ihre stressige Lebenweise negativen Einfluss auf Ihr Sexleben nehmen, sollten Sie etwas unternehmen. Denn erst, wenn Sie die Stressquelle ausgeschaltet haben, können Sie weder Freude am Sex haben. Das bedeutet nicht, dass Sie nicht mehr arbeiten sollen. Stattdessen müssen Sie für Entspannung nach Feierabend sorgen. Ideal ist, wenn Sie spezielle Entspannungstechniken lernen, die Ihnen helfen, auch in Stress-Situation ruhiger zu werden. Bewährt haben sich unter anderem Autogenes Training und Yoga. Kurzfristig können Sie angestauten Stress auch durch Bewegung, etwa einen flotten Spaziergang oder Jogging, abbauen. Langfristig ist es sinnvoll, wenn Sie ein funktionierendes Zeitmanagement aufbauen, sich gesund ernähren und für ausreichende Ruhephasen sorgen.
Probleme im Sexleben nach Geburt eines Kindes
Sobald in einer Partnerschaft Kinder in Spiel kommen, wirkt sich in den meisten Fällen auf die Beziehung aus: Ihr gesamtes bisheriges Leben wird von einem kleinen Lebewesen auf den Kopf gestellt. Mit der Geburt des Babys beginnt auch eine neue Phase in Ihrem Liebesleben, die nicht zwangsläufig zur Belastung werden muss.
In den ersten Wochen nach der Geburt sind es nicht nur emotionale sondern vor allem medizinische Ursachen, die Einfluss auf das Sexleben nehmen. Hinzu kommt die Gewöhnung an das Leben mit Kindern. Viele Paare fragen sich, wann sie nach der Geburt wieder Sex haben dürfen. Dafür gibt es keine Norm. Allgemein wird geraten, zu warten, bis der Wochenfluss aufhört. Das sind etwa vier bis sechs Wochen. Wenn Sie schon früher wieder Lust aufeinander haben, spricht nichts dagegen es zu versuchen. Wichtig ist, dass Sie sich Zeit nehmen. Denn eine Geburt ist körperlich anstrengend und es dauert seine Zeit, bis sich der Körper erholt.
Wenn bei der Geburt ein Dammschnitt nötig war, sollten Sie auf jeden Fall abwarten, bis dieser richtig verheilt ist. Es muss ja nicht gleich Sex sein. Auch Schmusen ist schön. So können Sie sich langsam wieder an das Gefühl sexueller Nähe gewöhnen. Es ist ein Ammenmärchen, dass der erste Sex nach der Geburt immer Schmerzen verursacht. Wenn dies bei Ihnen der Fall ist, sollten Sie noch warten und gegebenenfalls mit Ihrem Arzt darüber sprechen.
Die emotionale Seite
Neben den medizinischen Aspekten kommt die emotionale Veränderung hinzu. Plötzlich sind Sie für ein neues Leben verantwortlich. Da dürfen Sie doch nicht an so profane Dinge wie Sex denken? Doch, dürfen Sie. Das Problem: Wenn Sie mehrfach pro Nacht geweckt werden, weil der Nachwuchs Hunger hat oder eine frische Windel will, sind Sie schlicht zu müde. Stillen, Stress und Schlafmangel mindern die Lust auf Sex. Es dauert seine Zeit, bis sich der neue Rhythmus eingependelt hat. Hinzu kommt die psychische Komponente. Viele Frauen fühlen sich in den ersten Wochen nach der Geburt nicht attraktiv.
Doch auch Männer können nach der Geburt Probleme mit dem Sex haben: Wenn sie bei der Geburt dabei waren, kann es passieren, dass sie vom Intimbereich ihrer Partnerin eine andere Vorstellung haben, die sie erst einmal hemmt. Nicht jeder Mann kann mit den Bildern umgehen, die er bei einer Geburt zu sehen bekommt. In beiden Fällen hilft es, wenn Sie sich gegenseitig Zeit geben. Reden Sie darüber, was Sie beschäftigt. Nehmen Sie sich gemeinsam Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Ebenfalls wichtig: Trauern Sie nicht Ihrem alten Sexleben hinterher. Zwar verändert sich Ihr Sexleben, sobald es nicht mehr nur Sie beide gibt, doch das heißt nicht, dass es schlechter wird.
Zeit zu zweit trotz Familie und Alltag
Zwischen Herd und Elternsprechtag, Konferenz und Gartenarbeit fällt es vielen Eltern schwer, sich weiterhin auch als Paar zu sehen. Doch mit etwas Planung bekommen Sie auch Beruf, Familie und Beziehung unter einen Hut.
Sie sind da, sobald der Nachwuchs schreit, putzen, schmeißen den Haushalt und zaubern dem Liebsten abends sein Leibgericht? Als Mann sind Sie den ganzen Tag unterwegs um die Familie zu ernähren, kommen abends heim, spielen mit dem Kind und kümmern sich dann um Ihre Partnerin? Diese perfekte Welt gibt es selten. Sobald Kinder da sind, sind Sie in erster Linie Eltern und kein verliebtes Paar mehr. Das heißt nicht, dass Sie Sex und Familie nicht vereinbaren können. Sie müssen es nur planen, spontaner Sex gestaltet sich schwer.
Gönnen Sie sich einen Abend als Paar
Sie finden, dass man Sex nicht planen kann, dass Sex "auf Kommando" nicht geht? Auf Kommando sicher nicht. Aber ein bisschen Planung hilft: Denn nichts anderes haben Sie doch zu Beginn Ihrer Beziehung gemacht, als Sie sich zu einem Treffen verabredet haben. Sie haben dem Treffen entgegen gefiebert, hatten Schmetterlinge im Bauch und haben sich füreinander aufgestylt. Genau das sollten Sie sich wieder machen. Bitten Sie Eltern, Freunde oder Paten einen Abend oder ein Wochenende auf den Nachwuchs aufzupassen. Verabreden Sie sich mit Ihrem Partner in einem Restaurant. Kino oder Theater sind weniger geeignet, denn Sie möchten ja auch miteinander reden. Genießen Sie den Abend zu Zweit. Auch, wenn Sie beim ersten Versuch nicht im Bett landen, werden Sie feststellen, dass es Ihnen und Ihrer Beziehung guttut, sich bewusst Zeit für Zweisamkeit genommen zu haben. Bauen Sie regelmäßig solche Abende in Ihren Alltag ein – dann ergibt sich der Sex irgendwann wieder von selbst.
Lustvoller Sex trotz Erektionsstörungen
Kurzfristige Phasen ohne Erotik sind eine Sache. Potenzprobleme eine andere. In dieser Situation ist es wichtig, dass Sie als Partnerin richtig reagieren, Vorwürfe außen vor zu lassen und zu versuchen, Verständnis füreinander aufzubringen.
Wenn Sie keinen Sex mehr haben, weil Potenzprobleme die Ursache sind, helfen Tipps für mehr Abwechslung oder Entspannung nicht mehr. Erektionsstörungen können in jedem Alter auftreten. Haben sie im höheren Alter meist medizinische Ursachen, sind in jüngeren Jahren oft psychische Probleme der Grund. Das heißt nicht, dass Sie psychisch "gestört" sind, sondern dass Sie sich überfordert fühlen, den Anforderungen, die an Sie gestellt werden nicht mehr gewachsen sind und dass Ihr Körper nun streikt.
Da eine Erektionsstörung auch Hinweis auf eine ernsthafte Erkrankung sein kann, ist es bei länger andauernden Potenzproblemen erforderlich, dass Sie einen Arzt aufsuchen, der die Ursache abklärt. Erektionsstörungen können viele Gründe haben: Hormonstörungen, Beeinträchtigungen der Nerven- oder Blutversorgung, psychische Probleme oder eine direkte Schädigung des Schwellkörpergewebes. Oft sind mehrere dieser Ursachen zusammen der Grund für die Probleme. Der Arzt entscheidet im Gespräch mit Ihnen, welche Behandlungsmöglichkeiten infrage kommen.
Verständnis ja, Mitleid nein
Das Thema Erektionsstörungen anzusprechen fällt nicht leicht. Es ist aber wichtig, dass Sie als Paar darüber reden. Das bringt Ihnen nicht nur Erleichterung, sondern ist ein Beweis für gegenseitiges Vertrauen. Sprechen Sie dieses sensible Thema nicht im Streit an und vermeiden Sie Schuldzuweisungen. Auch wenn Sie es empfinden: Halten Sie sich mit Mitleidsbekundungen zurück.
Bedenken Sie, dass Ihr Partner ohnehin Angst vor Ihrer Reaktion hat und davor, dass Sie sich trotz aller anderslautenden Aussagen irgendwann einen potenten Partner suchen. Sprechen Sie daher offen über Ihre eigene Hilflosigkeit und Ihre Gefühle. Signalisieren Sie Ihrem Partner, dass Sie Ihn bei seiner Therapie unterstützen und zeigen Sie Verständnis. Sprechen Sie auch darüber, wie Sie Ihr Sexualleben künftig gestalten. Eventuell müssen Sie umdenken, doch es besteht auch ohne eine Erektion die Möglichkeit, lustvollen Sex zu erleben.
Beziehungsprobleme durch zu wenig Sex
Aus fehlender Abwechslung oder zu wenig Erotik können ernsthafte Beziehungsprobleme werden. Nur 50 Prozent der Deutschen, also jeder Zweite, findet, dass es in seinem Sexleben genug Abwechslung gibt. Und nur 40 Prozent haben so oft die Erotik, wie sie wollen. Aber immerhin 56 Prozent sind der Meinung, mit dem Partner offen reden zu können. Das sollten Sie nutzen.
Wenn Ihre Probleme im Bett zum Dauerzustand werden, sind durch die fehlende Erotik Beziehungsprobleme vorprogrammiert. Wenn Sie in Sachen Erotik unzufrieden sind, wird sich das auch auf die anderen Bereiche Ihrer Beziehung auswirken. Doch Sie können wieder Schwung in Ihr Beziehungsleben bringen. Wichtigste Zutat: Reden Sie mit Ihrem Partner. Das ist gar nicht so einfach.
Denn in einer Zeit, in der Erotik quasi öffentlich geworden ist, fällt es vielen immer noch schwer, die eigene Sexualität zu thematisieren. Unser sonst so vielfältiger Wortschatz wird erschreckend eindimensional, wenn es um das erotische Miteinander geht. Aber nur, wenn Sie offen miteinander umgehen, haben Sie die Chance, etwas an Ihrer Situation zu ändern. Sprechen Sie darüber, was Sie sich vorstellen und was Sie sich wünschen. Dann überlegen Sie gemeinsam, wie Sie Ihre Wünsche auf einen Nenner bringen.
Wagen Sie Neues
Das ihr Beziehungsleben mit neuen Ideen wieder in Schwung zu bringen, heißt nicht, dass Sie Ihrem Partner künftig in Lack und Leder gegenüber treten müssen. Neu heißt nicht extrem, neu heißt "anders als sonst". Wie das abläuft, entscheiden Sie allein. Ob Sie sich für einen erotischen Einkaufsbummel im Wäschegeschäft entscheiden oder für Dirty Talk – wichtig ist, dass Sie es beide ausprobieren möchten. Orientieren Sie sich nicht daran, wie es andere machen oder auf Vorstellungen, wie der Sex ablaufen sollte. Sie selbst und Ihre Wünsche sind wichtig. Es kann passieren, dass Sie die neue Situation im Bett zum Lachen bringt. Das ist nicht schlimm – lachen Sie gemeinsam, genießen Sie die dadurch entstehende Nähe. Und starten Sie demnächst einen neuen Versuch.
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