Wie ernähren mit einem Magenbypass?
Immer häufiger wird bei extrem adipösen Patienten eine chirurgische Therapie erwogen. Um nach der Magenverkleinerung langfristige Erfolge zu erzielen, müssen Patienten mit einem Magenbypass jedoch Ernährung und Lebensstil umstellen.
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Worauf es bei der Ernährung mit einem Magenbypass ankommt, erläutert Ernährungswissenschaftlerin Heike Raab. Sie betreut und unterstützt am Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt/Main Patienten bei der Ernährungsumstellung.
Lifeline: Was muss der Patient nach einer Magenverkleinerung beachten?
Heike Raab: Die Magenverkleinerung ist heutzutage ein anerkanntes und wirksames Mittel in der Behandlung der Adipositas. Allerdings muss der Patient vor der Operation über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Behandlungsmethode aufgeklärt werden, damit keine unrealistischen Erwartungen entstehen. Ihm muss klar sein, dass ein Magenbypass oder Magenband „nur“ ein Hilfsmittel ist. Ohne eine gleichzeitige Veränderung der Ess- und Lebensgewohnheiten, also auch mehr Bewegung, ist kein langfristiger Erfolg zu erzielen.
Sollen die Patienten schon vor der Operation abnehmen?
Raab: Mit der Veränderung ihrer Essgewohnheiten sollten die Patienten bereits vor der Magenverkleinerung beginnen. Hier gelten zunächst die allgemeinen Empfehlungen für eine gesunde Ernährung wie: drei Mahlzeiten pro Tag, kleinere Portionen als bisher, die Speisen gut kauen und langsam essen, auf proteinreiches Essen achten, mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukte essen sowie täglich mindestens zwei Liter Mineralwasser trinken.
Zwei Wochen vor dem Operationstermin sollte der Patient beginnen, seine Ernährung auf eine „Flüssigphase“ umzustellen, also beispielsweise Joghurt, Milchmixgetränke und pürierte Gemüsesuppen essen. Dadurch kann er sich schon an die Ernährung nach der Adipositaschirurgie gewöhnen. Der Gewichtsverlust vor der Operation motiviert zum einen, auch danach sorgfältig auf die Ernährung zu achten. Zum anderen kann sich die meist vergrößerte Fettleber verkleinern, was die Operationsdauer verkürzt. Denn eine zu große Leber kann für den Chirurgen die Durchführung der Magenverkleinerung erschweren.
Was ist noch zu beachten?
Raab: Viele Fettleibige sind bereits vor der Operation mit bestimmten Nährstoffen unterversorgt. Dazu zählen Vitamin B1, B12, Eisen und ganz besonders Vitamin D. Ursachen hierfür sind ein geringer Verzehr von Gemüse, Obst und Milchprodukten sowie ein hoher Verzehr von Fett, Zucker und Weißmehlprodukten. Für eine optimale Vorbereitung sollte der Patient deshalb sechs bis acht Wochen vor der Operation mit der Einnahme eines Multivitaminpräparates beginnen. Ein Präparat, welches die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung täglich empfohlenen Mengen enthält, ist hier völlig ausreichend.
Wie geht es nach der Magenverkleinerung weiter?
Raab: Direkt nach der Operation erfolgt im Krankenhaus ein stufenweiser Kostaufbau. Zu Beginn dürfen die Patienten nur Tee und Wasser in möglichst kleinen Schlucken trinken. Ab dem dritten postoperativen Tag erhalten sie etwas zu essen. Es gibt pro Tag drei Mahlzeiten, die beispielsweise aus einer Gemüsesuppe oder einem Milchmixgetränk bestehen. Durch diesen Kostaufbau können die Patienten am Tag der Entlassung dann flüssig-breiige Speisen essen.
Und auf was müssen die Patienten bei ihrer Ernährung zu Hause achten?
Raab: Es gibt einige generelle Ernährungsempfehlungen, an die sich die Patienten unabhängig von der Art der Magenverkleinerung langfristig halten sollen. Dazu gehören wie oben erwähnt drei bis vier Mahlzeiten täglich, Essen und Trinken trennen, langsam essen und sehr gut kauen, auf den Proteingehalt des Essens achten und die erforderlichen Vitamin- und Mineralstoffsupplemente einnehmen. Zudem sollten sich die Patienten regelmäßig bewegen. Jedem Operierten muss bewusst sein: Langfristig kann er sein Körpergewicht nur dann erfolgreich reduzieren, wenn er seine Ess- und Lebensgewohnheiten ändert. Das bedeutet nicht nur das regelmäßige Essen, kleinere Portionen und eine ausreichende Eiweisszufuhr, sondern auch eine fettarme Zubereitung der Mahlzeiten. Patienten mit einem Magenbypass müssen zudem wissen, dass falsches Essen, beispielsweise der Verzehr von zuckerreichen Lebensmitteln zwischen den Mahlzeiten, zu einem Dumping-Syndrom mit Erbrechen und Übelkeit führen kann.
Gilt das auch für Diabetiker?
Raab: Für Menschen mit Diabetes gelten die gleichen Ernährungsempfehlungen wie für alle anderen operierten Adipösen. Die meisten Diabetiker benötigen nach der Operation keine blutzuckersenkenden Medikamente mehr. Allerdings sollten sie darauf achten, in den ersten vier bis sechs Wochen danach häufiger ihren Blutzucker zu messen. Die Anpassung der Diabetestherapie sollte dann mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
Warum ist die Eiweißzufuhr so wichtig und wie lassen sich die erforderlichen Mengen erreichen?
Raab: Eiweiß ist ein lebensnotwendiger Nährstoff für unseren Körper. Er wird unter anderem benötigt für die Wundheilung, für das Immunsystem, dient als Schutz für die Muskulatur und schützt auch vor Haarausfall. Je nach Operationsart müssen pro Tag 60 bis 80 Gramm (bei Magenband, Schlauchmagen und Magenbypass) beziehungsweise 80 bis 90 Gramm Eiweiß (bei BPD) aufgenommen werden. Eiweißreiche Lebensmittel sind Milch, Milchprodukte, Fisch, mageres Fleisch, Geflügel, Hülsenfrüchte und Eier. Da einige dieser Lebensmittel in der ersten Zeit nach der Operation nicht gegessen oder nicht vertragen werden können, bietet es sich an, als vierte Mahlzeit einen Eiweißdrink einzubauen. Hochwertige Proteinpulver enthalten ungefähr 80 bis 85 Gramm Protein auf 100 Gramm Pulver. Etwa fünf Wochen nach der Magenverkleinerung könnte der Speiseplan dann beispielsweise so gestaltet werden:
Frühstück: hundert Gramm Magerquark (12 g Eiweiß) mit etwas Obst
Mittagessen: hundert Gramm Putenbrust (24 g Eiweiß), ein bis zwei Esslöffel Gemüse, ein bis zwei Esslöffel Kartoffeln
Zwischenmahlzeit: ein Eiweißdrink (mit ca. 12 g Eiweiß)
Abendessen: hundert Gramm Hüttenkäse (12 g Eiweiß), eine halbe Scheibe Vollkorntoast und etwas Gemüse.
Dürfen kohlenhydrathaltige Lebensmittel bei jeder Mahlzeit gegessen werden?
Raab: Kohlenhydrate dürfen zu jeder Mahlzeit gegessen werden, allerdings passen nur kleine Mengen in den operierten Magen. Auch müssen die Patienten darauf achten, dass sie zuerst eiweißreiche Lebensmittel essen, anschließend das Gemüse und wenn dann noch Platz ist, die Kohlenhydrate. Eine Mahlzeit beim Übergang von der Flüssigphase zum normalen Essen könnte beispielsweise so aussehen: ein etwa handtellergroßes Stück gedämpfter Fisch, ein bis zwei Esslöffel weich gekochtes Gemüse und ein bis zwei Esslöffel Kartoffelpüree. Hier empfehlen wir dem Patienten, zuerst den Fisch zu essen, damit die Proteinaufnahme sichergestellt ist, dann das Gemüse und zum Abschluss die Kohlenhydrate.
Welche Getränke empfehlen Sie nach der Operation?
Raab: Essen und Trinken sollten zeitlich getrennt werden. Dies wird empfohlen, da sonst während der Mahlzeit ein Sättigungsgefühl durch das Getränk entstehen könnte und dann zu wenig Nährstoffe aufgenommen werden. Zudem kann die Kombination von Essen und Trinken bei einem Magenbypass zum Auftreten eines Dumping-Syndroms führen. Der Patient sollte 30 Minuten vor der Mahlzeit nichts mehr trinken und frühestens 30 Minuten nach dem Essen wieder damit beginnen. Empfohlen wird eine Menge von 150 bis 300 Millilitern in der Stunde, die schluckweise getrunken wird. Um ausreichend Flüssigkeit aufzunehmen, sollten Patienten stets eine Trinkflasche mit Wasser dabei haben.
Geeignete Getränke sind Mineralwasser ohne Kohlensäure und Tee. Unmittelbar nach der Magenverkleinerung sollte sich der Patient auf Kräutertee beschränken. Zuckerhaltige Getränke wie Säfte oder Limonaden enthalten im Schnitt zehn Gramm Zucker in hundert Millilitern und sind deshalb nicht zu empfehlen. Dasselbe gilt für Getränke, die mit Fruchtzucker (Fruktose) gesüßt sind. Kaffee und schwarzer sowie grüner Tee können in moderaten Mengen, also ein bis drei Tassen täglich, einige Wochen nach der Operation wieder getrunken werden.
Sind Supplemente erforderlich?
Raab: Damit es nach der Operation durch die eingeschränkte Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen aus dem Margen-Darm-Trakt nicht zu Nährstoffmängeln kommt, müssen Supplemente ein Leben lang eingenommen werden. Deren Zusammensetzung und Menge hängen von der Art der Operation ab. Auf jeden Fall sollen die Patienten ein Multivitaminpräparat einnehmen, das bei Operierten mit Magenband oder Schlauchmagen hundert Prozent, bei Adipösen mit Magenbypass und BPD 200 Prozent der täglich empfohlenen Zufuhr liefert. Vitamin B12 sollte bei Patienten mit Schlauchmagen, Magenbypass oder BPD alle drei Monate intramuskulär gespritzt werden. Außerdem müssen die Patienten täglich je nach Operationsart 1500 bis 2000 Milligramm Calcium einnehmen und zwar in Form von Calciumcitrat, da dieses aufgrund der geringeren Magensäure besser aufgenommen werden kann. Entsprechende Präparate sind in Apotheken erhältlich. Herkömmliche Calciumsupplemente aus Drogeriemärkten oder vom Discounter hingegen enthalten immer Calciumcarbonat, das weniger gut aufgenommen wird. Zusätzlich muss Vitamin D3 zugeführt werden.
Wie sieht es mit Bewegung und Sport aus?
Raab: Regelmäßige Bewegung – und hier ist bewusst von Bewegung und nicht von Sport die Rede – sollte in den Tagesablauf integriert werden. Patienten mit Magenbypass oder Magenband sollten ihre Alltagsaktivität erhöhen und sich zudem täglich 30 Minuten so bewegen, dass sie leicht schwitzen beispielsweise bei zügigem Spazierengehen oder Nordic Walking. Teilweise bieten auch Selbsthilfegruppen gemeinsame Unternehmungen an. Zu Beginn fällt den Patienten die Bewegung noch schwer, doch mit jedem Kilo, das sie weniger wiegen, werden sie beweglicher und bewegen sich dadurch auch lieber.
Wo gibt es Unterstützung und Hilfe nach der Entlassung aus dem Krankenhaus?
Raab: Selbstverständlich sollten Mitarbeiter der Krankenhäuser, in denen Adipositaschirurgie stattfindet, auch nach der Magenverkleinerung immer Ansprechpartner für die Patienten mit Magenbypass oder Magenband sein. Sie finden jedoch auch große Unterstützung bei Selbsthilfegruppen. Diese bieten regelmäßige Treffen an. Zudem kann man sich im Internet in den Foren der Selbsthilfegruppen beispielsweise der Adipositaschirurgie-Selbsthilfe Deutschland e. V. austauschen.
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