Datenlage

Homöopathie: Was besagen Studien zur Wirksamkeit?

Viele Menschen sind überzeugt, dass homöopathische Mittel helfen. Ungeachtet dessen muss die Homöopathie ihre Wirksamkeit auch wissenschaftlich unter Beweis stellen. Und zwar unter Bedingungen, die ihrem Wirkprinzip höchstens eingeschränkt gerecht werden.

Frau und Mann im Labor
© Getty Images/Hinterhaus Productions

Für Menschen, die homöopathische Arzneimittel anwenden liegen ihre Vorteile längst auf der Hand: Sie sind sehr gut verträglich, haben keine bekannten Nebenwirkungen und können daher sogar bei Kleinkindern, chronisch kranken, älteren sowie geschwächten Menschen eingesetzt werden.

Homöopathie: Wichtige Mittel und ihre Wirkung

Ergänzende Behandlung mit Homöopathie in der ärztlichen Praxis

Oft geht es diesen Personen nicht um ein "Entweder-Oder" zwischen homöopathischen Wirkstoffen und anderen Medikamenten: Vielmehr kann die Homöopathie eine konventionell-medizinische Behandlung unterstützen. So berichtet Allgemeinmediziner Markus Wiesenauer, der sich auf Homöopathie spezialisiert hat: "In meiner hausärztlichen Praxis behandle ich mehr als die Hälfte meiner Patient*innen ausschließlich homöopathisch. Die übrigen kann ich homöopathisch unterstützen, sodass die notwendigen konventionellen, chemisch-synthetischen Medikamente häufig reduziert werden können."

Obwohl sich in der Praxis immer wieder bestätigt, dass Patienten und Patientinnen mit ihr geholfen wird, hat es die Homöopathie schwer. Denn während konventionelle Medikamente sich nach reiflicher Forschung erst in der Praxis beweisen müssen, liegt der Fall bei homöopathischen Arzneimitteln genau umgekehrt: Sie werden bereits seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt, bleiben aber den wissenschaftlichen Beweis dafür schuldig, sagen Kritiker. Sie betonen, dass sich die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel nicht nachweisen lasse oder aber auf dem Placebo-Effekt basiere. Doch das ist stark vereinfacht.

Gängige Studienmodelle werden Homöopathie nicht gerecht

Doppelblinde, placebokontrollierte Studien sind der Goldstandard in der klinischen Forschung. Dabei nimmt eine Gruppe von Proband*innen den zu untersuchenden Arzneistoff ein, während eine weitere Gruppe ein Placebo ohne Wirkstoff erhält. Weder Teilnehmende noch behandelnde Personen wissen, wer zu welcher Gruppe gehört (doppelblind).

Für einen Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie sind die Methoden evidenzbasierter Medizin allerdings nicht uneingeschränkt geeignet. Schließlich wird die Wahl homöopathischer Arzneimittel in der alltäglichen Praxis nach dem Individuum und seinen Leitsymptomen ausgerichtet. "Dies führt dazu, dass ein Mensch mit Gastritis möglicherweise Nux vomica braucht, ein anderer aber ein ganz anderes Mittel", erklärt Behnke. Das komme ganz auf die individuellen Beschwerden (in der Homöopathie auch Leitsymptome genannt) an. Studien, die diese Individualisierung nicht berücksichtigten, brächten daher mutmaßlich schlechtere Ergebnisse für die Homöopathie.

Homöopathie: Welche Rolle spielt der Placebo-Effekt?

In einer Meta-Analyse (Übersichtsstudie), veröffentlicht 2014 in der Fachzeitschrift "Systematic Reviews", wurden 32 placebokontrollierte Studien zum Thema Wirksamkeit homöopathischer Mittel überprüft. Davon entsprachen 22 Studien den strengen Standards der evidenzbasierten Medizin, drei erfüllten die höchsten Qualitätskriterien.

Der Wissenschaftler Robert T. Mathie und seine Kollegen entdeckten, dass die Homöopathie gegenüber dem Placebo statistisch signifikant überlegen war. "Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass eine Therapie mit individuell ausgewählten homöopathischen Arzneimitteln wahrscheinlich spezifische Effekte hat", sagt Jens Behnke von der Carstens-Stiftung, die sich für mehr Forschung auf dem Gebiet der Naturheilkunde und Homöopathie einsetzt. Restzweifel bleiben, weil die geringe Anzahl der qualitativ hochwertigen Studien keine definitive Aussage zulässt.

Rachel Roberts, Hauptgeschäftsführerin des britischen Homeopathy Research Instituts (HRI) in London, gilt als Expertin auf dem Gebiet der Homöopathie-Forschung. Auf die Frage nach dem Placebo-Effekt bei der Behandlung mit homöopathischen Arzneimitteln im Interview mit dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) betont die Wissenschaftlerin: "Dies ist eine häufig genannte Theorie, aber die Daten sind einfach nicht vorhanden, um sie zu stützen. Im Gegenteil, die strengsten Untersuchungen zeigen, dass homöopathische Arzneimittel eine echte klinische Wirkung haben, die über den Placebo-Effekt hinausgeht."

Aktuelle Studienlage zur Homöopathie

Das Homeopathy Research Institute (HRI) wurde 2007 gegründet und hat die zentrale Aufgabe neue, qualitativ hochwertige Forschung im Bereich Homöopathie zu fördern. In dieser Funktion beobachtet das Institut auch kontinuierlich die aktuelle Studienlage zur Wirksamkeit von homöopathischen Arzneimitteln. Dabei hat das HRI ermittelt, dass bis Ende 2021 insgesamt 255 randomisierte kontrollierte Studien zur Homöopathie in peer-reviewed Zeitschriften veröffentlicht wurden – das bedeutet, dass unabhängige Gutachter die Veröffentlichung der eingereichten Studien geprüft haben. Unter diesen wissenschaftlichen Arbeiten waren 148 placebokontrollierte Studien.

Neue placebokontrollierte Studien im Bereich Homöopathie

Die aktuellsten placebokontrollierten Studien zur Wirksamkeit der Homöopathie stammen aus den Jahren 2019 und 2020. Wissenschaftliche Doppelblindstudien gelten als besonders hochwertig und zuverlässig. Das HRI führt diese Studien deshalb als Beweis für die Evidenz der Homöopathie an, die eine Wirksamkeit der Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus belegen sollen.

  • Homöopathie bei Prämenstruellem Syndrom (PMS) (2019): Die Studie von Dr. Michal Yakir von der Israeli Association for Classical Homeopathy in Tel Aviv mit insgesamt 105 Frauen im gebärfähigen Alter untersuchte die Wirksamkeit von individuell verordneten homöopathischen Medikamenten gegenüber einem Placebo bei PMS. Dabei zeigte sich, dass die Frauen in der Homöopathiegruppe über eine stärkere Verbesserung der PMS-Symptome berichtete, signifikant weniger konventionelle Medikamente benötigte und auch weniger Krankheitstage in Anspruch nahm, als die Placebogruppe.

  • Homöopathie nach Brustkrebs-OP (2020): Durchgeführt wurde die Studie von Dr. Adi Maisel Lotan von der Abteilung für plastische und rekonstruktive Chirurgie an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Sie untersuchte, inwieweit die homöopathischen Arzneimittel Arnica montana und Bellis perennis gegenüber einem Placebo zur Reduktion von Seromen nach der Entfernung von Brustgewebe beziehungsweise einer Brustrekonstruktion bei insgesamt 55 Frauen beitragen. Postoperative Serome sind Flüssigkeitsansammlungen im Wundbereich, die den Heilungsprozess erschweren. Dabei zeigte sich, dass die homöopathische Behandlung die durchschnittliche Drainagezeit gegenüber dem Placebo statistisch signifikant verkürzte, die Homöopathiegruppe weniger Opioide als die Placebogruppe benötigte und keine Nebenwirkungen der homöopathischen Behandlung beobachtet wurden.

Da die untersuchten Fallzahlen in Studien mit homöopathischen Arzneimitteln in der Vergangenheit meist niedriger waren, als in Untersuchungen zu konventionellen Medikamenten, sind weitere und größere Studien laut HRI notwendig. Auch, um die bisherig vorliegenden Ergebnisse zu bestätigen.

Denn es existieren, neben den beiden oben angesprochenen aktuellen Studien, noch eine Reihe weiterer placebokontrollierter Studien mit größeren Fallzahlen und positivem Ergebnis. Viele der Studien zur Wirksamkeit der homöopathischen Behandlung, etwa bei Durchfall oder Ohrentzündungen von Kindern, Heuschnupfen oder Schwindel gelten jedoch als veraltet, da sie bereits Anfang 2000 durchgeführt wurden oder noch älter sind. Sie müssten damit wiederholt werden, um die alten Ergebnisse entsprechend zu bestätigen oder auch zu widerlegen.

Homöopathische Behandlung kann bei chronischen Krankheiten unterstützen

Anders ist es bei Studien aus der Versorgungsforschung (Beobachtungs- oder Kohortenstudien), die eine homöopathische Behandlung unter realistischen Alltagsbedingungen untersuchen. Dabei wird das komplette Therapieverfahren, wie es in der Homöopathie gängig ist, berücksichtigt: Gespräch, Untersuchung, Arzneimittel. Hierzu gibt es auch Studien mit sehr großen Fallzahlen.

Eine Beobachtungsstudie an der Berliner Charité, die 2008 in der britischen Fachzeitschrift BMC Public Health veröffentlicht wurde, zeigte: Bei knapp 4.000 Patient*innen mit chronischen Krankheiten wie Kopfschmerzen, Migräne und Bluthochdruck besserten sich die Beschwerden nach drei Monaten um fast die Hälfte. Die Wissenschaftlerin Claudia Witt und ihr Team stellten außerdem fest, dass sich in 25 Prozent der Fälle nach zwei Jahren sogar eine vollständige Heilung einstellte.

Inwiefern homöopathische Arzneimittel für die Besserung der Beschwerden verantwortlich sind, kann durch Studien aus der Versorgungsforschung allerdings nicht abschließend geklärt werden, da die Ergebnisse von anderen Faktoren wie dem allgemeinen Lebensstil oder begleitenden Therapien beeinflusst werden können.

Weitere Beobachtungs- und Kohortenstudien geben jedoch zusätzliche Hinweise: Die homöopathische Behandlung erzielte jeweils ähnlich gute Ergebnisse wie konventionelle Therapien, verursachte dabei aber geringere Kosten und weniger Nebenwirkungen.

Potenzierung in der Homöopathie: Verdünnt heißt nicht unwirksam

Wie kann es aber sein, dass Wirkstoffe in analytisch kaum nachweisbarer Konzentration Krankheiten lindern können? Dass es funktioniert, stellen auch konventionelle Medikamente unter Beweis: So wird beispielsweise Weißdorn in geringer Dosierung bei Herzkrankheiten verwendet.

Zwar deckt es sich nicht mit den gängigen pharmakologischen Prinzipien, dass auch homöopathische Verdünnungen eine Wirkung entfalten können – wohl aber mit der Grundlagenforschung: Behnke führt an, in über 1.600 Experimenten habe sich gezeigt, dass auch Strahlendetektoren, Kristalle, Mikroorganismen oder Frösche auf ultramolekulare Verdünnungen reagieren. Daraus lasse sich schließen, "dass der Wirkmechanismus homöopathischer Arzneimittel ein anderer sein muss als derjenige konventioneller." Behnke bezeichnet es als unwissenschaftlich, solche Erkenntnisse zu ignorieren – nur weil sie sich nicht mit herkömmlichen Theorien erklären ließen.

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