Die größten Irrtümer über Zahnpflege und -gesundheit
In Sachen Mundhygiene kursieren zahlreiche Irrtümer. Dr. med. dent. Jochen H. Schmidt, leitender Zahnarzt und Implantologe des Carree Dental in Köln, nennt die hartnäckigsten Fehlinformationen aus jahrelanger Praxis.
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Schrubben reinigt die Zähne gründlich.
Dr. med. dent. Jochen H. Schmidt: "Falsch. Starkes 'Schrubben' schadet eher: Das Zahnfleisch schwindet und das Zahnbein wird zusätzlich abgetragen, was wiederum offene Kanälchen zur Folge hat. Viel besser ist es, die Zähne sanft und kreisförmig zu putzen. Gut sind elektrische Zahnbürsten mit Druckkontrolle."
Bei Karies muss immer gebohrt werden.
J.H.S.: "Stimmt nicht. Immer mehr Zahnärzte empfehlen vor allem Angstpatienten und Kindern die Infiltrations-Methode als sanfte Alternative zum Bohrer. Hierbei wird die kariöse Stelle mit einem Ätzgel aufgeraut, dann mit einem farblosen Kunststoff-Gel aufgefüllt und versiegelt. Geeignet ist dieses Verfahren jedoch nur bei leichter Karies ."
Parodontitis schadet nur den Zähnen.
J.H.S.: "Mitnichten. Werden die Zähne schlecht geputzt, so vermehren sich die Bakterien im Mundraum explosionsartig und es kann zu Zahnfleischentzündungen und Parodontitis (Parodontose) kommen. Über die Entzündungsherde im Zahnfleisch können die Keime zudem in die Blutbahn gelangen und so schlimmstenfalls Gefäßverkalkungen und Herzinfarkte verursachen. Deshalb ist eine regelmäßige Pflege so wichtig."
Regelmäßiges Zähneputzen schützt perfekt.
J.H.S.: "Keineswegs. Mit einer Zahnbürste reinige ich nur etwa Dreiviertel der Zahnoberfläche. In die Zahnzwischenräume, wo oft Karies entsteht, gelange ich mit der Zahnbürste gar nicht. Deshalb ist Zahnseide unverzichtbar. Und das nicht nur abends vor dem Schlafengehen, sondern am besten nach jeder Mahlzeit."
Zähneknirschen ist eine Bagatelle.
J.H.S.: "Keineswegs. Auf die Zähne und Kiefergelenke wirken bei diesem Vorgang Kräfte ein, die das Zehnfache des normalen Kaudrucks erreichen können – über 100 Kilogramm pro Quadratzentimeter. Dieser enorme Druck schadet den Zähnen. Entzündungen der Kiefergelenke, Kopf- oder Nackenschmerzen sind mögliche Folgen. Kunststoffschienen, die nachts getragen werden, können hier helfen."
Es geht nicht ohne unangenehmen Löffelabdruck.
J.H.S.: "Falsch, in vielen Fällen kann der klassische Löffelabdruck, auf den viele Patienten mit Würgereizen reagieren, durch neuartige Oralscanner ersetzt werden: In wenigen Minuten liefern sie digitale Aufnahmen von den betroffenen Zähnen (bei Implantaten oder Teilprothesen geht es nach wie vor leider nicht ganz ohne den klassischen Abdruck)."
Schöne weiße Zähne bekommt man durch Spezial-Zahncremes.
J.H.S.: "Mit speziellen Zahncremes lassen sich Flecken von Kaffee oder Tee zwar oberflächlich entfernen, der Farbton kann aber nicht verändert werden. Grundsätzlich ist Vorsicht geboten: Haben die Pasten einen RDA-Wert (dieser gibt die Abrasionsstärke an) von über 100, so wirken sie wie Schleifpapier. Nur ein professionelles Bleaching macht Zähne mit Sicherheit weißer - zumindest für einige Jahre."
Ein Apfel ersetzt das Zähneputzen.
J.H.S.: "Stimmt nicht. Äpfel sind zwar wegen ihres hohen Vitamin C-Gehalts und der Mineralstoffe gesund. Aber bei der Zahnreinigung wirken sie allenfalls oberflächlich."
Karies ist vererbbar.
J.H.S.: "Falsch. Karies ist nicht genetisch bedingt, sondern eine Infektionskrankheit. Deshalb sollten Eltern niemals den Löffel ihres Babys ablecken und ihre Zähne gründlich reinigen. Das schützt den Nachwuchs vor Ansteckung – und verhindert eine frühzeitige Karieserkrankung der nächsten Generation."
Nach dem Essen 30 Minuten mit dem Zähneputzen warten
J.H.S.: "Diese gängige zahnmedizinische Empfehlung ist inzwischen überholt. Aufgrund des aktuellen Forschungsstandes raten Zahnärztekammern und Fachgesellschaften nunmehr auch nach dem Verzehr säurehaltiger Speisen zum sofortigen Zähneputzen. Um Karies vorzubeugen, sollte also mit der Zahnreinigung nicht mehr 30 Minuten gewartet werden, wie es zuvor von Experten in der Regel publiziert wurde."
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