Medizin-Mythos der Woche (10)

Heilen Wunden an der Luft besser?

Die Frage entzweite schon Generationen von Eltern: Gehört ein Pflaster auf das verschrammte Knie oder heilen Wunden sowieso schneller an der Luft? Kommt ganz darauf an, sagt Lifeline-Experte Oliver Mainusch.

zerkratztes Knie_tetanus
© iStock.com/Erik Tham

Dass Wunden an der Luft viel schneller heilen als unter dem Pflaster, davon sind viele überzeugt. Bis vor kurzem erteilten Fachleute den Pflastergegnern aber einhellig eine Absage: Eine unbedeckte Wunde trockne aus, die zur Heilung notwendige Feuchtigkeit gebe es nur unter dem Pflaster. Davon war schon der britische Biologe George Winter überzeugt. Er experimentierte 1962 an Schweinen, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Pflaster gibt es sogar noch länger, sie werden schon mehr als hundert Jahre lang industriell hergestellt.

Im Überblick:

So beschleunigen Sie die Wundheilung

Kleine Wunden besser nicht verpflastern

Heutige Wissenschaftler sehen das differenzierter, erklärt Lifeline-Experte und Dermatologe Oliver Mainusch. Was die richtige Wundbehandlung angeht, „ist sich die Fachwelt aber immer noch nicht ganz einig“, so der Hautspezialist. Dank einiger Studien setze sich aber die Theorie durch, dass kleinere Wunden besser an der Luft heilen sollten – „mit Betonung auf ‚kleinere‘!“, sagt er.

Die Wundheilung verlaufe in drei Phasen, zu jeder gebe es die richtige Behandlung. "Im Fall kleiner Wunden kann man diese Phasen aber vernachlässigen", sagt Hautarzt Mainusch. Nach sechs Wochen sei die Wundheilung abgeschlossen, "Ausnahmen bilden chronische Wundverläufe".

Einige Krankenhäuser versorgen selbst größere OP-Wunden offen, also ohne Wundauflage oder Verband. „Spezielle Pflaster können die Wunde aber zunächst stabilisieren, was zum Beispiel Klammernahtpflaster leisten“, sagt der Lifeline-Experte. Wenn die Verletzung im Anschluss ohne Pflaster versorgt werde, könne sie durchaus schneller heilen. Denn der Pflasterwechsel reizt die Wunde immer von neuem und steht so der Heilung im Weg.

Pflaster als Infektionsschutz in Jobs mit Hygiene-Standard

In manchen Fällen ist trotzdem ein Pflaster angesagt. Zum Beispiel, wenn die verletzte Person schmutzige Arbeiten verrichtet oder in der Gastronomie tätig ist, rät Mainusch. Dann nämlich diene die Wundauflage dem eigenen Schutz, der Sicherheit anderer oder beidem. Denn Pflaster und andere Wundauflagen sorgen nicht nur für ein feuchtes Milieu, sondern bilden zudem eine mechanische Barriere gegen Viren und Bakterien.

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Wundreinigung mit Spucke, Urin oder spezieller Desinfektionslösung

Damit solche nicht in der Wunde verbleiben, gibt es einige Möglichkeiten, eine Wunde zu säubern. Ist zum Beispiel beim Sturz auf der Aschebahn makroskopisch sichtbarer Schmutz hineingeraten, lassen sich die Schmutzpartikel – zumindest in Deutschland – problemlos mit Leitungswasser abpülen. „Um eine Wunde zu reinigen, kann man sie auch ablecken oder sogar darauf urinieren – denn Urin ist steril“, erklärt Oliver Mainusch.

„In Deutschland sterben immer noch Menschen an Tetanus"

Professioneller als Wasser, Urin und Spucke sind spezielle Lösungen zur Wunddesinfektion. Zu ihnen rät der Lifeline-Experte, „falls Sie diese zur Hand haben.“ Denn die Sprays funktionieren zuverlässiger als Wasser oder die Körperflüssigkeiten. Allerdings reagierten einige Menschen auf Jod stark allergisch. „In jedem Fall sollten Sie die Wunde desinfizieren und an den Tetanusschutz denken, gegebenenfalls die Tetanusimpfung auffrischen“, rät Oliver Mainusch – „in Deutschland sterben immer noch Menschen an Tetanus-Infektionen.“

Narbenbildung lässt sich nicht komplett verhindern

Die anschließende Wundheilung ist stark von der Schädigung der Haut abhängig. "Während oberflächliche Schürfwunden narbenfrei abheilen, ist die Heilung tiefer Verletzungen immer mit Narbenbildung verbunden", erklärt Mainusch. Um unschönen Narben vorzubeugen, empfiehlt der Hautspezialist Mittel zur äußerlichen Anwendung – allerdings erst, wenn die Wundheilung abgeschlossen ist, also frühestens nach sechs Wochen. „Narbenbildung ist von vielen Faktoren abhängig, unter anderem genetisch bedingt und ortsabhängig“, sagt Mainusch.

Juckreiz um die Wunde ist ein gutes Zeichen

Übrigens: Ein anderer Gemeinplatz, der oft nach kleinen Schnitt- oder Rasierverletzungen bemüht wird, ist wahr: „Wenn die Wunde juckt, dann heilt sie.“ Wunden beginnen zu jucken, wenn sich Reparaturmaterial rund um die Hautverletzung sammelt. Die Stelle verschorft und heilt meist ohne Narbe ab. Es sei denn natürlich, man gibt dem Juckreiz nach und öffnet die Wunde wieder. Davon raten Mediziner dringend ab: Durch das Aufkratzen haben Bakterien wiederum leichtes Spiel, die Wunde kann sich mit etwas Pech böse entzünden.

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