Gestörte Kommunikation

Mutismus: Schweigen ohne körperliche Ursache

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Mutismus ist eine seltene Störung, bei der die Betroffenen nicht sprechen, obwohl sie körperlich dazu in der Lage sind. Die Störung tritt meist im Vorschulalter auf und hat psychische Ursachen. Wie äußert sich Mutismus und welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Mutismus: Welche Formen gibt es?
© Getty Images/Image taken by Mayte Torres

Extreme Schüchternheit und soziale Ängste in der Kindheit können schwerwiegende Folgen haben: Bei Mutismus sprechen Betroffene nicht oder nur in bestimmten Situationen. Was hilft?

Im Überblick:

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Was ist Mutismus?

Von Mutismus (vom Lateinischen „mutus“ für „stumm“) sprechen Fachleute, wenn Kinder oder Jugendliche gar nicht oder nur in bestimmten Situationen sprechen, obwohl keine Defekte der Sprechorgane oder des Gehörs vorliegen. Mutismus gehört zu den kindlichen Angststörungen und wird in zwei Formen unterschieden:

  • Beim selektiven Mutismus (auch elektiver Mutismus genannt) tritt die Sprachhemmung nur in bestimmten Situationen auf: Betroffene sprechen beispielsweise im häuslichen Umfeld ganz normal, verstummen jedoch, sobald es in die Kita oder den Kontakt mit fremden Menschen geht.

  • Kinder und Jugendliche mit totalem Mutismus sprechen überhaupt nicht, auch andere Lautäußerungen (wie Husten, Weinen oder Lachen) fehlen.

Von diesen Formen des Mutismus abzugrenzen ist der akinetische Mutismus: Bei diesem neurologischen Krankheitsbild kommt zum Mutismus eine Bewegungslosigkeit (Akinese) ohne Lähmung hinzu. Ursache ist meist eine Schädel-Hirn-Verletzung durch einen Unfall oder einen Schlaganfall.

Mutismus: Welche Ursachen gibt es?

Die Forschung geht davon aus, dass nicht eine einzelne Ursache, sondern eine Kombination verschiedener Faktoren für das Auftreten von Mutismus verantwortlich ist. Studien zeigen etwa, dass es eine genetische Veranlagung zum Mutismus gibt: Sehr viele Betroffene haben ein Elternteil, das in der Kindheit ebenfalls mutistisch oder zumindest extrem schüchtern war.

Viele Kinder mit Mutismus sind auch schon vor dem Verstummen eher ängstlich und zurückhaltend. Kommen dann auch noch Stress- und Belastungserfahrungen (wie die Trennung der Eltern oder der Wechsel vom Kindergarten in die Schule) hinzu, ziehen sich die Kinder ins Schweigen zurück. Auch Kinder mit Sprachproblemen reagieren oft mit Mutismus, wenn sie aufgrund ihrer Aussprache oder Grammatik nicht verstanden oder ausgelacht werden. Das ist auch der Grund dafür, dass bei Kindern mit Migrationshintergrund ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Mutismus besteht. Daneben kann eine soziale Angststörung (soziale Phobie) Auslöser für den Mutismus sein.

Mit diesen Symptomen geht Mutismus einher

Das Leitsymptom bei Mutismus ist ein Verzicht auf verbale Äußerungen, welcher sich über mindestens vier Wochen erstreckt. Für Eltern ist das vor allem beim selektiven Mutismus oft schwer zu erkennen, da das Kind zuhause vollkommen frei spricht, dort teilweise sogar besonders gesprächig ist (Nachholbedarf). Hier sind es oft die Mitarbeitenden in Kindergarten oder Schule, welche die Eltern auf das Schweigen des Kindes aufmerksam machen.

Neben dem Schweigen fallen die betroffenen Kinder oft durch verschiedene weitere Anzeichen auf, wenn sie angesprochen werden, darunter:

  • starrer Blick
  • verminderte Mimik
  • fehlender Blickkontakt
  • hochgezogene Schultern
  • erstarrte Körperhaltung

Darüber hinaus haben Kinder und Jugendliche mit Mutismus oft Angst vor unbekannten Situationen, mögen es nicht sich körperlich zu erproben (etwa beim Schwimmen, Radfahren oder Klettern) und stehen nicht gerne im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Diagnose: So wird Mutismus festgestellt

Die Diagnose Mutismus wird meist in einer kinderärztlichen oder kinderpsychologischen Praxis erstellt. Bei einem mehr als vier Wochen anhaltenden Schweigen ist ein Besuch hier unbedingt angeraten.

Die Diagnosestellung beginnt mit einem ausführlichen Gespräch, in dem das Kommunikationsverhalten, die aktuelle Familiensituation und eventuell vorhandene Verhaltensauffälligkeiten erfragt werden (Anamnese). Neben den Eltern werden hier oft auch Fachkräfte aus Kindergarten oder Schule hinzugezogen. Eine Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten ist aufgrund des Schweigens oft nicht möglich, hier müssen die Fachleute sich auf die Aussagen der Begleitpersonen verlassen oder entsprechende Aufzeichnungen zu Hilfe nehmen.

Um eine organisch bedingte Kommunikationsstörung auszuschließen, werden Hör- und Sehtests durchgeführt, gegebenenfalls wird der Entwicklungsstand in Bezug auf Motorik und Schreibfähigkeit geprüft. Besonders wichtig ist der Ausschluss anderer Erkrankungen (wie Autismus), die ebenfalls für das Schweigen und Probleme in der Kommunikation verantwortlich sein können.

Therapie: So wird Mutismus behandelt

Je früher eine Behandlung erfolgt, desto besser kann mutistisches Verhalten unterbrochen worden. In den meisten Fällen wird mit einer Kombination aus Sprachtherapie (Logopädie) und Psychotherapie gearbeitet:

  • In der Psychotherapie lernt das Kind in einer geschützten Umgebung, Ängste abzulegen, Vertrauen zu einer ihm fremden Person aufzubauen und sich kommunikativ anzunähern. Sind die Ängste zu groß oder liegen Depressionen vor, kommen in einigen Fällen auch Medikamente zum Einsatz. Liegen die Ursachen für den Mutismus in einem familiären Konflikt begründet, kann auch eine Familientherapie angezeigt sein.

  • In der Sprachtherapie werden die Betroffenen Schritt für Schritt ans Sprechen herangeführt: Zunächst werden Laute und Silben nachgeahmt, später Wörter und ganze Sätze. So werden die Ängste nach und nach abgebaut, erst gegen Ende der sprachtherapeutischen Therapie wird die Praxis verlassen und das Sprechen in Alltagssituationen geübt.

Mutismus: Umgang mit der Erkrankung

Für Eltern ist es wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass das Kind nicht absichtlich oder böswillig schweigt. Deshalb sollte das Kind keinesfalls für sein Schweigen bestraft oder immer wieder zum Reden gedrängt werden. Es hilft sowohl den Eltern als auch dem Kind, wenn die Eltern weitgehend normal mit dem Kind umgehen und darauf vertrauen, dass es lernen wird, in fremden Situationen zu sprechen. Durch genaue Beobachtung lässt sich herausfinden, was dem Kind im Umgang mit unbekannten Situationen und bei der Kontaktaufnahme mit Fremden hilft.

Prognose bei Mutismus

Je früher ein Kind behandelt wird, desto günstiger ist seine Prognose. Unbehandelt kann der Mutismus chronisch werden und sich negativ auf:

  • Selbstwertgefühl
  • Persönlichkeitsentwicklung
  • Bildungs- und Berufsweg

auswirken. Eine Mutismus-Therapie ist in den meisten Fällen eine langwierige Angelegenheit und kann sich über Monate und sogar Jahre (bis ins Erwachsenenalter hinein) erstrecken.

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