Dekubitus: Maßnahmen gegen Druckgeschwüre
Bei Dekubitus handelt es sich um Geschwüre, die vermehrt in Verbindung mit Krankheiten und Pflegebedürftigkeit entstehen. Sie kommen häufig vor, können für Betroffene sehr belastend sein und starke Schmerzen verursachen.
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Schätzungen zufolge leiden mehr als 400.000 Menschen in Deutschland jährlich an Dekubitus, die Dunkelziffer könnte weitaus höher liegen. Unter Dekubitus-Patienten fallen besonders alte Menschen, Kranke und Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Studien haben ergeben, dass die meisten in Pflege- und Altenheimen untergebracht sind. Aber auch in der ambulanten Pflege und bei Menschen, die zu Hause von Angehörigen gepflegt werden ist Dekubitus ein bekanntes Problem.
Artikelinhalt im Überblick:
Dekubitus: Einteilung in Grade
Dekubitus ist der Fachbegriff für lokal begrenze Schädigungen der Haut, die das darunterliegende Gewebe in Mitleidenschaft ziehen. Die bei Dekubitus entstehenden Druckgeschwüre sind die Folge einer verminderten Hautdurchblutung. Diese ergibt sich, wenn über längere Zeit weiches Gewebe an derselben Körperstelle zwischen Knochen oder harten Gegenständen von außen verformt werden. Häufig geschieht dies beim Sitzen oder Liegen.
Für gewöhnlich wird Dekubitus nach der ICD-10 Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in vier Grade oder Stadien unterschieden, was dem Standard des Sozialgesetzbuch 5 (Gesetzliche Krankenversicherung) entspricht:
Stadium oder Grad 1: Diagnose durch Fingertest bei intakter Haut. Rötung lässt sich nicht wegdrücken
Stadium oder Grad 2: Erkennbares Geschwür mit möglichem Hautverlust, es kann eine Abschürfung oder Blase entstehen
Stadium oder Grad 3: Verlust aller Hautschichten mit möglichen Schädigungen des darunter liegenden Gewebes
Stadium oderGrad 4: Verlust aller Hautschichten, Zerstörung des Gewebes, sogar Schädigungen von Muskeln, Knochen oder Sehnen
Was ist Dekubitus?
Andere Begriffe für Dekubitus sind Geschwür, Druckgeschwür und Wundliegegeschwür. Bei Dekubitalulzera werden die Wunden als chronisch eingestuft. Das Betrifft bettlägerige Patienten oder im Rollstuhl sitzende Menschen besonders häufig. Wenn nach 4-12 Wochen fachgerechter Therapie keine Besserung erkennbar ist, sprechen Experten von chronischen Wunden.
Ist das Druckgeschwür besonders ausgeprägt, besteht die Gefahr einer Infektion. Denn die offene Wunde ist regelrecht eine Eintrittspforte für Keime. Wird eine Wunde nicht behandelt, stirbt das Gewebe ab. Je nach Lage sind bestimmte Körperteile besonders häufig betroffen. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Haut- und Geweberegionen, die direkt über knöchernen Fortsätzen liegen. Hier befindet sich wenig Muskulatur oder Fett.
Besonders gefährdete Stellen
In Rückenlage:
- Hinterkopf
- Schulterblätter
- Ellenbogen
- Kreuzbein
- Wade
- Ferse
- Zehenspitzen
In Seitenlage:
- Ohrmuschel
- Schläfen
- Schultergelenk
- Beckenkamm
- Großer Rollhügel
- Knie außen
- Knöchel außen
- Zehe
Im Sitzen
- Steißbein
- Ferse
- Dornfortsätze der Wirbelsäule
- Oberschenkel
Egal an welcher Körperstelle, Dekubitus beginnt immer mit einer geröteten Hautstelle und kann sich im Verlauf zu einer offenen Wunde entwickeln. Dieser Verlauf kann in Grade oder Klassifikationen eingeteilt werden.
Wie kommt es zum Dekubitus?
Dekubitus entsteht, wenn über einen längeren Zeitraum Druck auf ein Hautareal ausgeübt wird. Zudem spielen Scherkräfte bei längerer Dauer des Aufliegens und eine schlechte gesundheitliche Verfassung des Patienten eine tragende Rolle. Scherkräfte wirken, wenn sich Haut- und Gewebeschichten in Relation zueinander verschieben. Es kann zwischen äußeren und inneren Risikofaktoren für ein Dekubitusgeschwür unterschieden werden.
Risikofaktoren für Wundliegen
Äußere Faktoren entstehen durch das Mitwirken von anderen Personen oder Gegenständen:
- Druck
- Scherkräfte
- Reibung
- Feuchtigkeit
- Falsche Lagerung des Patienten
- Mangelnde Hygiene
- Schlechte Hebe-Lagerungs- und Mobilisierungstechniken
- Harte Auflageflächen
- Angebrachte Verbände
- Medikamente
Innere Risikofaktoren gehen vom Patienten selbst aus:
- Hohes Alter
- Gewicht (Über- und Untergewicht) und Körperbau
- Vorerkrankungen und akute Erkrankungen wie Lähmungen
- Begleiterkrankungen wie Inkontinenz, Infektionen oder Diabetes mellitus
- Eingeschränkte Mobilität
- Schlechte Ernährung und Flüssigkeitsmangel
- Schlechter Allgemeinzustand und seelische Verfassung
- Medikamente
Diagnose von Druckgeschwüren
Die Diagnose von Dekubitus ist nicht ganz einfach. Oft kann sie nur vage getroffen werden, besonders für das Stadium I und II. Liegt eine Schädigung von Haut und Gewebe vor, die wie ein Druckgeschwür aussieht, muss es sich nicht unbedingt um Dekubitus handeln. Erst wenn die Ursache eine starke Druckeinwirkung ist, sprechen Experten von Druckgeschwüren.
Neben der Wundanamnese muss der Arzt auch eine allgemeine Anamnese durchführen. Dabei geht es um die vorliegende Grunderkrankung oder Begleiterkrankungen des Patienten. Er muss einschätzen, wie hoch sein Risiko auf Dekubitus ist, wie er sich ernährt, welche Medikamente er zu sich nimmt und erfragen, wie schmerzhaft die Wunde für den Betroffenen ist.
Behandlung: Richtig Lagern ist wichtig
Die Behandlung von Druckgeschwüren kann aufwendig, langwierig und kostenintensiv sein. Bei Dekubitus der Stufe I können angehörige pflegende Personen helfen und lindernde Maßnahmen ergreifen. Ab dem zweiten Stadium dürfen nur noch Fachkräfte behandeln. Darüber hinaus ist entscheidend, welche Körperstelle betroffen ist. Ein Druckgeschwür an der Ferse beispielsweise ist einfacher zu behandeln, als ein Geschwür am Kreuz oder Gesäß. Bei Grad I reichen häufig eine Druckentlastung und die Mithilfe von pflegenden Personen im Haushalt. Bei Grad II, III und IV kommen zur Druckentlastung noch das Reinigen der Wunde und Entfernen von abgestorbenem Gewebe.
Zusätzlich sind abhängig von der Ausprägung des Dekubitus ein professionelles Wundmanagement und Schmerztherapie nötig. Dazu gehören je nach Dekubitus-Grad:
Grad 1: Druckentlastung plus Hautpflege mit Pflegemitteln auf Basis von Wasser-Öl-Emulsionen
Grad 2: Wunde spülen mit speziellen Lösungen, abdecken mit Hydrokolloidverband (feuchte, fest abschließende Wundauflage), eventuell Antibiotikatherapie
Grad 3: Je nach Wundausprägung trockene oder feuchte Wundversorgung, eventuell Behandlung mit Antibiotika
Grad 4: chirurgische Entfernung von Nekrosen, falls möglich Hauttransplantation, Wunddrainage, spezielle Verbände
Mobilisation und richtige Lagerung sind nötig, um Hautareale und Gewebe bewusst zu be- und entlasten. Dabei muss jede Lagerung individuell gewählt werden – nach Kategorie des Geschwürs, Allgemeinzustand und Mobilität des Patienten. Soweit es der gesundheitliche Zustand von Patienten erlaubt, sollten sie zu Bewegung, zum Stehen und Laufen animiert werden. Ist das nicht möglich können verschiedene Lagerungstechniken Abhilfe schaffen. Dabei sollten feste Zeitintervalle beim Wechseln eingehalten werden, etwa alle zwei Stunden. Alle Techniken sollten leitliniengerecht durchgeführt werden:
Mikrolagerung: Abwechselnd (zum Beispiel im Uhrzeigersinn) werden Hinterkopf, Schulter, Hüfte, Knie und Ferse mit einem Kissen, Decken oder Handtüchern entlastet, damit eine Schwerpunktverlagerung des Drucks erfolgt.
30 Grad Lagerung/Schräglagerung: minimiert bestmöglich Druckstellen indem die Auflagefläche des Körpers vergrößert wird. 90 Grad Lagerung ist veraltet und wird laut Leitlinie nicht empfohlen.
- 135 Grad Lagerung: Dient zur Druckentlastung am Rücken, Kreuzbein und Ferse. Eine Alternative der Bauchlage.
Dekubitus vorbeugen: Matratze, Mobilisation und Hautpflege
Bettlägerigkeit ist ein großer Risikofaktor für Dekubitus. Somit sollten Patienten in dieser Situation präventiv regelmäßig bewegt werden. Dekubitus-Matratzen oder Antidekubitus-Matratzen finden besonders in der Intensivmedizin, Altenpflege und häuslichen Pflege Verwendung. Bei Rückenlage oder Seitenlage werden so Druckverteilung und Liege-Eigenschaften individuell angepasst. Zu den unterschiedlichen Systemen gehören
Weichlagerungssysteme: Sind besonders weiche Gelauflagen Schaumstoffmatratzen oder Luftkissen, die die Auflagenfläche des Körpers vergrößern und damit den Druck auf einzelne Körperstellen vermindern.
Wechseldrucksysteme: Matratzen mit Luftkammern, die abwechselnd per Kompressor mit Luft gefüllt werden.
Micro-Stimulations-Systeme: Matratzen, bei denen die Federn z. B. auf die Atembewegungen des Liegenden reagieren. Dadurch können Schmerzen gemindert und die sensible Wahrnehmung gefördert werden.
Mit der Anti-Dekubitus Matratze muss der Patient trotzdem umgelagert werden. Der Vorteil ist, dass das Lagerungsintervall verlängert werden kann.
Wundverbände bei Dekubitus
Moderne Wundverbände tragen ebenso zur schnelleren Heilung des Geschwürs bei. Pflaster sollten ein feuchtes Klima auf der Wunde fördern und sie nicht austrocknen. Watteverbände oder für andere Wunden häufig verwendete Mullkompressen sind für Dekubitus-Wunden absolut ungeeignet. Sie saugen Blut und Sekret auf, wachsen in die Wunde, trocknen ein und verkleben mit dem Gewebe. Beim Entfernen des Verbands können Verletzungen entstehen. Zudem können Teile des Verbands in der Wunde verbleiben und sie weiter verunreinigen. Die Auswahl des Verbandsmaterials richtet sich nach der Phase des Dekubitus.
Sanfte Hautpflege ohne Rubbeln und Reiben
Zur Hautpflege von pflegebedürftigen Personen eignen sich vor allem Produkte auf Basis einer Wasser-in-Öl-Emulsion. Pflegemittel für Dekubituspatienten sollten ph-neutal und parfumfrei sein.
Das Einreiben mit aggressiven, alkoholhaltigen Hautpflegeprodukten ist nach neuesten Pflegemaßstäben weniger sinnvoll. Sie können die Haut austrocknen. Allerdings spielt Hautpflege eine kleinere Rolle, als allgemein vermittelt wird, weiß Norbert Matscheko. "Sicher ist geeignete Hautpflege wichtig. Wenn der Druck kommt, nutzt jedoch auch die beste nichts", stellt der Dekubitusexperte fest.
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