Vergiftungen und Verätzungen: Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten
Eine Vergiftung (auch Intoxikation oder Überdosierung) tritt auf, wenn ein Mensch zu große Mengen einer schädlichen Substanz aufnimmt. Werden dabei Haut oder Schleimhäute verletzt, spricht man von einer Verätzung. Typischerweise wird das Gift eingeatmet, geschluckt, gespritzt oder über die Haut aufgenommen.
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Vergiftungen und Verätzungen können Menschen jeden Alters betreffen, am häufigsten kommen sie jedoch bei Kindern im Alter zwischen zehn Monaten und fünf Jahren vor. Mit der zunehmenden Beweglichkeit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, mit giftigen oder ätzenden Substanzen in Kontakt zu kommen. In Deutschland müssen etwa 20.000 Kinder pro Jahr deswegen ärztlich behandelt werden, 20 bis 40 von ihnen sterben. Krankenhauspatienten und Industriearbeiter sind ebenfalls besonders häufig betroffen – in diesem Fall sind meist Medikamentenfehler bzw. Chemikalien dafür verantwortlich.
Artikelinhalte im Überblick:
- Ursachen: Was löst eine Vergiftung oder Verätzung aus?
- Symptome: Wie äußert sich eine Vergiftung oder Verätzung?
- Wie lässt sich eine Vergiftung nachweisen?
- Was tun bei einer Vergiftung oder Verätzung?
- Vorbeugung: Wie lässt sich eine Vergiftung verhindern?
Ursachen: Was löst eine Vergiftung oder Verätzung aus?
Prinzipiell wird zwischen einer akuten und einer chronischen Vergiftung unterschieden. Eine chronische Vergiftung entsteht durch den dauerhaften Kontakt mit gefährlichen Stoffen (wie beispielsweise Umweltchemikalien oder Nahrungsgifte) oder durch die andauernde Überdosierung von Medikamenten. Auch der regelmäßige Konsum von Alkohol oder Zigaretten sowie das dauernde Einatmen von Feinstaub kann zu einer schleichenden Vergiftung führen.
Eine akute Vergiftung entsteht entweder durch die versehentliche Aufnahme von Giftstoffen oder durch den beabsichtigten Konsum von Giften, Medikamenten oder Drogen zum Zwecke der Bewusstseinsveränderung oder des Selbstmords. Mögliche Auslöser für eine Vergiftung können dabei sein:
Medikamente (vor allem Schmerz- und Schlafmittel)
Drogen (Marihuana, Heroin, Kokain, Methamphetamine)
Lebensmittel und die darin enthaltenen Krankheitserreger (wie Salmonellen, Campylobacter oder Staphylokokken)
giftige Pflanzen und Pilze
Putz- und Waschmittel
Pflanzenschutz- und Unkrautvernichtungsmittel
Kosmetika (Haarfestiger, Nagellackentferner, Parfüm)
Motoröl und Benzin
Metalle wie Blei und Quecksilber
Batterien
Baustoffe (Kalk, Mörtel, Beton, Estrich)
Kohlenmonoxid (aus Kaminen oder Gasthermen)
Grundsätzlich kann jede Substanz giftig für den Menschen sein, wenn sie in zu großer Menge eingenommen wird.
Symptome: Wie äußert sich eine Vergiftung oder Verätzung?
Nicht alle Vergiftungserscheinungen zeigen sich sofort nach der Aufnahme der schädlichen Substanz – oft treten die Symptome einer Vergiftung erst nach und nach oder sogar Jahre später auf. Einige Gifte verursachen innerhalb von Sekunden schwere Schäden, andere lösen kaum Symptome aus, bis lebenswichtige Organe – wie die Leber oder die Nieren – geschädigt sind. Abhängig von der aufgenommenen Giftmenge und der Art des Kontaktes können folgende Anzeichen auf eine Vergiftung hinweisen:
vergrößerte oder verkleinerte Pupillen
erhöhter Speichelfluss oder trockener Mund
verlangsamte oder beschleunigte Atmung
beschleunigter oder verlangsamter Herzschlag
Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall
Schläfrigkeit oder Hyperaktivität
Verwirrtheit
schleppende Sprache
unkoordinierte Bewegungen, Probleme beim Gehen
Zittern oder Krämpfe
Sehverlust
Probleme beim Wasserlassen
Verlust der Kontrolle über Blasen- und Darmfunktion
chemisch riechender Atem
spontane Blutungen
Rötung oder Verbrennungen der Lippen
Flecken auf oder Verätzungen an der betroffenen Person, ihrer Kleidung, dem Boden
Bewusstlosigkeit
Wie lässt sich eine Vergiftung nachweisen?
Liegen die typischen Symptome einer Vergiftung vor, verschafft ein Blut- oder Urintest Sicherheit: Fast alle Gifte lassen sich so nachweisen. In einigen Fällen kann der Auslöser für die Vergiftung auch mit einem Röntgenbild gefunden werden: Batterien, Magnete, Arsen, Blei und andere Metalle sind so eindeutig zu erkennen. Ebenfalls wichtig sind die Informationen durch den Betroffenen selbst, seine Angehörigen oder Kollegen. Eine genaue Inspektion der Umgebung kann wertvolle Hinweise auf die aufgenommenen Substanzen – und damit für die Therapie – geben: Liegen Chemikalienverpackungen, Medikamente oder Tablettenschachteln herum? Welche – möglicherweise giftigen – Pflanzen befinden sich im Raum? Sind Chemikalienspuren auf der Kleidung des Betroffenen oder auf dem Boden festzustellen? Medikamentenreste, Pflanzenteile und Erbrochenes sollten auf jeden Fall mit zum Arzt oder ins Krankenhaus genommen werden, um das aufgenommene Gift möglichst schnell identifizieren zu können.
Was tun bei einer Vergiftung oder Verätzung?
Da eine Vergiftung potentiell lebensbedrohlich ist, ist schnelle Hilfe erforderlich. Je früher die Symptome eine Intoxikation erkannt und behandelt werden, desto besser sind die Heilungschancen. Die regionalen Giftnotrufzentralen helfen rund um die Uhr telefonisch weiter, falls eine Person eine potenziell giftige Substanz zu sich genommen hat, aber keine Anzeichen einer Vergiftung zeigt. Die kostenlose App „Vergiftungsunfälle bei Kindern“ liefert Informationen zu Chemikalien, Medikamenten und Pflanzen, die Vergiftungsunfälle bei Kindern verursachen können. Im Notfall kann direkt aus der App ein für das jeweilige Bundesland zuständiges Giftinformationszentrum angerufen werden. Zeigt die betroffene Person typische Symptome einer Vergiftung, sollte unbedingt der Notruf 112 gewählt werden. Erste Maßnahmen lassen sich jedoch bereits vor dem Eintreffen eines Arztes oder dem Erreichen des Krankenhauses unternehmen:
Erste Hilfe bei Vergiftungen und Verätzungen
Ist die Person bewusstlos, sind zunächst klassische Erste-Hilfe-Maßnahmen wie Stabile Seitenlage und Mund-zu-Mund-Beatmung durchzuführen. Im nächsten Schritt gilt es, den Einfluss des Giftes auf den Betroffenen zu minimieren:
Wenn das Gift eingeatmet wurde, sollte der Person frische Luft zugeführt werden.
Befindet sich das Gift auf der Haut, sollte sämtliche Kleidung entfernt werden, die damit in Kontakt gekommen ist. Danach sollte 15 bis 20 Minuten lang frisches Wasser über die betroffenen Hautstellen laufen. Für den Helfenden gilt es dabei, jeden Kontakt mit der Substanz zu vermeiden.
Auch wenn das Gift in die Augen gelangt ist, ist eine 15- bis 20-minütige Spülung mit klarem Wasser angeraten.
Wurden ätzende oder schäumende Substanzen verschluckt, sollte auf keinen Fall Erbrechen herbeigeführt werden. Das Trinken von Wasser oder Tee in kleinen Schlucken entfernt die Substanz aus Speiseröhre und Magen.
Die Gabe von Milch kann die Aufnahme des Giftes in den Körper beschleunigen und sollte daher unterlassen werden.
Ärztliche Hilfe bei Vergiftungen und Verätzungen
Abhängig von der Art der Vergiftung und der auslösenden Substanz unterstützen Ärzte die Betroffenen dabei, das Gift aus dem Körper zu entfernen oder eine weitere Aufnahme zu unterbinden. Dazu wird unter Umständen eine Magenspülung vorgenommen und anschließend Aktivkohle oder ein Abführmittel verabreicht. Betroffene Haut und Augen werden ausgiebig mit Wasser gespült. Für einige Gifte gibt es zudem hochwirksame Gegengifte. In seltenen Fällen sind Blutreinigungsverfahren notwendig. Wurde die Vergiftung durch einen Selbstmordversuch ausgelöst, wird der Betroffene nach der körperlichen Genesung üblicherweise in psychotherapeutische Behandlung überwiesen.
Vorbeugung: Wie lässt sich eine Vergiftung verhindern?
Der beste Schutz vor Vergiftungen ist der Schutz vor den Giften selbst. Mit folgenden Sicherheitsmaßnahmen lassen sich die größten Gefahrenquellen ausschalten:
Schutz vor Vergiftungen durch Medikamente
Medikamente sollte immer wie vom Arzt verschrieben eingenommen werden – so wird eine Überdosierung verhindert.
Arzneimittel wirken nicht bei jedem Menschen gleich und sollten daher nicht weitergegeben werden.
Im Haus gehören Medikamente außerhalb der Reichweite von Kindern.
Auch wenn die Arzneimittel mehrmals am Tag eingenommen werden müssen: Zwischendurch gehören sie immer zurück an ihren sicheren Platz.
Die Einnahme von Arzneimitteln in Dunkeln erhöht das Risiko einer Verwechslung.
Abgelaufene Medikamente sollten schnellstmöglich entsorgt werden.
Schutz vor Lebensmittelvergiftungen
Speisen sollten immer mit gewaschenen Händen zubereitet werden. Nach jedem Kontakt mit rohem Fleisch sollten Hände und Kochutensilien erneut gereinigt werden.
Rindfleisch sollte auf mindestens 71 Grad Celsius erhitzt werden, Geflügel auf 74 Grad und Fisch auf 63 Grad. Ein Thermometer hilft bei der Kontrolle.
Reste gehören innerhalb von maximal zwei Stunden in den Kühlschrank oder die Gefriertruhe.
Abgelaufene Lebensmittel oder Zutaten in beschädigten Verpackungen sollten nicht konsumiert werden.
Das Sammeln von Pilzen gehört in die Hände von echten Experten.
Was ungewöhnlich riecht oder schmeckt, gehört in den Müll.
Speisen und Getränke im Ausland sollte ab- oder durchgekocht sein.
Schutz vor Vergiftungen im Haushalt
Giftige Pflanzen gehören in keinen Haushalt mit Kindern.
Putz- und Reinigungsmittel sollten für Kinder unerreichbar aufbewahrt werden.
Beim Mischen verschiedener Reinigungsmittel miteinander können gefährliche Gase entstehen.
Chemikalien gehören ausschließlich in das ursprünglich dafür bestimmte Behältnis – Wasserflaschen und andere Aufbewahrungsgefäße führen leicht zu Verwechslungen.
Ein Ventilator oder geöffnete Fenster reduzieren das Vergiftungsrisiko durch eingeatmete Dämpfe von Haushaltschemikalien oder Lacken.
Herumliegende Zigarettenstummel und Alkoholflaschen sind für Kinder verlockend – die darin enthaltenen Stoffe sind für sie jedoch schon in kleinen Mengen sehr gefährlich.
Mehr als 40 Jahre alte Möbel oder Spielzeuge gehören nicht in einen Haushalt mit Kindern: Möglicherweise sind sie mit bleihaltiger Farbe oder Beschichtung behandelt.
Fernbedienungen, Autoschlüssel und Musik-Grußkarten gehören nicht in die Hände von Kindern – die darin enthaltenden Batterien können verschluckt werden und sind hochgiftig.
Kohlenmonoxid-Detektoren schützen in Haushalten mit Gasthemen oder Kaminanlage vor einer Vergiftung mit dem geruchslosen Gas.
Wer sein Wasser aus einem Brunnen bezieht, sollte die Wasserqualität regelmäßig prüfen lassen. Bleirohre im Haus bergen das Risiko einer schleichenden Bleivergiftung.
Auch wenn es nur kurz an der Tür klingelt oder das Handy ablenkt: Gefährliche Stoffe dürfen in der Gegenwart von Kindern niemals unbeaufsichtigt bleiben.
Eine offene Kommunikation über die Risiken unkontrollierten Alkoholkonsums kann die Wahrscheinlichkeit von Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen reduzieren.
Schutz vor Vergiftungen in der Freizeit
Beim Arbeiten mit giftigen Stoffen wie Pflanzenschutzmitteln ist das Tragen einer entsprechenden Schutzkleidung angeraten.
Beim Mischen und Anrühren von Baustoffen, bei Abriss- oder Stemmarbeiten und vor allem bei Überkopfarbeiten sollten Schutzbrillen, bei staubigen Arbeiten außerdem Masken getragen werden.
Arbeitshandschuhe sollten nicht aus Leder sein, weil diese leicht nass werden und dann Verätzungen fördern. Baumwollhandschuhe mit Kunststoffüberzug (Nitril) sind besser geeignet. Stulpenhandschuhe verhindern bei Überkopfarbeiten das Eindringen von Feuchtigkeit in die Kleidung.
Weitere Informationen zur Unfallvermeidung gibt die kostenlose App „Vergiftungsunfälle bei Kindern“ (für iOS und Android). Im Notfall ist über diese App auch jederzeit das regionale Giftinformationszentrum erreichbar.
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