Anti-Müller-Hormon: Wie hoch ist der Eizellenvorrat?
Das Anti-Müller-Hormon (AMH) ist für die Reproduktionsmedizin ein zentrales Beurteilungskriterium: Als Laborparameter dient der AMH-Wert dazu, Fruchtbarkeitsstörungen der Frau zu erkennen und hormonelle Kinderwunschbehandlungen zu steuern. Doch ist der Wert auch aussagekräftig, um herauszufinden, wie die biologische Uhr tickt?
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Artikelinhalte im Überblick:
- Definition
- Anti-Müller-Hormon feststellen
- Anti-Müller-Hormon und Kinderwunsch
- Normalwerte
- AMH zu niedrig
- AMH zu hoch
- Anti-Müller-Hormon als Fruchtbarkeitstest?
- AMH verbessern
Was ist das Anti-Müller-Hormon?
Bei der Geburt besitzt jede Frau eine bestimmte Anzahl an Follikeln (Eibläschen). In ihnen können später die Eizellen heranreifen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl der Follikel in individueller Geschwindigkeit ab, bis schließlich die Wechseljahre beginnen. Das Anti-Müller-Hormon lässt nach der Geschlechtsreife Rückschlüsse über die ovarielle Reserve (Eizellreserve) zu: Je höher der Wert, desto mehr befruchtungsfähige Eizellen können noch heranreifen.
Bereits im Mutterleib spielt das Anti-Müller-Hormon (AMH) bei der Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle, denn es nimmt Einfluss auf die Differenzierung der Geschlechter. Bis zur achten Schwangerschaftswoche bewirkt das Hormon bei männlichen Feten die Rückbildung der Müller-Gänge. Weibliche Feten produzieren kein AMH, sodass sich bei ihnen aus den Müller-Gängen Gebärmutter, Eileiter und Teile der Vagina entwickeln können. Sie bilden das Hormon erst mit der Geschlechtsreife. Bei der erwachsenen Frau wird das Anti-Müller-Hormon in den Eierstöcken gebildet.
AMH-Test: Wie wird der Wert festgestellt?
Das Anti-Müller-Hormon wird über eine Blutuntersuchung bestimmt. In der Regel schwankt der Spiegel im Laufe des Zyklus nur schwach, weshalb die Untersuchung zu jeder Zeit durchgeführt werden kann. Einige Studien haben jedoch gezeigt, dass vor allem bei jüngeren Frauen zyklusabhängige Schwankungen existieren können. Das individuelle Vorgehen sollte daher mit der gynäkologischen Praxis oder mit der Kinderwunschklinik abgesprochen werden.
AMH und Kinderwunsch: Wann wird der Wert bestimmt?
Dem Anti-Müller-Hormon kommt in der Diagnostik von Fruchtbarkeitsstörungen eine wichtige Bedeutung zu. Der AMH-Wert liefert Hinweise zu der sogenannten ovariellen Funktionsreserve. Dabei handelt es sich um den Eizellenvorrat: Das heißt, um die Anzahl der reifungsfähigen Follikel im Eierstock, die sich zu einer befruchtungsfähigen Eizelle entwickeln können.
Allerdings sagt der AMH-Wert nichts über die Qualität dieser Eizellen aus. Weitere Faktoren wie das Alter der Frau und die Dauer des unerfüllten Kinderwunsches werden deshalb für die Diagnose ebenfalls berücksichtigt. Zusätzlich werden in der Regel weitere Untersuchungen durchgeführt – dazu zählt Ultraschall sowie die Bestimmung des Hormons FSH.
Während einer laufenden Kinderwunschbehandlung ist der AMH-Wert ebenfalls bedeutsam: Er hilft dabei, eine Stimulationstherapie individuell einzustellen und das Risiko einer Überstimulation der Eierstöcke abzuschätzen.
Welche AMH-Werte sind normal?
Die folgenden AMH-Werte werden als Referenzwerte zur Orientierung betrachtet, sie können jedoch je nach Labor und Methode abweichen. Die Interpretation der Anti-Müller-Hormon-Werte sollte stets dem medizinischen Personal überlassen werden: Sie sind individuell im jeweiligen Kontext zu betrachten.
Anti-Müller-Hormon-Werte:
- Normalwert bei einer geschlechtsreifen Frau: 1-10 µg/l
- Eingeschränkte ovarielle Restfunktion: ca. 0,4-1 µg/l
- Ab der Menopause: < 0,4 µg/l
Anti-Müller-Hormon zu niedrig
Es gibt verschiedene Faktoren, die das Anti-Müller-Hormon beeinflussen können. Dazu zählt unter anderem die Anwendung von hormonellen Verhütungsmitteln: Hier kann der Wert rund 30 Prozent niedriger ausfallen. Etwa ab dem 30. Lebensjahr sinkt der Hormonspiegel auf natürliche Weise. In den Wechseljahren ist AMH kaum noch nachweisbar.
In Bezug auf die Fruchtbarkeit stellt ein niedriger Anti-Müller-Hormon-Wert einen frühen Biomarker dar, um eine sinkende Anzahl an Eizellen und damit abnehmende Eierstockreserve festzustellen. Ein niedriger Wert bedeutet aber nicht automatisch, dass die Patientin per se nicht schwanger werden kann.
Hat die Eizellreserve schon sehr frühzeitig stark abgenommen, kann möglicherweise eine prämature Ovarialinsuffizienz (POI) vorliegen. Eine mögliche Ursache für diese verfrühte Menopause noch vor dem 40. Lebensjahr könnte zum Beispiel eine Chemotherapie zur Krebsbehandlung sein.
Anti-Müller-Hormon zu hoch
Sehr hohe AMH-Werte sind nicht automatisch mit einer erhöhten Fruchtbarkeit verbunden. Auffällige Ergebnisse sollten daher stets ärztlich abgeklärt werden. Eine zu hohe AMH-Konzentration kann zum Beispiel auf ein polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO) oder andere Erkrankungen hinweisen. Hierbei handelt es sich um eine Hormonstörung der Frau, die mit Einschränkungen der Fruchtbarkeit einhergehen kann.
AMH-Wert als Fruchtbarkeitstest?
Da die Konzentration des Anti-Müller-Hormons mit zunehmendem Lebensalter abnimmt, wird dessen Bestimmung auch als Fruchtbarkeitstest angeboten. Ein solcher Test hat das Ziel herauszufinden, wie viel Zeit einer Frau noch bleibt, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen.
Ob generelle Screenings ab einem bestimmten Alter sinnvoll sind, wird kontrovers diskutiert. Aufgrund fehlender Daten lässt sich aus der Höhe des Wertes nicht eindeutig ableiten, wie lange die Funktion der Eierstöcke noch aufrechterhalten bleibt. Außerdem ist nicht ausschließlich dieser Wert für das Eintreten einer spontanen Schwangerschaft entscheidend.
Bei Frauen ohne aktuellen Kinderwunsch oder mit Zyklusstörungen ist das AMH deshalb nicht unbedingt als Indikator der Fruchtbarkeit geeignet und wird daher nicht uneingeschränkt als Fertility-Check empfohlen. Im Gegenteil könnte sich das Wissen um einen niedrigen AMH-Wert sogar nachteilig auswirken: Wenn der Wert von der betroffenen Frau als krankhaft interpretiert wird, obwohl gar keine akute Kinderwunsch-Problematik vorliegt.
Lässt sich der AMH-Wert verbessern?
Ein niedriger AMH-Wert bedeutet nicht, dass die betroffene Frau nicht mehr schwanger werden kann. Solange die Menopause noch nicht eingetreten ist, besteht auch die Möglichkeit einer Schwangerschaft. Sollte sich auf natürlichem Wege keine Schwangerschaft einstellen, ist in erster Linie gynäkologischer Rat einzuholen. Auf diese Weise können alle Faktoren berücksichtigt und je nach Ursache eine geeignete Behandlung eingeleitet werden.
Um ein spezielles Mittel zur Erhöhung des AMH-Spiegels zu empfehlen, ist die Datenlage bisher nicht ausreichend. Der Einfluss von Vitamin D oder von DHEA (ein Steroidhormon) wird aktuell untersucht. Ohne ärztliche Rücksprache sollten Nahrungsergänzungsmittel jedoch nicht zur Stimulation der Hormonproduktion eingenommen werden. Allgemein empfiehlt es sich, bei Kinderwunsch einen gesunden Lebensstil zu führen und zum Beispiel auf Nikotin zu verzichten.
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