Schlafattacken mit psychosozialen Folgen

Narkolepsie: Die rätselhafte Schlafkrankheit

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Wer an Narkolepsie leidet, leidet unter wiederkehrenden Schlafattacken – auch in aktiven Alltagssituationen wie beim Essen oder Autofahren. Häufig wird die Schlafkrankheit aufgrund der unspezifischen Symptomatik nicht oder erst sehr spät diagnostiziert.

Frau schläft im Büro
© AntonioGuillem / iStock

Artikelinhalte auf einen Blick:

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Was ist Narkolepsie?

Bei Narkolepsie, auch Schlafkrankheit oder Schlummerkrankheit genannt, ist der Schlaf-Wach-Rhythmus dauerhaft gestört. Die genetisch bedingte, nicht heilbare Erkrankung zeigt sich vor allem durch extreme Tagesschläfrigkeit und Einschlafattacken, denen sich die Betroffenen oft nicht widersetzen können. Narkolepsie ist sehr selten und kann grundsätzlich in jedem Alter auftreten, der Krankheitsgipfel liegt zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. In Europa sind von 10.000 Menschen nur circa zwei bis fünf Personen betroffen, wobei die Dunkelziffer aufgrund der nicht immer einfachen Diagnose entsprechend hoch eingeschätzt wird.

Formen der Narkolepsie

Narkolepsie wird in drei Formen unterteilt:

  • Narkolepsie mit Kataplexie (50 bis 90 Prozent der Fälle): Die häufigste Form der Narkolepsie wird von Kataplexien begleitet. Dabei handelt es sich um Anfälle, bei denen die Muskulatur erschlafft, die Betroffenen aber bei Bewusstsein bleiben.

  • Narkolepsie ohne Kataplexie: Narkolepsie tritt häufig zunächst ohne Kataplexien in Erscheinung, die Betroffenen erleiden aber auch bei dieser Form Schlafattacken. Bei circa 80 Prozent der Narkoleptiker ohne Kataplexien kommen innerhalb von acht Jahren auch kataplektische Symptome hinzu.

  • symptomatische Narkolepsie: Diese sehr seltene Form der Narkolepsie ist meist die Folge einer Hirnschädigung.

Symptome der Schlafkrankheit Narkolepsie

Meist äußert sich der Ausbruch einer Narkolepsie durch schleichende Symptome. Diese können jedoch auch schlagartig auftreten und in ihrer Intensität sehr unterschiedlich ausfallen. Typisch ist vor allem zu Beginn der Erkrankung eine auffallende Tagesschläfrigkeit, die täglich in Erscheinung tritt. Wie bei einer gewöhnlichen Müdigkeit tritt die starke Schläfrigkeit einer Narkolepsie meist in monotonen Situation auf. In vielen Fällen kann sie zunächst durch körperliche und geistige Aktivierung überwunden werden. Betroffene bemerken deshalb eine wesentliche Einschränkung durch die Erkrankung häufig erst in einem stark leistungsorientierten Klima, in dem keine spontane Änderung des Aktivitätslevels möglich ist und dem Verlangen Einzuschlafen nachgegeben werden muss.

In vielen Fällen sind die Einschlafattacken jedoch bereits beim erstmaligen Auftreten der Erkrankung so ausgeprägt, dass ihnen nicht widerstanden werden kann. Selbst in aktiven Situationen wie beim Essen, Sprechen oder Radfahren schlafen die Betroffenen ein. Dadurch entstehen mitunter lebensbedrohliche Situationen, weshalb die Narkolepsie im Alltag schnell zu einer Gefahr für die Betroffenen und ihre Umwelt wird.

Bei Narkolepsien mit Kateplexie gehören kataplektische Anfälle zu den Hauptsymptomen. Die Anfälle sind nicht zu verwechseln mit den Einschlafattacken und sie sind auch nicht an diese gekoppelt. Sie bilden ein eigenes Phänomen speziell von Narkolepsien mit Kataplexie. Dabei kommt es zu einer Erschlaffung der Muskulatur, wobei die Schluck- und Atemmuskulatur verschont bleiben, was Ersticken verhindert. Die Anfälle werden meist durch heftige Gefühle, etwa Freude, Glück oder Überraschung, hervorgerufen und können schnell zu einer Bedrohung werden. Kataplektische Anfälle ähneln epileptischen, doch anders als bei diesen sind Narkoleptiker während der spontanen Muskelerschlaffung immer bei Bewusstsein. Die Anfälle führen bei sehr schwacher Ausprägung häufig nur zu einer verwaschenen Sprache, in schlimmeren Fällen sind Stürze keine Seltenheit. Die Dauer eines kataplektischen Anfalls schwankt von ein paar Sekunden bis zu 30 Minuten.

Diese Symptome können die Schlafkrankheit ebenfalls begleiten: 

  • Hypnagoge Halluzinationen: In Aufwach- und Einschlafphasen nehmen die Betroffenen Halluzinationen wahr;

  • Durchschlafstörungen: Der nächtliche Schlaf wird bei Narkolepsiepatienten durch häufiges Erwachen, an das teilweise lange Phasen der Schlaflosigkeit anschließen, gestört;

  • Schlafparalyse: Bei Einschlaf- und Aufwachphasen sind Narkolepsiepatienten häufig Lähmungen ausgesetzt, die vor allem Bewegungen sowie den sprachlichen Ausdruck behindern;

  • Gewichtszunahme: Vor allem zu Beginn der Erkrankung nehmen einige Betroffene mehrere Kilogramm zu. Als Ursache vermuten Ärzte eine Veränderung in der Regulation des Appetits;

  • Automatisches Verhalten: In Phasen von Schläfrigkeit, in denen auch die Wahrnehmung gestört ist, werden gewöhnliche Handlungen wie Essen oder Schreiben – häufig fehlerhaft – weitergeführt.

Ursachen von Narkolepsie

Ob wir schlafen oder wach sind, bestimmt ein Botenstoff namens Hypocretin. Dieser wird bei gesunden Menschen von speziellen Nervenzellen im Hypothalamus hergestellt. Bei Narkolepsiepatienten mit Kataplexien ist ein Verlust dieser Zellen festzustellen. Als Ursache hierfür wird eine Autoimmunreaktion vermutet, wobei noch unbekannt ist, wodurch diese ausgelöst wird. Durch den Zellverlust ist Hypocretin bei Narkoleptikern nicht in ausreichender Menge vorhanden. Die daraus resultierende Störung der Schlaf-Wach-Regulation erklärt, weshalb Narkolepsiepatienten auch bei Tätigkeiten mit einem relativ hohen Aktivitätslevel einschlafen.

Über die Ursachen einer Narkolepsie ohne Kataplexien ist weit weniger bekannt. Wissenschaftler vermuten aber, dass bei dieser Form der Schlafkrankheit ebenfalls die Produktion des Botenstoffes Hypocretin gestört ist.

Schwierige Diagnose der Narkolepsie

Da die Symptome einer Narkoslepsie sehr unterschiedlich ausgeprägt und häufig unspezifisch sind, ist eine Diagnose nicht immer leicht zu stellen. Bis die Erkrankung erkannt wird, vergehen manchmal Jahre. Auch Fehldiagnosen sind keine Seltenheit. Die extreme Müdigkeit kann viele Ursachen haben, deshalb werden die Symptome in vielen Fällen nicht sofort als Folge einer Erkrankung wahrgenommen. Ist die Schläfrigkeit aber so ausgeprägt, dass sie täglich und über einen Zeitraum von drei Monaten besteht, liegt die Vermutung für eine Erkrankung der Schlaf-Wach-Regulation nahe.

Zunächst vermittelt eine Anamnese – für die es häufig auch sinnvoll ist, Angehörige miteinzubeziehen – ein erstes Bild über die Symptomatik. Auch Schlaftagebücher geben erste Aufschlüsse für mögliche Diagnosen.

Weckt die Anamnese einen Verdacht auf Narkolepsie, werden die Schlafphasen des Patienten eingehend im Schlaflabor beobachtet. Bei einem sogenannten Multiplen Schlaflatenztest (MSLT) wird die Zeit bis zum Einschlafen ermittelt. Diese liegt bei Narkoleptikern meist bei unter acht Minuten, was kürzer als bei gesunden Menschen ist. Außerdem wird im Schlaflabor gemessen, wie häufig und schnell die Patienten in sogenannte SOREM-Perioden kommen. Das sind vorzeitige REM-Phasen, die durch starkes Träumen gekennzeichnet sind und für den Schlaf von Narkolepsiepatienten typisch sind. Vor allem die Diagnose einer Narkolepsie ohne Kataplexie ist meist nur durch eine solche Untersuchung im Schlaflabor möglich. Demgegenüber ist eine Narkolepsie mit kataplektischen Anfällen in der Regel einfacher zu diagnostizieren, da Kataplexien fast ausschließlich bei dieser Erkrankung vorkommen.

Auch genetische Untersuchungen geben Hinweise auf die Schlafkrankheit. Durch eine Magnetresonanztomographie (kurz: MRT) des Kopfes sollte außerdem ausgeschlossen werden, dass andere, mitunter organische Grunderkrankungen Auslöser für die Symptome sind.

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Beeinträchtigung durch Narkolepsie

Zur medikamentösen Einstellung wird der Patient in aller Regel für ein bis drei Wochen krankgeschrieben. Danach ist es Narkolepsiepatienten bei guter Behandlung und einer nicht zu starken Ausprägung der Symptome oft möglich, ihren beruflichen Alltag ganz normal zu bewältigen. Nicht selten aber sind Narkoleptiker durch ihre Schlafattacken so stark eingeschränkt, dass ein Grad der Behinderung von 60 bis 100 Prozent festgestellt wird. Damit kommt es in vielen Fällen zu einer teilweisen bis kompletten Erwerbs- und Arbeitsunfähigkeit.

Häufig führen die Symptome auch zu Störungen im sozialen Umfeld. Vor allem, wenn die Schlafkrankheit noch nicht diagnostiziert wurde und Narkoleptiker deshalb ihre Beeinträchtigung nicht klar kommunizieren können, werden sie von ihren Mitmenschen gelegentlich als faul und desinteressiert eingeschätzt. Narkolepsiepatienten fühlen sich deshalb oft ausgegrenzt, belächelt und nicht ernst genommen.

Einige Patienten werden von der ständigen Angst begleitet, in der Öffentlichkeit einzuschlafen, weshalb sie permanent unter einem starken Druck stehen. Die Betroffenen versuchen dann, sich bestmöglich zu kontrollieren, was auf das Umfeld befremdlich wirken kann. Alle diese Faktoren führen je nach Ausprägung zu großen Einbußen an Lebensqualität und Störungen im sozialen Miteinander. Nicht selten ziehen sich Narkoleptiker deshalb sozial zurück. Der Schlüssel zu einem möglichst befriedigenden Sozialleben liegt in der Kommunikation. Die eigene Offenheit im Umgang mit der Erkrankung stärkt in aller Regel das Verständnis der Mitmenschen. Das hilft vielen Betroffenen dabei, wieder selbstbewusster und aktiver am sozialen Leben teilzunehmen.

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Therapiemöglichkeiten bei Narkolepsie

Die Schlafkrankheit Narkolepsie wird in folgenden Fällen als behandlungswürdig eingestuft: 

  • Wenn die Betroffenen selbst ihre Symptome als Einschränkung empfinden;
  • Wenn eine Beeinträchtigung durch Schlafstörungen besteht; 
  • Wenn die Betroffenen oder ihr Umfeld durch die Symptome – insbesondere im Beruf oder Straßenverkehr – gefährdet sind.

Die Symptome einer Narkolepsie werden in erster Linie medikamentös behandelt. Um der extremen Tagesmüdigkeit und den Einschlafattacken entgegenzuwirken, ist Modafinil meist das Mittel der Wahl. Gegen kataplektische Anfälle werden häufig Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder andere Psychopharmaka – beispielsweise Fluoxetin oder Venlafaxin – verabreicht.

Neben der klassischen medikamentösen Behandlung können die Betroffen selbst durch verhaltenstherapeutische Maßnahmen eine Verbesserung der Symptomatik erzielen:

  • Verzicht auf Alkoholkonsum;
  • Häufiges Essen kleinerer Mahlzeiten;
  • Zur Verbesserung der Konzentration: täglich mehrere Schlafepisoden von fünf-fünfzehn Minuten tagsüber;
  • Um Kataplexien vorzubeugen: Ablenkung und kognitive Intervention;
  • Zur körperlichen Aktivierung: Sport;
  • Austausch in Selbsthilfegruppen.

Narkolepsie bei Tieren

Nicht nur Menschen können an einer Narkolepsie erkranken. Die Schlafkrankheit wird immer öfter auch bei Pferden und Hunden diagnostiziert. Bei Pferden stellt eine besonders stark ausgeprägte Narkolepsie vor allem beim sportlichen Einsatz eine Gefahr für Tier und Reiter dar, weshalb betroffene Tiere meist frühzeitig pensioniert werden müssen. Bei Hunden äußert sich eine Narkolepsie primär durch Kataplexien, zu deren Behandlung in erster Linie Antidepressiva eingesetzt werden.

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