Therapiefreiheit ist für moderne Medizin wichtig
Im Rahmen der medizinischen Behandlung gibt es in Deutschland die Therapiefreiheit. Neben der konventionellen Medizin können Patienten komplementäre Medizin wie Homöopathie in Anspruch nehmen. Warum das so wichtig ist, erklärt Dr. Michaela Geiger im Interview.
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In Deutschland herrscht Therapiefreiheit, das heißt, jede*r Ärztin*Arzt kann bei der Wahl der Behandlung seiner Patienten frei wählen. Auf der anderen Seite haben Patienten im Sinne des Selbstbestimmungsrechts die freie Entscheidung über die ärztliche Behandlung, der sie sich unterziehen möchten.
Für viele Menschen gehört zur Therapiefreiheit auch die Behandlung mit Homöopathie. Laut einer repräsentativen forsa-Umfrage im Februar 2020 gaben 55 Prozent der 2.006 befragten Personen an, homöopathische Arzneimittel als Therapieform zu nutzen. Auch die Hausärztin und Erste Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, Dr. Michaela Geiger sieht diese Entwicklung: Die Nachfrage in ihrer Praxis sei anhaltend hoch, viele Menschen kommen mit der Frage "Was kann ich selbst tun?"
Interview mit Dr. Michaela Geiger
Warum die Themen Therapiefreiheit sowie Entscheidungs- und Wahlfreiheit im Zuge der medizinischen Behandlung so wichtig sind, darüber haben wir mit Dr. Michaela Geiger gesprochen. Sie ist praktizierende Hausärztin und Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte e.V. sowie im Vorstand der Hufeland-Gesellschaft tätig.
Lifeline: Frau Dr. Geiger, warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, dass wir in Deutschland bei der medizinischen Behandlung die sogenannte Therapiefreiheit haben?
Dr. Geiger: Ein wesentliches Element der ärztlichen Professionalität ist es, die Therapiefreiheit zu haben. Zum einen sind Patienten auf die Urteilskompetenz und Entscheidungsautonomie ihrer Ärzte angewiesen. Diese wiederum begrüßen es, mündige Patientinnen und Patienten zu haben, um gemeinsam die unterschiedlichen Therapieoptionen auszuloten.
Wichtig dabei ist, dass keine Monokultur in den Therapieoptionen betrieben wird, sondern eben ein Pluralismus herrscht. Und der umfasst die konventionelle Medizin und die Komplementärmedizin – beide bestehen nebeneinander und ergänzen sich. Die Homöopathie zum Beispiel kann häufig auch Patienten helfen, die konventionell austherapiert sind. Die Voraussetzung dafür ist, dass Ärztinnen und Ärzte auch in der Zusatzqualifikation Homöopathie ausgebildet sind, um überhaupt entscheiden zu können.
Lifeline: Für eine erfolgreiche Therapie ist es also unerlässlich, dass der Patient oder die Patientin mündig ist?
Dr. Geiger: Welche Option zur Behandlung in Anspruch genommen wird, ist ja ganz individuell. Am Ende zählt nur, dass es den Patienten gut geht und sie ein Ergebnis durch die Behandlung erleben. Dazu zählt auch, dass sie aussuchen dürfen, welchen Arzt sie aufsuchen und welcher Behandlung sie zustimmen.
Lifeline: Für viele Menschen gehört die Homöopathie als Bestandteil der Behandlung dazu.
Dr. Geiger: Genau, die Menschen machen gute Erfahrungen mit der Homöopathie und sind gut bei den Ärztinnen und Ärzten, die sowohl die konventionelle als auch die homöopathische Medizin beherrschen, aufgehoben. Deshalb ist es uns auch wirklich wichtig zu sagen, dass wir hier in einer komplementären Disziplin arbeiten. Wir sprechen auch von der integrativen Medizin, also dass wir neben der konventionellen auch die komplementäre Medizin wie eben in unserer Disziplin die Homöopathie haben.
Was wir so im Praxisalltag sehen, da sind Menschen, die über Jahre oder Jahrzehnte die Komplementärmedizin in Anspruch genommen und ihre Erfahrung damit haben. Denn wir haben ja nicht nur akute Krankheitsbilder, sondern viele chronische Krankheitsbilder, zum Beispiel Migräne, Rheuma oder Beschwerden im Bewegungsapparat.
Lifeline: Über die Homöopathie wird in der Öffentlichkeit ja kontrovers diskutiert. Wie macht sich das bei ihren Patienten bemerkbar?
Dr. Geiger: Viele meiner Patienten*innen sind empört über die negativen Artikel. Sie fragen bei mir dann nach und lassen sich umfassend aufklären. Das Profil des Einzelnen ist unterschiedlich, viele sind offen, andere stehen der Homöopathie eher kritisch gegenüber. Letztlich ist jedem die Entscheidung im Rahmen der Therapiefreiheit selbst überlassen. Wer positive Erfahrung mit Homöopathie gemacht hat, lässt sich von negativen Artikeln nicht irritieren.
Durch die Pandemie hat natürlich das Thema Prävention noch einmal einen höheren Stellenwert bekommen. Menschen, die über Jahre oder Jahrzehnte ihre Erfahrungen mit Homöopathie gemacht haben, sehen jetzt auch diesen Präventionsaspekt gegeben.
Lifeline: In der Debatte um Homöopathie wird thematisiert, dass homöopathische Arzneimittel nicht freiverkäuflich sind. Warum ist die Apothekenpflicht so wichtig?
Dr. Geiger: Im Fokus stehen immer der Patient und seine Sicherheit. In der Homöopathie hat man potente Inhaltsstoffe, die pharmakologisch aufgearbeitet werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) regelt diesen Bereich und schreibt die Apothekenpflicht vor. Ganz klar: Es handelt es sich um potente Arzneimittel und die gehören immer in die Apotheke. Außerdem werden Homöopathika ohne Indikation vertrieben und eine Beratung ist zumeist unerlässlich, also ist im Sinne der Patientensicherheit die Apothekenpflicht absolut wichtig.
In meinen Augen gibt es dazu einfach keine Alternative. Man sieht in anderen Ländern, welche Probleme es geben kann, wenn Medikamente zum Beispiel in Drogeriemärkten verkäuflich sind. Damit meine ich nicht nur homöopathische Mittel, sondern auch Schmerzmittel und ähnliches. Zum Schutze der Patienten gehören Medikamente aber in die erfahrenen Hände von Apothekern.
Lifeline: Was würden Sie sich in der Debatte für die Zukunft wünschen?
Dr. Geiger: Eine Versachlichung der Debatte. Unser Ziel ist eine Medizin, in der die konventionelle und die komplementäre Medizin selbstverständlich allen Menschen zur Verfügung stehen. Es geht um ein Miteinander aller medizinischen Disziplinen zum Wohle der Patienten.
Lifeline: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
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