Erkrankung des Nervensystems

Neurofibromatose: Ursachen, Symptome und Lebenserwartung

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Neurofibromatose ist eine Erkrankung des Nervensystems, die sich vor allem in Hautveränderungen zeigt. Neben Café-au-lait-Flecken können weitere Symptome Warnzeichen sein.

Neurofibrome bei Neurofibromatose
@ iStock.com/Sinhyu

Neurofibromatose ist eine Erkrankung des Nervensystems. Sie kann sehr unterschiedliche Ausprägungen haben, äußert sich jedoch meist mit kleinen knötchenartigen Tumoren in der Haut, sogenannten Neurofibromen, sowie in deutlichen Hautpigmentierungen. Betroffene zeigen meist schon als Babys auffällig viele Café-au-lait-Flecken. Die Neurofibromatose gehört zu den erblichen Gendefekten und ist auch als Morbus Recklinghausen bekannt.

Artikelinhalte im Überblick:

Hautkrankheiten erkennen und behandeln

Was ist Neurofibromatose?

Die Neurofibromatose wird durch eine Chromosomenstörung ausgelöst. Ursache kann ein erblich bedingter, familiärer Gendefekt sein. Ebenso häufig kommt es zu einer spontanen, zufälligen Mutation des betroffenen Gens. Die Krankheit wurde bereits im 19. Jahrhundert von dem Berliner Pathologen Friedrich Daniel von Recklinghausen beschrieben und nach ihm benannt. Inzwischen sind drei verschiedene Formen bekannt:

  • die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) oder periphere Neurofibromatose, früher bekannt als Morbus Recklinghausen oder Recklinghausen-Krankheit,

  • die Neurofibromatose Typ 2 (NF2) oder zentrale Neurofibromatose und

  • die Schwannomatose.

Alle drei Typen sind nicht heilbar und können lediglich symptomatisch behandelt werden. Im Vordergrund steht dabei eine operative Entfernung der knotenartigen Hautgeschwulste und eventueller anderer Tumoren.

Neurofibromatose Typ 1

Mit über 90 Prozent ist die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) die häufigste Form. Sie tritt bei etwa einem von 3.000 Babys auf. Meist kommt das Kind bereits mit auffallend vielen hellbraunen Muttermalen auf die Welt oder entwickelt diese in den ersten Lebensmonaten. Etwa 80 Prozent aller betroffenen Kinder weisen die typischen Café-au-lait-Flecken bereits im Säuglingsalter auf, weshalb sie als deutliches Warnzeichen gelten.

Bei der Neurofibromatose Typ 1 kommt es zu gutartigen Tumoren (Neurofibromen), die entlang der Nerven entstehen. Diese können sich grundsätzlich überall entwickeln, zeigen sich aber am häufigsten als knotige, beulenartige Geschwulste in der Haut. Ärzte sprechen deshalb vom peripheren (äußeren) Typ. Außerdem können Knochenanomalien wie Skoliose, Nervenschmerzen oder auch Empfindungsstörungen (Parästhesien) auftreten. Die weitaus größte Beeinträchtigung geht für die Betroffene aber meist von den zahlreichen, optisch entstellenden Hautgeschwulsten aus.

Neurofibromatose Typ 2

Die Neurofibromatose Typ 2 (NF2) tritt im Vergleich zum Typ 1 sehr viel seltener auf. Die Wahrscheinlichkeit beträgt etwa eins zu 30.000. Häufig kommt es bei der Typ-2-Neurofibromatose zu beidseitigen Tumoren am Hör-und Gleichgewichtsnerv, sogenannten Vestibularis-Schwannomen. Warnzeichen können Hörminderung, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen oder Ohrgeräusche (Tinnitus) sein. Außerdem können Meningeome auftreten, langsam wachsende Tumoren im Gehirn und Rückenmark. Ärzte sprechen auch von der zentralen Neurofibromatose. Café-au-lait-Flecken und Neurofibrome sind möglich, aber für diese Erkrankung nicht typisch. Während NF1 meist schon bei Kindern auftritt, wird die NF2 meist erst im jungen Erwachsenenalter diagnostiziert.

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Seltene Form: Schwannomatose

Die Schwannomatose ist eine sehr seltene Form der Neurofibromatose, die sich ähnlich äußert wie die NF2, allerdings ohne die typischen Vestibularis-Schwannome. Dafür treten häufiger neuropathische Schmerzen auf, wenn die Tumoren auf Nervenwurzeln drücken.

Ursachen der Neurofibromatose

Neurofibromatose ist nicht ansteckend, sondern wird durch einen Gendefekt verursacht, der vererbt wird oder durch eine Mutation erworben werden kann. Bei NF1 ist das Chromosom 17 betroffen, bei NF2 liegt die Veränderung auf dem Chromosom 22. Das auslösende Gen für die Schwannomatose konnte bisher noch nicht identifiziert werden.

Neurofibromatose wird autosomal-dominant vererbt, was bedeutet, dass die Genveränderung nicht über ein Geschlechtschromosom weitergegeben wird und Mädchen wie Jungen gleichermaßen betrifft. Eine dominante Vererbung besagt, dass es für einen Ausbruch der Krankheit ausreicht, wenn nur einer der beiden Elternteile das mutierte Gen weitergibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind erkrankt, liegt dann bei 50 Prozent. Die Ausprägung der Krankheit kann sehr unterschiedlich ausfallen. So ist es möglich, dass ein kaum erkranktes Elternteil ein schwer erkranktes Kind bekommt und umgekehrt.

Bei etwa der Hälfte aller betroffenen Kinder und Jugendlichen ist nicht ein familiärer Chromosomendefekt die Ursache, sondern eine spontane Genmutation. Vor allem das Chromosom 17, das für NF1 verantwortlich ist, ist für solche Mutationen anfällig.

Symptome bei Neurofibromatose

Neurofibromatose kann sich auf unterschiedliche Weise äußern. Die meisten Betroffenen leiden unter Neurofibromen.

Viele Betroffene zeigen weitere Symptome, etwa:

  • Knochenveränderungen des Skeletts wie Skoliose, Scheingelenke (Pseudarthrosen) oder Verbiegungen der langen Röhrenknochen

  • Lisch-Knötchen: Pigmentanreicherungen auf der Regenbogenhaut des Auges (Iris)

  • Tumoren am Sehnerv (Optikusgliome)

  • Neurinome: Nerventumoren, die an den Spinalwurzeln sitzen und Schmerzen sowie Lähmungserscheinungen auslösen können

  • neurologische Auswirkungen wie Lernschwäche, Aufmerksamkeitsdefizite (ADHS), Kopfschmerzen und Epilepsie

  • endokrine Störungen

  • Neigung zu Bluthochdruck (arterielle Hypertonie)

  • Depressionen

Neurofibrome im Krankheitsverlauf

Neurofibrome sind gutartige Nervenscheidentumoren. Sie gehen von den sogenannten Schwann-Zellen aus, die die Schutzhülle und Isolierschicht der Nervenzellen bilden. Diese knotigen Tumoren aus Nerven- und Bindegewebe können an der Hautoberfläche auftreten (kutane) oder auch tief unter der Haut liegen (subkutan). Kutane Neurofibrome sind bei 95 Prozent aller Betroffenen festzustellen. Sie sind meist hautfarben bis bläulich schimmernd, eher weich und schlaff beschaffen und variieren in ihrer Größe.

Neurofibrome treten meist erst nach dem sechsten Lebensjahr auf. Typischerweise kommt es zu einem ersten Wachstumsschub der knotenartigen Hautgeschwulste in der Pubertät, mit zunehmendem Alter werden es dann häufig mehr. Darüber hinaus kommt es bei Frauen hormonell bedingt zu Schüben während einer Schwangerschaft.

Die Neurofibrome sind für viele Betroffene das Hauptproblem der Krankheit, da sie überall am Körper auftreten, was Betroffene oft als belastend wahrnehmen. Häufig sind sie symptomlos, je nach Lage können sie jedoch auch Schmerzen oder neurologische Ausfälle verursachen. Neurofibrome sind grundsätzlich gutartig und tendieren nicht zu einer bösartigen Entartung.

Plexiforme Neurofibrome

Plexiforme Neurofibrome treten bei bis zu 30 Prozent der Betroffenen auf und sind meist bereits nach der Geburt vorhanden. Sie zeigen sich als weiche Knoten und die Haut kann an den Stellen dicker und behaart sein. Sie können enorm wachsen. Im Gegensatz zu einfachen Neurofibromen haben sie eine um etwa zehn Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit zur bösartigen Entartung.

Menschen mit Neurofibromatose haben darüber hinaus eine insgesamt leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit an bösartigen Tumoren des Nervensystems, Leukämien sowie anderen Entartungen zu erkranken.

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Lernschwierigkeiten

Obwohl die meisten von Neurofibromatose betroffenen Kinder eine ganz normale Intelligenz aufweisen, leiden überdurchschnittlich viele unter Teilleistungsschwächen wie Legasthenie, Dyskalkulie und ADHS. Geistige Behinderungen kommen bei ihnen doppelt so häufig vor und auch die Wahrscheinlichkeit für Autismus ist erhöht.

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Diagnose der Neurofibromatose

Zur Diagnose sind die typischen Symptome ausschlaggebend. Häufig wird die Diagnose erst nach der Pubertät gestellt, obwohl erste Symptome schon im Kindesalter vorhanden waren. Wenn die Krankheit unauffällig verläuft, wird sie manchmal gar nicht erkannt.

Wissenschaftler haben eine Symptom-Tabelle entwickelt, die bei der Diagnose der Neurofibromatose Typ 1 herangezogen wird. Liegen zwei oder mehr der folgenden Symptome vor, ist von einer NF1 auszugehen.

  • sechs oder mehr Café-au-lait-Flecken mit einem Durchmesser von mehr als fünf Millimetern beziehungsweise mehr als 15 Millimetern nach der Pubertät
  • zwei oder mehr Neurofibrome oder mindestens ein plexiformes Neurofibrom
  • sommersprossenartige Pigmentflecken in der Achselhöhle oder Leistengegend (Freckling)
  • Tumor am Sehnerv (Optikusgliom)
  • mindestens zwei Lisch-Knötchen
  • typische Knochenveränderungen
  • Verwandter ersten Grades (Elternteil, Geschwister, Kind), bei dem die Diagnose NF1 gestellt wurde

Treten Café-au-lait-Flecken gehäuft auf, ist dies ein Warnzeichen für Neurofibromatose. Ab sechs Café-au-lait-Flecken ist es ratsam, Kinder untersuchen zu lassen.

Bei der Neurofibromatose Typ 2 gelten vor allem die Vestibularis-Schwannome als deutlichster Hinweis.

Therapie: Entfernung der Neurofibrome

Bisher gibt es keine ursächliche Therapie der Neurofibromatose. Therapiemaßnahmen beschränken sich deshalb bislang auf die symptomatische Behandlung. Dabei steht die chirurgische Entfernung der Neurofibrome im Vordergrund. Allerdings sollte dies nur von erfahrenen Ärzten durchgeführt werden.

Neurofibrome, die kosmetisch störend wirken oder an ungünstigen Stellen sitzen, können chirurgisch entfernt werden. Schnell wachsende, plexiforme Neurofibrome müssen entfernt werden und haben eine hohe Rezidivrate, das heißt, sie kehren häufig wieder.

Wo finden Betroffene Hilfe?

Betroffenen können in der Regel ein ganz normales Leben führen. Wichtig ist die optimale psychologische Betreuung besonders bei betroffenen Kinder und deren Eltern, da die psychische Beeinträchtigung aufgrund der ungewissen Prognose und die Scham über die körperliche Entstellung oft hoch ist. Kompetente Hilfe finden Betroffene beim Bundesverband Neurofibromatose e.V.

Verlauf und Prognose bei Neurofibromatose

Der Verlauf einer Neurofibromatose ist praktisch nicht vorherzusagen.

  • Etwa 60 Prozent der Betroffenen haben keine oder nur wenige gesundheitliche Einschränkungen.

  • Bei etwa 20 Prozent sind die auftretenden Symptome wie Schmerzen, neurologische Beeinträchtigungen oder auch die sichtbaren Neurofibrome durch operative Maßnahmen gut in den Griff zu bekommen.

  • Bei den restlichen 20 Prozent kommt es zu unangenehmen bis schweren Beeinträchtigungen, die durch Therapiemaßnahmen nicht wesentlich gebessert werden können.

Die Lebenserwartung bei Neurofibromatose ist leicht eingeschränkt. Das liegt in erster Linie am gehäuften Auftreten von bösartigen Tumoren und an Herz-Kreislauf-Komplikationen im höheren Lebensalter.

Nachdem eine Neurofibromatose sowohl mit geistigen wie auch körperlichen Entwicklungsstörungen einhergehen kann, wird eine regelmäßige Entwicklungskontrolle bei betroffenen Kindern empfohlen. Aufgrund der erhöhten Gefahr von Tumorerkrankungen sollten Kinder und Erwachsene mit Neurofibromatose auch Vorsorgemaßnahmen besonders sorgfältig wahrnehmen.

Vorsorge

Bei genetischen Erkrankungen ist Vorbeugen nicht möglich. Allerdings besteht die Möglichkeit der vorgeburtlichen genetischen Diagnostik für betroffene Paare mit Kinderwunsch. Auf diese Weise lässt sich in der frühen Schwangerschaft bestimmen, ob das Kind das mutierte Gen geerbt hat. Es lässt sich jedoch nicht vorhersagen, wie stark die Ausprägung und damit die Beeinträchtigung im späteren Leben sein wird.

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