Genetische Erkrankung

Angelman-Syndrom: Warum Frühförderung so wichtig ist

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Eine seltene genetische Krankheit mit weitreichenden Entwicklungsstörungen des Kindes ist das Angelman-Syndrom. Betroffene haben oft einen glücklichen Gesichtsausdruck, sind fröhlich und lachen unbegründet, weshalb die Erkrankung auch Happy-Puppet-Syndrome heißt. Welche Möglichkeiten zur Behandlung gibt es?

DNA-Helix mit Mutation
© Getty Images/KATERYNA KON/SCIENCE PHOTO LIBRARY

Das seltene Angelman-Syndrom, benannt nach dem englischen Kinderarzt Harry Angelman, zählt zu den genetischen Krankheiten. Es entsteht durch eine Genmutation und führt zu weitreichenden körperlichen und geistigen Entwicklungsverzögerungen und -störungen. Charakteristisch für die Erkrankung ist der freudige bis fröhliche Gesichtsausdruck von betroffenen Menschen – deshalb wird sie auch Happy-Puppet-Syndrome genannt.

Artikelinhalte im Überblick:

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Ursachen für das Angelman-Syndrom

Der normale Chromosomensatz besteht aus 23 Chromosomenpaaren, jeweils ein Chromosom stammt von der Mutter und eins vom Vater. Mutationen oder ein Funktionsverlust im Gen UBE3A auf dem mütterlichen Chromosom 15 sind für die Entstehung des Angelman-Syndroms verantwortlich. In den meisten Fällen wird das mütterliche Gen gar nicht erst kopiert, sodass ein Chromosomenabschnitt fehlt (Deletion). Auch das Prader-Willi-Syndrom entsteht durch einen Gendefekt im Chromosom 15, allerdings stammt dieses vom Vater.

Während bei anderen Mutationen oder fehlerhaften Genkopien in einem Chromosom der Defekt durch das zweite Chromosom ausgeglichen werden kann, gilt das für das Angelman-Syndrom nicht: In den Nervenzellen des Gehirns ist das väterliche UBE3A-Gen natürlicherweise deaktiviert und nur das mütterliche Gen kommt zum Tragen. Enthält diese Genkopie nun jedoch Fehler, kann das väterliche Gen diese nicht ausgleichen.

Charakteristische Symptome des Angelman-Syndroms

Die Schwangerschaft verläuft in der Regel normal und der Fötus entwickelt sich im normalen Umfang. Viele Beschwerden zeigen sich zudem nicht unmittelbar nach der Geburt, sondern erst mit der Zeit. Dazu zählen vor allem Störungen der kognitiven, körperlichen und motorischen Entwicklung.

Wie stark die Beeinträchtigungen ausfallen, ist individuell unterschiedlich. Gemein haben die meisten Kinder mit Angelman-Syndrom einen oft fröhlichen Gesichtsausdruck, außerdem lachen und lächeln sie viel und oft unbegründet oder unangebracht, strecken dabei die Zunge vor und klatschen in die Hände. Daneben zeigt sich meistens eine ausgeprägte Hyperaktivität und leichte Erregbarkeit.

Symptome und Verhaltensmerkmale beim Angelman-Syndrom:

  • Gestörte Lautsprachentwicklung, meistens sprechen die Kinder kaum bis gar nicht

  • Motorische Entwicklungsverzögerungen

  • Störungen des Bewegungsapparates, zum Beispiel ruckartige Bewegungen

  • Breitbeiniges Laufen, Füße meistens nach außen gedreht

  • Kleine Hände und Füße, Fußfehlstellungen

  • Gleichgewichtsstörungen

  • Geistige Behinderung und Intelligenzminderung

  • Oft grundloses Lächeln und Lachen

  • Hyperaktivität, leichte Reizbarkeit

  • Verkleinerter Kopfumfang (Mikrozephalie), meistens flacher Hinterkopf

  • Herausgestreckte Zunge

  • Unterkiefer steht über (Progenie), Zahnlücken (Makrostomie), offenstehender Mund und übermäßiger Speichelfluss

  • Schielen (Strabismus)

  • Störungen des Gleichgewichtssinns (Ataxie)

  • Krämpfe und Epilepsie

  • Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose)

  • Helle Augen, Haare und Haut (Hypopigmentierung)

  • Vermindertes Schmerzempfinden

  • Schlafstörungen

Diagnose: Wie das Angelman-Syndrom festgestellt wird

Bemerken Eltern innerhalb der ersten Lebensjahre eine Entwicklungsverzögerung ihres Kindes, sollten sie mit ihrer*m Kinderärztin*Kinderarzt sprechen. Neben körperlichen Auffälligkeiten und besonderen Verhaltensweisen können Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung erste Hinweise auf das Angelman-Syndrom sein. Nach der Anamnese folgt die körperliche Untersuchung, bei der getestet wird, ob sich das betroffene Kind regulär geistig und motorisch entwickel oder hinter gesunden Altersgenossen zurückliegen. Außerdem zeigt sich bei der Messung der Hirnaktivität mittels Elektroenzephalografie (EEG) ein auffälliges und typisches Muster auf.

In begründeten Verdachtsfällen finden anschließend genetische Untersuchungen statt, um die Diagnose stellen zu können. Eine angehängte Methylgruppe reguliert die Aktivität von Genen, sie können dadurch an- und abgeschaltet werden (Imprinting). Deshalb eignet sich zur Diagnostik ein Methylierungstest, bei dem das Methylierungsmuster ausgewertet wird. Für diese und weitere genetische Untersuchungen wie die Sequenzanalyse wird dem Kind etwas Blut abgenommen oder ein Mundabstrich genommen.

Welche Möglichkeiten zur Behandlung gibt es beim Angelman-Syndrom?

Da die Ursache ein Gendefekt ist, gibt es keine heilende Behandlung – auch umkehren lässt sich der Defekt nicht. Vielmehr steht deshalb nach Diagnosestellung im Fokus, die Beschwerden zu lindern, die Entwicklung zu fördern und mögliche Defizite auszugleichen. Eine Frühförderung ist für betroffene Kinder wichtig, was ihre körperliche und geistige Entwicklung in der Regel positiv beeinflusst. Dazu zählen:

  • Regelmäßige Physiotherapie und Ergotherapie verbessern die motorische Entwicklung und Bewegungsfähigkeit und beugen Folgeerkrankungen wie einer Skoliose vor.

  • Eine logopädische Behandlung und der Einsatz von Zeichensprache verbessert die Sprachfertigkeit und Lautsprachentwicklung.

  • Antiepileptika lindern Krampfanfälle und epileptische Episoden.

  • Beruhigungsmittel helfen bei ausgeprägten Schlafstörungen.

Verlauf und Prognose mit Angelman-Syndrom

In den meisten Fällen machen sich die Entwicklungsstörungen nach dem ersten Lebensjahr zunehmend bemerkbar. Bis dahin wird das Angelman-Syndrom meist nicht diagnostiziert. Eine entsprechende und umfassende Frühförderung verbessert die Selbstständigkeit des betroffenen Kindes enorm – trotzdem sind sie meistens lebenslang auf fremde Hilfe angewiesen.

Später besuchen die meisten Kinder integrative oder sonderpädagogische Schulen, in weniger stark ausgeprägten Fällen ist auch der Besuch einer allgemeinbildenden Schule möglich. Grundsätzlich beeinträchtigt das Syndrom die Lebenserwartung der erkrankten Menschen nicht.

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