Stressbewältigung

Achtsamkeit: bewusster und entspannter leben

Im Hier und Jetzt leben, fokussierter und gelassener werden, mit Stress besser umgehen. Der Weg führt über Achtsamkeit. Was es bedeutet achtsam zu sein, wie es gelingt und welche Vorteile Mindfulness bietet, lesen Sie hier.

achtsamkeit
© Westend61 via Getty Images

Die meisten Menschen sind im Alltag alles andere als achtsam. Wir versuchen mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, rasen durch den Tag und grübeln über Vergangenes oder Zukünftiges. Viele Tätigkeiten passieren automatisch, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Zudem neigen wir dazu alles zu bewerten – dass eigene Handeln, Gefühle und Ereignisse. Das stresst und ist auf Dauer ungesund. Um den Kreislauf aus Gedanken, Stress und Hektik zu entkommen, hilft das Prinzip der Achtsamkeit.

Im Überblick:

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Was ist Achtsamkeit (Mindfulness)?

Achtsamkeit (engl. Mindfulness) ist kein Entspannungsverfahren, sondern ein Zustand. Achtsam sein bedeutet im Hier und Jetzt zu leben und Momente bewusst wahrzunehmen, ohne diese gedanklich oder emotional zu bewerten. Das soll Stress abbauen und die psychische Gesundheit stärken.

Das Prinzip der Achtsamkeit ist schon lange bekannt. Es wird bereits seit Jahrtausenden angewandt und ist unter anderem Teil des Buddhismus, Hinduismus oder diverser Yoga-Traditionen. Achtsamkeit wie sie heute praktiziert wird, geht zurück auf den US-amerikanischen Wissenschaftler Jon Kabat-Zinn. Er hat in den 1970er Jahren das Programm „Mindfulness-based Stress Reduction“ (MBSR) entwickelt. Übersetzt heißt das „Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“ und soll Menschen mit chronischen Schmerzen dabei helfen, besser mit Stress, Angst und Krankheit umzugehen. Für Kabat-Zinn ist Achtsamkeit eine bestimmte Form der Aufmerksamkeitslenkung, bei der aktuelle Ereignisse „bewusst“, „im augenblicklichen Moment“ und „nicht wertend“ erlebt werden.

Warum ist es wichtig achtsam zu sein?

Stress gehört für viele Menschen zum Leben dazu. Eine Studie der Techniker Krankenkasse zeigt, dass sich sechs von zehn Menschen in Deutschland gestresst fühlen. Laut Robert Koch-Institut (RKI) sind sogar 14 Prozent der Frauen und acht Prozent der Männer von chronischem Stress betroffen.

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Wer ständig auf Hochtouren läuft, schadet Geist und Körper. Denn anhaltender Stress führt zu einer dauernden Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol. Das verursacht Unruhe und Angst, führt zu Schlafstörungen, man fühlt sich weniger leistungsfähig und ist erschöpft. Wird Stress zum Dauerzustand kann sich daraus sogar eine Depression oder ein Burnout entwickeln. Zudem vergeudet es Energie, ständig viele Dinge im Kopf zu haben oder Situationen immer zu bewerten.

Wer stattdessen im Augenblick ist und achtsam eine Tätigkeit durchführt, schafft es Grübeleien abzustellen und damit entspannter sowie konzentrierter zu werden. Achtsamkeit hilft außerdem dabei eine andere Haltung gegenüber alltäglichen Dingen einzunehmen. Werden Situationen wertfrei und neutral wahrgenommen, dann lösen sie keinen Stress mehr aus. So gelingt es, auch schwierige Ereignisse gelassener zu managen.

Beispiel aus den Berufsleben: Gerät man bei der Erstellung einer Präsentation in Stress, könnte es daran liegen, dass man mit den Gedanken bereits im Meeting-Raum ist und das Ergebnis präsentiert. Geht man aber bewusst auf den augenblicklichen Moment zurück, dann sitze man einfach nur am Schreibtisch und trägt Informationen zusammen. Eine neutrale und alltägliche Tätigkeit, die keine stressauslösenden Aspekte hat.

Kann man Achtsamkeit lernen?

Jeder ist in der Lage Mindfulness zu lernen. Denn Achtsamkeit ist eine Fähigkeit, die in jedem steckt. Sie muss nur abgerufen und der Umgang damit geschärft werden. Dabei helfen zum Beispiel Achtsamkeitstrainings. Das MBSR-Training nach Kabat-Zinn ist die bekannteste Methode und beinhaltet Meditationen, Yoga und den sogenannten Bodyscan. Bestimmte Achtsamkeitsübungen, Atemübungen oder kleine Meditationen kann man sich auch ohne Kurs aneignen.

Wichtig ist regelmäßiges Üben, am besten zehn Minuten täglich. Nach circa sechs bis acht Wochen hat man das Prinzip verinnerlicht und schafft es auch außerhalb der Übungen mit täglichen Gewohnheiten achtsamer umzugehen.

Übungen für mehr Achtsamkeit

Mit Achtsamkeitsübungen lernen Sie im Hier und Jetzt zu sein. Ziel ist es eine bestimmte Tätigkeit, die Umgebung, körperliche Empfindungen oder Gefühle bewusst wahrzunehmen – ohne sie zu bewerten. Drängen sich dabei störende Gedanken in den Vordergrund, dann lassen Sie diese ziehen und versuchen Sie die Aufmerksamkeit wieder auf die Übung zu lenken. Die folgenden Übungen lassen sich unkompliziert durchführen, weil Sie dafür nichts weiter brauchen als Ihre fünf Sinne:

  • Sehen: Betrachten Sie den Himmel ganz in Ruhe und beschreiben Sie gedanklich genau, was Sie sehen. Nehmen Sie dabei jede Kleinigkeit wahr.

  • Hören: Schließen Sie die Augen und konzentrieren Sie sich auf Ihre Umgebung. Was hören Sie gerade? Welche unterschiedlichen Geräusche oder Stimmen erkennen Sie? Beschreiben Sie in Gedanken möglichst genau, was Sie hören.

  • Riechen: Welche Gerüche nehmen Sie in Ihrer Umgebung wahr? Probieren Sie auch aus, ob sich diese mit geschlossenem oder offenem Mund verändern.

  • Schmecken: Was schmecken Sie, auch wenn Sie gerade nichts essen oder trinken? Das kann auch ein verbliebener Geschmack sein, zum Beispiel von Kaffee oder einem Essen sein, dass Sie heute hatten.

  • Fühlen: Nehmen Sie einen beliebigen Gegenstand in die Hand und erfühlen sie ihn. Was spüren Sie dabei? Ist der Gegenstand hart oder weich, gibt er bei Druck nach oder hat er scharfe Kanten? Beschreiben Sie möglichst genau, was Sie mit Ihren Händen fühlen.

Rosinenübung

Eine weitere bekannte Übung aus dem Achtsamkeitstraining ist die Rosinenübung. Dabei werden alle fünf Sinne der Reihe nach beansprucht. Aufgabe ist es, sich ganz auf eine Rosine zu konzentrieren. Erkunden Sie die Rosine mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit: Wie sieht sie aus und welche Farbe hat sie? Welchen Duft verströmt und wie schmeckt sie? Wie fühlt sie sich zwischen ihren Fingern, im Mund oder auf der Zunge an? Welche Geräusche nehmen Sie dabei wahr?

Tipps: Achtsamkeit im Alltag üben

Sich für einen Augenblick oder etwas länger auf eine Tätigkeit oder Sache zu konzentrieren ist anfangs nicht einfach. Die Gedanken schweifen immer wieder ab oder die Wahrnehmung wird von anderen Dingen abgelenkt. Achtsamkeit braucht also Übung und einfache Alltagstätigkeiten helfen dabei. Sie können sich zum Beispiel achtsam die Zähne putzen, Kochen, Bügeln, Radio hören oder eine E-Mail schreiben. Schon wenige Minuten reichen aus, um Dinge bewusst zu erleben. Das entschleunigt, baut Stress ab und entspannt. Ungeübte sollte sich aber nicht überfordern. Statt alle Alltagstätigkeiten auf einmal achtsam durchführen zu wollen, konzentrieren Sie sich lieber auf wenige, kurze Handlungen, zum Beispiel:

  • Achtsam duschen: Duschen Sie bewusst, statt in Gedanken die Einkaufliste zu schreiben oder die To Dos für den Tag durchzugehen. Spüren Sie nach, wie sich das Wasser auf der Haut anfühlt, wann Ihnen warm oder kalt ist oder wie das Duschgel riecht.

  • Achtsam Kaffee trinken: Schenken Sie dem Kaffee trinken die volle Aufmerksamkeit. Wie hört es sich an, wenn der Kaffee in die Tasse läuft? Welche Aromen breiten sich aus? Was schmecken Sie?

  • Achtsam laufen: Beobachten Sie Ihre Schritte auf dem Weg zur Bushaltestelle, zum Einkaufen oder beim Spazieren gehen. Setzen Sie jeden Schritt bewusst und nehmen Sie den Druck auf Ihre Füße wahr.

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Für wen eignet sich Achtsamkeit?

Das Achtsamkeitstraining wird vor allem zur Stressbewältigung eingesetzt. Für jeden, der seine Lebensweise ändern möchte, eignet es sich. Neben dem zweiten großen Baustein der Scherztherapie gibt es mittlerweile auch Trainings zur Rückfallprophylaxe bei Depressionen oder von Suchterkrankten, bei Essstörungen und Angststörungen sowie zur Verbesserung von Paarbeziehungen oder zur Geburtsvorbereitung. Weil sich mit einer verbesserten Konzentration auch die Leistung steigern lässt, findet das Achtsamkeitstraining auch im Profisport Anwendung.

Positive Effekte von Achtsamkeit

Bisher gibt es nur wenige Studien zur Wirksamkeit von Achtsamkeitstraining. So soll sich Mindfulness positiv auf den Umgang mit chronischen Schmerzen, körperlichen oder psychischen Leiden wie Angst und Depressionen auswirken. Aber auch gesunde Menschen profitieren von einem achtsamen Leben. Zu den positiven Effekten der Achtsamkeit zählen:

  • Verringerung stressbedingter Symptome
  • Mehr Gelassenheit
  • Besserer Umgang mit Stress, Konflikten und Belastung
  • Verbesserte Konzentration
  • Lebensfreude und Zufriedenheit
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