Diagnoseschlüssel nach ICD-10 – was bedeutet die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?
Ärzte verschlüsseln ihre Diagnose auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (umgangssprachlich Krankenschein genannt) mithilfe des Codes der ICD-10. Was sagt dieser Diagnoseschlüssel aus? Was verbirgt sich hinter den häufigen Diagnosen J06.9 oder A09.9? Und erfährt der Arbeitgeber, welche Krankheit vorliegt?
Mithilfe des Diagnoseschlüssels nach ICD-10 kodiert der Arzt die Krankheit seines Patienten auf jenem Teil der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, den die gesetzliche Krankenkasse erhält. Der Teil, der beim Arbeitgeber abgegeben wird, liefert dagegen keinerlei Hinweise auf die Diagnose.
Zwar weiß der Patient nach dem Praxisbesuch in der Regel, was er hat. Trotzdem kann es interessant sein, sich die Diagnose des Arztes einmal genauer anzusehen. Bei der Diagnose J06.9 beispielsweise leidet der Betroffene an einer akuten Infektion der oberen Atemwege, auch als grippaler Infekt oder Erkältung bekannt.
Was ist der Diagnoseschlüssel nach ICD-10?
ICD ist die Abkürzung für das englische Wort "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems" und wird ins Deutsche übersetzt als "Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme".
Diesen Diagnoseschlüssel erstellt und pflegt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In den WHO-Mitgliedsstaaten ist die ICD das Standardwerkzeug, um Diagnosen zu stellen. Ärzte und andere Akteure der Gesundheitssysteme weltweit nutzen es, um Krankheiten zu klassifizieren.
Die ICD ist seit 1994 im Einsatz und wurde bereits in 43 Sprachen übersetzt. Mittlerweile ist sie zehnmal überprüft worden: Die ICD-10 ist die aktuelle Version. Abgelöst wird sie laut WHO im Jahr 2018 durch die ICD-11.
Die ICD-10 ist unterteilt in die Kategorien A bis U, die jeweils einem großen Krankheitenkomplex zugeordnet sind. J umfasst beisipielsweise alle Krankheiten des Atmungssystems, F dagegen alle psychischen und Verhaltensstörungen. Weitere wichtige Kategorien sind etwa:
A bis B: bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten
I: Krankheiten des Kreislaufsystems
M: Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes
Die Kategorien werden weiter unterteilt in nummerierte Gruppen und Untergruppen.
Der ICD-Code J06.9 beispielsweise setzt sich folgendermaßen zusammen:
Kategorie J: Krankheiten des Atmungssystems
Gruppe J00-J06: akute Infektion der oberen Atemwege
Untergruppe J06: akute Infektionen an mehreren oder nicht näher bezeichneten Lokalisationen der oberen Atemwege
J06.9: akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet (grippaler Infekt)
Ärzte sind angehalten, die Diagnose so spezifisch wie möglich zu verschlüsseln. Resteklassen wie "Sonstige …" oder "nicht näher bezeichnet" werden nur dann verwendet, wenn keiner der spezifischeren Codes greift.
Im oben vorgestellten Fall des grippalen Infekts bedeutet "nicht näher bezeichnet", dass die akute Infektion der oberen Atemwege nicht genau lokalisiert werden kann.
Bei der akuten Laryngopharyngitis (ICD-Code J06.0) aus derselben Untergruppe ist das dagegen nicht nötig, da sich die Infektion auf die Bereiche Kehlkopf (Larynx) und Rachen (Pharynx) eingrenzen lässt.
Der Diagnoseschlüssel ist damit in erster Linie medizinischen Profis verständlich – immerhin muss er Tausende von möglichen Krankheitsbildern in eine systematische Ordnung bringen.
Für Laien ist der ICD-Code meist nicht relevant, es sei denn, man möchte ganz genau wissen, was auf dem Krankenschein steht.
Das verbirgt sich hinter häufigen Diagnoseschlüsseln
J06.9: akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet
A09.9: sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis nicht näher bezeichneten Ursprungs (auch als neonatale Diarrhoe bezeichnet)
J20.9: akute Bronchitis, nicht näher bezeichnet
J40: Bronchitis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet
F43.2: Anpassungsstörungen (Definition nach ICD: "Hierbei handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten.")
J02.9: akute Pharyngitis (Rachenentzündung), nicht näher bezeichnet
F43.0: akute Belastungsreaktion (Definition nach ICD: "eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt, und die im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt")
I10.90: essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet; ohne Angabe einer hypertensiven Krise
I10.91: essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet; mit Angabe einer hypertensiven Krise
B34.9: Virusinfektion, nicht näher bezeichnet
M54.5: Kreuzschmerz
F32.1: mittelgradige depressive Episode
F32.9: depressive Episode, nicht näher bezeichnet
Zusatzkennzeichen auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Der ICD-Diagnoseschlüssel auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung steht meist nicht allein. Bei gesetzlich Versicherten wird die Diagnose auf dem Krankenschein zusätzlich durch die Kürzel V, Z, A oder G gekennzeichnet. Diese sogenannten Zusatzkennzeichen für die Diagnosesicherheit bedeuten:
- V: Verdachtsdiagnose beziehungsweise auszuschließende Diagnose
- Z: (symptomloser) Zustand nach der betreffenden Diagnose (wenn Leistungen nötig werden, nachdem die Krankheit austherapiert wurde, zum Beispiel vorbeugende Medikation)
- A: ausgeschlossene Diagnose
- G: gesicherte Diagnose
Wenn dem ICD-Code ein "G" folgt, also zum Beispiel J06.9 G, dann handelt es sich dabei um eine gesicherte Diagnose im Gegensatz zu einer Verdachtsdiagnose (V). Des Weiteren gibt es Zusatzkennzeichen für die Seitenlokalisation der Beschwerden:
- R: rechts
- L: links
- B: beidseitig
Die Zusatzkennzeichen sind kein fester Bestandteil des ICD-Codes. Sie sind jedoch zwingend nötig für die Abrechnung der ärztlichen Leistungen über die gesetzlichen Krankenkassen.
Wenn Sie Ihre Diagnose oben nicht wiedergefunden haben, können Sie sie mit Service-Tools wie der ICD-Diagnoseauskunft der Techniker Krankenkasse (TK) entschlüsseln.