Schwerhörigkeit bei Kindern erkennen und behandeln

Eine unbehandelte Schwerhörigkeit bei Kindern führt dazu, dass sich Hör- und Sprachzentrum gar nicht oder nur verzögert entwickeln kann. Dies hat immense Folgen für die geistige und soziale Entwicklung. Wie erkennt man, ob ein Kind schlecht hört und wie wird die Schwerhörigkeit bei Kindern behandelt – alle Informationen im Ratgeber.

kind mit hoergeraet wegen schwerhoerigkeit
© iStock.com/choja

In den ersten zwei bis drei Jahren der Entwicklung "lernt" das kindliche Gehirn das Hören. Hierzu muss das Ohr Reize empfangen, erkennen und über die entsprechenden Nervenbahnen zum Gehirn weiterleiten. Bei einer unbehandelten Schwerhörigkeit kann dieser Lernprozess nicht stattfinden, denn durch die Funktionsstörung des Ohres können die äußeren Reize die Nervenbahnen gar nicht oder nur sehr abgeschwächt erreichen. Zudem wird ein Kind, das schlecht hört und unversorgt bleibt, als Folge schlecht sprechen lernen. Seine geistige Entwicklung und seine Kontakte zu anderen Kindern können beeinträchtigt werden. Deshalb ist ein frühes Erkennen von Hörstörungen bei Säuglingen und die Behandlung so wichtig. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass Kinder, die bereits im ersten Lebensjahr ein Hörgerät oder einem Innenohr-Implantat bekamen, sich sprachlich ganz normal entwickeln und ein ganz normales Leben führen konnten.

Im Überblick:

Vorsicht, Tinnitus: Die größten Gefahren für unser Gehör

Formen von Schwerhörigkeit bei Kindern

Es gibt verschiedene Formen der Schwerhörigkeit. Am häufigsten ist bei Kindern die sogenannte Schallleitungsschwerhörigkeit. In diesem Fall kann der Schall nicht mehr vollständig von äußeren Ohr zum Innenohr geleitet werden. Die Ursachen können harmlos sein, zum Beispiel Ohrschmalz, der die Gehörgänge verstopft. Auch Polypen oder Flüssigkeits- beziehungsweise. Schleimansammlungen in der Paukenhöhle, ausgelöst durch chronische Nebenhöhlen- oder Mittelohrentzündungen, führen bei Kindern oft zu einem solchen Hörverlust. Dieser ist jedoch in der Regel nur vorrübergehend.

Dagegen handelt es sich bei einer Schallempfindungsstörung um eine Schädigung des Innenohres. Meist hören Kinder mit einer solchen Beeinträchtigung hohe Töne schlechter als tiefe. Das bedeutet, dass die Sprache nicht nur leiser, sondern auch verzerrt wahrgenommen wird. Auch kombinierte Formen von Schwerhörigkeit kommen vor. Hier sind beide, die Schalleitung und die Schallempfindung gestört.

Ursachen der Schwerhörigkeit bei Kindern

Bei fast der Hälfte aller schwerhörigen Kinder handelt es sich um eine angeborene Erkrankung. Man versteht darunter eine Hörstörung, die vor der Geburt, während der Geburt oder innerhalb von sechs Monaten danach eingetreten ist. Oft kennt man die Ursache nicht. Bei jedem dritten Kind kann man die angeborene Schwerhörigkeit auf vererbte Faktoren zurückführen. In diesen Fällen verschlechtert sich das Hörvermögen oft mit zunehmendem Alter.

In anderen Fällen haben bestimmte Medikamente, die während der Schwangerschaft eingenommen wurden oder Infektionskrankheiten der Mutter, wie zum Beispiel Röteln, bei dem ungeborenen Kind eine Schädigung des Gehörs ausgelöst. Auch im Laufe der Geburt können Komplikationen wie Sauerstoffmangel, Hirnblutungen oder Frühgeburten zu einer Schädigung des kindlichen Gehörs führen.

Schwerhörigkeit durch Krankheiten und Medikamente

Etwa jedes fünfte schwerhörige Kind erleidet den Hörverlust erst im Verlauf der Kindheit. Infektionskrankheiten, wie Masern, Mumps oder Röteln können Auslöser sein. Hirnhautentzündungen, Schädelverletzungen oder bestimmte Antibiotika können das Gehör ebenfalls schädigen.

Mittelohrentzündung kann Hörvermögen beeinträchtigen

Fast immer geht die Mittelohrentzündung mit einer Beeinträchtigung des Hörvermögens einher: Die Kinder hören schlechter als sonst. Solange die Mittelohrentzündung aber nicht chronisch wird, normalisiert sich das Hörvermögen nach Abklingen der Infektion wieder.

Gehörschäden durch Knalltrauma und Lärm

Eine weitere typische Ursache für Hörschäden bei kleinen Kindern ist ein Knalltrauma, entstanden etwa durch das Abfeuern von Spielzeugpistolen in der Nähe des Kopfes. Nicht zuletzt kann exzessive Musikbeschallung bei Kindern zu irreversiblen Gehörschäden führen.

Haben Eltern den Verdacht, dass ihr Kind unter einer Mittelohrentzündung leidet, sollte umgehend eine Untersuchung durch einen Kinderarzt erfolgen. Die Krankheit darf wegen möglicher Folgeschäden und der Gefahr einer andauernden Schwerhörigkeit nicht verschleppt werden. Der Arzt kann die Mittelohrentzündung schnell diagnostizieren und effektiv behandeln.

Hinweise auf Gehörschädigung: Ist mein Kind schwerhörig?

Das Hören ist für die gesamte Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung. Das Sprachvermögen, die geistige und soziale Entwicklung, all dies hängt entscheidend davon ab, wie gut ein Kind hören und verstehen kann. Je kleiner die Kinder sind, desto schwieriger ist es jedoch, eine Gehörschädigung zu erkennen.

Die Eltern sollten von Anfang an darauf achten, ob das Kind richtig hört, besonders wenn ein erhöhtes Risiko für einen Hörfehler vorliegt. Das ist der Fall, wenn

  • es in der Familie bereits hörgeschädigte Mitglieder gibt,
  • die Mutter während der Schwangerschaft Infektionskrankheiten wie Röteln oder Toxoplasmose hatte,
  • die Mutter während der Schwangerschaft Medikamente eingenommen hat oder Alkohol oder Drogen konsumiert wurden,
  • wenn die Geburt schwierig oder zu früh war,
  • das Kind bestimmte Virusinfektionen wie Masern oder Mumps durchgemacht hat,
  • das Kind Schädelverletzungen erlitten hat.

Folgende Anzeichen können darauf hindeuten, dass das Kind oder Baby nicht normal hört:

  • Die Sprachentwicklung verläuft langsam.
  • Das Kind versteht Sprache nicht so gut, wie es seinem Alter entsprechen sollte.
  • Das Kind reagiert nicht entsprechend auf laute Geräusche.
  • Das Baby imitiert keine Worte.
  • Das Kind bewegt den Kopf nicht in Richtung eines Geräusches oder in Richtung von Stimmen.
  • Das Kind reagiert nicht auf Geräusche aus einem anderen Zimmer.
  • Das Kind träumt am Tag vor sich hin und nimmt nicht am sozialen Leben teil.
  • Ihr Kind leidet unter häufigen Ohrinfektionen.

Bei Kindern ist der subjektive Hörtest (Audiometrie) ab einem Alter von etwa vier Jahren sinnvoll. Bei kleineren Kindern und Säuglingen, die bei einem solchen Hörtest nicht mithelfen können, setzt der Arzt andere Verfahren ein. Besteht der Verdacht, dass das Gehör des Kindes nicht richtig funktioniert, sollte es von einem HNO-Arzt untersucht werden. Es gibt auch für Säuglinge sehr gute, schmerzfreie Hörtests. Eine rechtzeitige Behandlung kann ausschlaggebend dafür sein, dass sich das Kind sich trotz Schwerhörigkeit normal entwickelt.

Neugeborenen-Hörscreening

Seit 2009 ist das Neugeborenen-Hörscreening eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Die Untersuchung soll so früh wie möglich – in den ersten zwei bis vier Lebenstagen – durchgeführt werden. Ziel ist es, Gehörschäden so früh wie möglich erkennen und behandeln zu können. Bei dem Screening wird untersucht, ob das Innenohr intakt und die Haarzellen funktionieren. Die Untersuchung ist schmerzlos und dauert nur wenige Minuten. Ergeben sich Auffälligkeiten, wird der Test wiederholt und gegebenenfalls weiteren Untersuchungen veranlasst. Das Neugeborenen-Hörscreening ist freiwillig und kann noch in der Entbindungsklinik durchgeführt werden. Spätestens bei der Vorsorgeuntersuchung U3 zwischen der 4. Und 5. Lebenswoche wird der Kinderarzt auch das Hörvermögen nochmals überprüfen.

Wie wird Schwerhörigkeit bei Kindern behandelt?

Eine reine Schallleitungsschwerhörigkeit, also eine Störung des äußeren oder Mittelohres, kann häufig mit Medikamenten oder durch kleine operative Eingriffe behoben werden.

Wenn das Innenohr an dem Hörfehler beteiligt ist, können Hörgeräte die Methode der Wahl sein. In einigen Fällen von Taubheit kann man die Funktion des Innenohres durch Einpflanzen eines Cochlea-Implantats (CI) wiederherstellen. Diese Innenohrprothese wandelt akustische Signale um und stimuliert direkt die Hörzellen in der Gehörschnecke. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein intakter Hörnerv. Da dieser von Geburt an äußere Reize für seine normale Entwicklung benötigt, ist der frühe Zeitpunkt einer Therapie entscheidend für den Erfolg.

Frühe Sprach- und Hörentwicklung mit Logopädie

Genauso wichtig wie medizinische Behandlung und Hörgeräte ist eine umfassende begleitende Unterstützung der geistigen und sozialen Entwicklung des Kindes. Dazu gehört zum Beispiel eine frühe Förderung seiner Sprach- und Hörentwicklung sowie eine anschließende Unterstützung durch Logopädie.

Bei schwerhörigen Kindern kommt es häufig zu Störungen der Sprachentwicklung. Diese reichen von Artikulationsstörungen bis hin zu schweren Sprachentwicklungsverzögerungen, von denen auch der Wortschatz und die Satzbildung betroffen sind. Mit einem Hörgerät können schwerhörige Kinder die Sprache zwar relativ gut wahrnehmen, sie haben aber dennoch Probleme, die sehr hohen Frequenzbereiche, die für die Differenzierung der Konsonanten wichtig sind, deutlich zu hören. Auch die Übertragung der Sprachmelodie entspricht nicht dem natürlichen Hören mit einem Hörgerät. Sie müssen daher für Sprache besonders sensibilisiert werden.

Mundmotorik fördert die Lautbildung bei Kindern mit einem Hörgerät

Ein striktes Hörtraining, bei dem etwa zwischen verschiedenen Konsonanten wie k und t unterschieden wird, ist mit Kindern aber zunächst nicht möglich. Eine Therapie für Kinder mit einem Hörgerät verläuft spielerischer. "Wir imitieren zum Beispiel verschiedene Tierstimmen oder spielen CDs mit Alltagsgeräuschen, die die Kinder erraten", sagt Anne Bahlmann von der Schule für Logopädie in Siegen. Erst im späteren Therapieverlauf wird sprachlautspezifisch gearbeitet. Auch mundmotorische Übungen vor dem Spiegel oder integriert in ein Spiel sind eine gute Möglichkeit, die Lautbildung zu trainieren. So kann bei Kindern etwa die Vorstülpung der Lippen bei der Bildung des Konsonanten "sch" durch das vorherige Üben eines Kussmundes unterstützt werden.

Tipps für Eltern schwerhöriger Kinder

Schwerhörige oder gar gehörlose Kinder sollten nach einer Versorgung mit Hörgeräten oder einem CI so früh wie möglich eine logopädische Therapie erhalten. Selbst wenn das Kind noch keine Wörter spricht, ist eine Behandlung angebracht: Schließlich ist das Lallen, Brabbeln und fröhliche Schreien eines Säuglings eine Vorstufe der Sprache und die richtige Ansprache und Förderung ist enorm wichtig, um die Hörbahnreifung zu unterstützen. Diese findet innerhalb des ersten Lebensjahres statt. Es ist ein frühes Warnsignal für eine Hörstörung, wenn Säuglinge nach der ersten Lallphase plötzlich verstummen.

Genauso wichtig wie eine Therapie ist jedoch die Sprachförderung im Alltag. "Sprachförderung" klingt zunächst gewaltig. Gemeint ist aber nur, dass Eltern ihrem Kind, dass schwerhörig ist und/oder ein Hörgerät trägt, das Sprechen lernen leicht machen. Das bedeutet:

  • Das Kind beim Sprechen immer ansehen. So kann es das Gesprochene besser verstehen und sieht zugleich an den Mundbewegungen der Mutter oder des Vaters, wie die Laute gebildet werden und welche Stimmung das Gesprochene hat.
  • Den Mund betont bewegen. Das erleichtert das Imitieren der Mundbewegungen, die für die Artikulation wichtig sind.
  • Auf eine gut ausgeprägte Sprachmelodie achten. Sie unterstützt die Segmentierung der Sprache sowie den Sinn des Gesagten und ist damit ein wichtiges Element beim Erlernen der Sprache. Eltern setzen zum Beispiel den sogenannten "Baby-talk" meist unbewusst bei ihren Säuglingen ein.
  • Kurze Sätze bilden. Lange verschachtelte Sätze erschweren selbst hörgesunden Kindern das Verstehen.
  • Äußerungen des Kindes, die Artikulationsfehler enthalten, korrekt wiederholen. Nicht sagen: "Das hast du falsch ausgesprochen." Derlei offene Kritik frustriert das Kind und hält es vom weiteren Reden ab.

Viele Eltern von Kindern, die ein Hörgerät oder ein Cochlea-Implant tragen, sind verunsichert und wollen testen, ob ihr Kind wirklich gut hören kann. Sie rufen darum beispielsweise ständig seinen Namen. Doch davon raten Sprechwissenschftler ab. Die Kinder reagieren nach einer Weile nicht mehr darauf, wenn sich gezeigt hat, dass es ohne Konsequenz bleibt. Die Äußerungen der Eltern sollten darum immer mit sinnvollen Inhalten verbunden sein.

Bei der Wahl des Kindergartens oder der Schule sollte abgewogen werden, ob eine Einrichtung für Schwerhörige in Frage kommt oder eine normale Schule die bessere Alternative ist. Eine intensive pädagogische und audiologische Betreuung während seiner gesamten Entwicklung kann dem schwerhörigen Kind ermöglichen, ein ganz normales Leben zu führen.

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