Betreuung unheilbar kranker Menschen

Was bedeutet Palliativmedizin?

In unserem Leben kommen wir immer wieder an den Punkt, an dem wir über den eigenen Tod oder den Tod geliebter Menschen nachdenken. Wir stellen uns die Frage nach Möglichkeiten, einem unheilbar Kranken unnötiges Leid zu ersparen und das Sterben menschenwürdig und selbstbestimmt zu gestalten. Genau darum geht es bei der Palliativmedizin.

Palliativärztin hält Hand von Patientin und spendet Trost
© iStock.com/KatarzynaBialasiewicz

Die Palliativmedizin kommt ins Spiel, wenn die Mittel der klassischen Medizin nicht mehr ausreichen, sondern eine unheilbare Krankheit oder das fortgeschrittene Alter den Tod unausweichlich machen. Palliative Medizin legt den Fokus nicht auf die Behandlung einer Krankheit, sondern unterstützt den Kranken dabei, die letzten Tage, Wochen oder Monate ohne unnötiges Leid, selbstbestimmt und mit der größtmöglichen Lebensqualität zu erleben.

Operationen, Chemotherapien, Bestrahlungen und Medikamente haben oft starke Nebenwirkungen – im fortgeschrittenen Stadium einer schweren Krankheit können sie das Leben oftmals jedoch nur verhältnismäßig kurz verlängern. Entscheidet sich der Erkrankte im Rahmen der palliativmedizinischen Betreuung bewusst gegen diese Maßnahmen, müssen Schmerzen vorbeugend und effektiv behandelt werden. Auch um viele andere Probleme im körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Bereich kümmern sich Palliativmediziner und ihr Team.

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Palliativteam versorgt Patienten interdisziplinär

Bei der Palliativmedizin geht es um weit mehr, als dem Halten der Hand auf dem Sterbebett. Das lateinische Wort „palliare“, von dem sich der Begriff Palliativmedizin ableitet, bedeutet „mit einem Mantel einhüllen“. Um einen schwerstkranken oder sterbenden Menschen, dem Sinnbild nach, zu umhüllen und ihn vor unerträglichem Leid zu schützen, bedarf es der Zusammenarbeit eines ganzen Teams an qualifizierten Menschen. Neben Pflegepersonal und Ärzten gehören auch Sozialarbeiter, Psychologen, Seelsorger, Psychotherapeuten, Krankengymnasten und viele Freiwillige zu einem solchen Team. Es kümmert sich gemeinsam um alle Bereiche, die den Kranken aber auch seine Familie betreffen. 

Die erste Anlaufstelle, wenn man Palliativmedizin in Anspruch nehmen will, ist der Hausarzt. Dieser kann den Kontakt zu einem ausgebildeten Palliativmediziner herstellen. Wird eine umfassende Betretung mit Palliativmedizin nötig, kann diese oftmals ambulant durchgeführt werden. Seit einigen Jahren gibt es für Schwerkranke das besondere Angebot der "spezialisierten ambulanten Palliativversorgung" (SAPV) und die ambulanten Hospizdienste. Ist eine ambulante Versorgung nicht ausreichend, können stationäre Hospize oder speziell ausgelegte Pflegeheime eine Alternative zum Krankenhaus sein.

Was unterscheidet Palliativmedizin von Sterbebegleitung? 

Es findet sich schwerlich eine genaue Definition. Palliativmedizin beschränkt sich nicht allein auf die allerletzte Lebensphase eines Menschen. In der Sterbebegleitung geht es dagegen darum, Menschen die letzten Tage oder Wochen vor ihrem Tod zu begleiten. Deshalb ist die Sterbebegleitung ein wichtiger Teil der Palliativmedizin. Aber auch schwerkranke und unheilbar kranke Menschen, die unter Umständen noch Jahre an Lebenszeit vor sich haben, können von der Palliativmedizin profitieren. Die Prinzipien der Palliativmedizin können ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung für mehr Lebensqualität, weniger Schmerzen und Ängsten und mehr Sicherheit im Blick auf die Zukunft führen. Aufgrund der fortschreitenden Bedeutung der Palliativmedizin und der guten Erfolge, werden palliative Ansätze auch bei schwerkranken Patienten angewendet, wenn noch die Hoffnung auf eine Heilung besteht. 

Die Arbeit der Palliativmediziner muss jedoch von aktiver Sterbehilfe abgegrenzt werden. Diese wird von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ausdrücklich abgelehnt. Inwieweit Palliativmedizin Sterbehilfe passiv unterstützt, ist eine individuelle Entscheidung des Palliativmediziners und jeweils vom Einzelfall abhängig.

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© FUNKE Digital Video

Wie kann Palliativmedizin helfen? 

Die Kernelemente der Palliativmedizin sind: 

  • vorsorgliche und effektive Schmerzbekämpfung 
  • Versorgung und Pflege, entsprechend der Bedürfnisse des Kranken 
  • Unterstützung in Fragen bezüglich Krankenkassenleistungen, Pflegeversicherung, Heimpflege  
  • Wahrung der Fähigkeit des Kranken, über sich selbst zu bestimmen 
  • psychische Unterstützung des Patienten und seiner Angehörigen

Die vielfältigen körperlichen Symptome die bei schwerstkranken und sterbenden Patienten auftreten, sind oft schwer zu behandeln und es bedarf einer besonderen Schulung und Erfahrung, um diese erträglich zu machen. Palliativmediziner können diese Symptome aber in den allermeisten Fällen deutlich reduzieren oder zum Verschwinden bringen: 

  • Schmerzen: Es können auch heftigste Schmerzen behandelt werden, indem besonders konzipierte Schmerzkonzepte angewandt werden. Diese beinhalten meist die Gabe von Opioiden nach einem festgelegten Zeitschema, sowie zusätzliche Gaben starker Schmerzmittel bei Bedarf. Aber auch die Einbeziehung ganzheitlicher, alternativer Behandlungsmethoden, sowie die Beachtung psychischer, sozialer und spiritueller Einflüsse (wie zum Beispiel Trauer, Angst und Hoffnungslosigkeit, Religion), können bei der Schmerzbehandlung sehr hilfreich sein. 

  • Gastrointestinale Beschwerden: Häufig können Probleme im Bereich der Verdauungsorgane sehr belastend sein. Übelkeit und Erbrechen, Appetitlosigkeit, Durst, Durchfall und Verstopfung lassen sich teilweise durch pflegerische Maßnahmen, aber auch durch medikamentöse Therapien beheben oder deutlich verbessern. Bei starken Flüssigkeitsverlusten können Infusionen das Allgemeinbefinden deutlich verbessern. 

  • Lungensymptome: Insbesondere Atemnot und unstillbarer Husten sind für schwerkranke Menschen sehr quälend. Atem- und Beruhigungstechniken können hier lindernd wirken. Oft ist es aber der Einsatz von Medikamenten aus verschiedenen Wirkgruppen, der die Atemnot effektiv lindern und den Hustenreiz deutlich reduzieren kann. 

  • Psychische Symptome: Hier ist die Spanne der auftretenden Beschwerden besonders groß. Je nachdem, wie weit der körperliche Zustand es erlaubt, können bestimmte sportliche Betätigungen oder leichte körperliche Aktivität der Psyche sehr guttun. Ängsten und Depressionen können mit psychotherapeutischen Verfahren, aber auch mit Medikamenten begegnet werden. Besonders in der Sterbephase muss darauf geachtet werden, dass Angstzeichen wie Schreien, Unruhe, Mimik, Schwitzen und Abwehrreaktionen auch die Folge von körperlichen Ursachen wie Schmerzen, Harnverhalt, Atemnot oder einer Darmverstopfung sein können. Hier muss sehr genau der Grund für die Angstreaktion erforscht und behandelt werden.

Was bedeutet Palliativmedizin für die Angehörigen eines todkranken Menschen?

Angehörige werden unterstützt und so in vielen Bereichen entlastet. Dies hilft schließlich auch dem Patienten. Die psychische Stabilität der Angehörigen und ihr Umgang mit dem Kranken beeinflussen nachweislich den Verlauf der Erkrankung. Die Palliativmedizin unterstützt die Angehörigen bei der Pflege, aber insbesondere während der Sterbephase und in der Trauerzeit. Im Idealfall gelingt es allen Beteiligten, das Sterben als natürlichen Prozess und als letzten Abschnitt des Lebens zu akzeptieren. 

Ambulante palliative Versorgung 

Die meisten Menschen wünschen sich, zu Hause sterben zu können. Ermöglicht wird das durch die ambulante Palliativmedizin, also Palliativmedizin zu Hause. Dabei betreuen in der Regel niedergelassene Ärzte, ambulante Pflegedienste und ehrenamtliche Helfer die Patienten in ihrer häuslichen Umgebung. Oft ist das sogar dann möglich, wenn die Patienten eine besonders aufwendige und intensive Betreuung benötigen. Man nennt dies spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). Hier arbeiten Ärzte und Pflegedienste in einem sogenannten Palliative Care Team (PCT) zusammen: Alle sind speziell ausgebildet und sprechen sich gemeinsam über die Behandlung ab. Je nach Bedarf, kann so eine Betreuung mit Palliativmedizin zu Hause rund um die Uhr gewährleistet werden.  

Stationäre Versorgung in Hospiz und Palliativstation 

Ist die ambulante Palliativversorgung nicht möglich, müssen die schwerkranken und sterbenden Menschen in besonderen Einrichtungen versorgt werden.  

Stationäre Hospize sind baulich, organisatorisch und wirtschaftlich eigenständige Einrichtungen mit separatem Personal und dem Konzept der Palliativmedizin. Sie verfügen im Allgemeinen über eine geringe Bettenanzahl, in manchen Fällen gibt es zusätzliche Betten für Angehörige oder sogar Wohneinheiten für Kranke und Angehörige gemeinsam.  Im Mittelpunkt der stationären Hospizversorgung stehen die schwerstkranken Patienten mit ihren Wünschen und Bedürfnissen. Eine ganzheitliche Pflege und Versorgung wird durch ein Team an palliativmedizinisch geschulten Ärzten und Pflegekräften gewährleistet. Voraussetzung für die Aufnahme in ein stationäres Hospiz ist, dass der Patient an einer unheilbaren Erkrankung leidet, die zum Tode führen wird. Im Hospiz kann der schwerkranke Mensch bis zu seinem Tode gepflegt und versorgt werden.  

In manchen Krankenhäusern finden sich spezielle Palliativstationen. Sie sind auf die Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen spezialisiert, die einer Krankenhausbehandlung bedürfen. Ziele der Behandlung sind eine Verbesserung oder Stabilisierung der jeweiligen Krankheitssituation sowie die anschließende Entlassung – soweit möglich – nach Hause. Auch auf Palliativstationen gilt der ganzheitliche Betreuungsansatz der Palliativmedizin. Neben der palliativärztlichen und palliativpflegerischen Betreuung, erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen, die im Normalfall zum Krankenhaus gehören. Palliativstationen sind kleine Stationen oder Stationsbereiche, mit einer möglichst wohnlichen Gestaltung der Patientenzimmer. Die Verweildauer auf einer Palliativstation ist im Allgemeinen deutlich kürzer als in einem Hospiz.

Wenn Kinder sterben

Besonders dann, wenn Kinder und Jugendliche lebensbedrohlich erkranken, gerät das Leben einer Familie aus den Fugen. Stationäre Kinderhospize sind speziell auf die Bedürfnisse lebensverkürzend erkrankter Kinder ausgerichtet. Sie stehen Familien nicht nur in der Sterbephase mit allen Mitteln der Palliativmedizin offen, sondern ab der Diagnosestellung einer lebensverkürzenden Erkrankung bei einem Kind.

Oft leben die erkrankten Kinder und ihre Familien viele Jahre mit ihrer Grunderkrankung und der Prognose, das Erwachsenenalter nicht zu erleben. Dies bedeutet eine lange Zeit der Verzweiflung, Unsicherheit, Angst, Hoffnung und es bestehen viele Fragen. In dieser Zeit werden die Familien von Menschen aus der Kinderhospizarbeit unterstützt. In der Regel sind die Angebote der Kinderhospizarbeit somit nicht die „Endstation“ für die erkrankten Kinder, sondern der Beginn einer längeren Begleitung. Spezifische Angebote für die erkrankten Kinder, Eltern und Geschwister sind ein Kern der Arbeit. Auch das ist ein Teil der Palliativmedizin. 

Weil von der Diagnosestellung bis zum Tod der Kinder in der Regel mehrere Jahre vergehen, sind die Aufenthalte in einem stationären Kinderhospiz in der Regel zeitlich begrenzt und werden öfter wiederholt. Nur in seltenen Fällen, vor allem in besonderen Krisensituationen oder in der Lebensendphase des Kindes, wird eine Familie unbegrenzt aufgenommen. 

Ansonsten gibt es auch für Kinder spezialisierte ambulante Hospizdienste, die die Betreuung der Kinder und ihrer Familien, mit allen Möglichkeiten der Palliativmedizin, zu Hause gewährleisten. Können die Eltern die häusliche Pflege nicht selbst leisten, helfen Pflegedienste.

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