Leber aus Stammzellen gezüchtet
Japanische Forscher haben in den Köpfen von Mäusen menschliche Mini-Lebern wachsen lassen. Dazu züchteten sie im Labor zunächst Leber-Vorläufergewebe und transplantierten dieses.
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Im Kopf der Versuchstiere entwickelte sich diese „Leberknospe“ – ein frühes Organstadium – zu einer Art kleiner Leber weiter, die in Aussehen und Funktion der des Menschen ähnelt. Das berichten die Wissenschaftler der städtischen Yokohama-Universität in der angesehenen Fachzeitschrift „Nature“. Für ihre Versuche nutzten sie einen Cocktail aus drei verschiedenen Zelltypen.
Die Grundlage des Gemischs bildeten induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen). Sie lassen sich zum Beispiel aus menschlichen Hautzellen gewinnen und zu einer Art Stammzellen „verjüngen“, die Spezialisierung der Zellen wird also aufgehoben. Die iPS-Zellen ließ das Team um Takebe und Hideki Taniguchi zu Vorläufern von Leberzellen heranwachsen.
Überraschende Selbstorganisation des Zellgemischs
Dann fügten sie menschliche Zellen aus Nabelschnurgewebe sowie unreife Bindegewebszellen hinzu – der Zellcocktail war entstanden. Aus diesem Gemisch entwickelten sich in der Petrischale nach einigen Tagen dreidimensionale Strukturen. Diese spontane Bildung rudimentärer Lebern habe die Forscher selbst überrascht, sagten sie in einer Telefonkonferenz. Sie ähnelt der Art und Weise, wie das Organ während der Embryonalentwicklung entsteht.
Die „hochkomplexe Gewebestruktur“ habe im Tiermodell bestens funktioniert und etwa die Lebenserwartung von Mäusen mit Leberversagen verlängert. Die Ergebnisse hatten die Forscher erstmals Mitte 2012 auf einer Stammzellkonferenz dem Fachpublikum vorgetragen.
Abstoßungsreaktion der transplantierten Leber umgangen
Die Leberkopie setzten die Forscher den Mäusen zunächst durch ein kleines Loch in der Schädeldecke ein. „Im Kopf ist es besonders einfach, Wachstum und Funktion eines Gewebes zu überwachen“, erläuterte Takanori Takebe. Das Gewebe verband sich nach seiner Aussage mit dem Gefäßsystem. Die Mäuse litten – gewollt – an einem Defekt des Immunsystems, damit die Tiere keine Abstoßungsreaktion auf das Transplantat zeigen.
Zu mehreren Zeitpunkten untersuchten die japanischen Forscher die Mini-Leber, auch noch zwei Monate nach der Transplantation. Sie führten Tests mit Medikamenten durch, die in der Leber verstoffwechselt werden. In späteren Versuchen setzten die Forscher das Gewebe ins Bindegewebe um den Darm ein, wo die Zuchtleber ebenfalls einwuchs.
Forschung noch in einem frühen Stadium
Jedoch fanden alle diese Transplantationsversuche an Mäusen statt, wie Menschen darauf reagieren würden, ist unbekannt. Die Verpflanzung könnte zum Beispiel ein erhöhtes Tumorrisiko bedeuten. Offen ist zudem, ob sich in dem herangezüchteten Gewebe Gallengänge ausbilden, über die giftige Stoffe aus der Leber herausgeleitet werden, und ob ausreichend Lebergewebe gezüchtet werden kann, um menschlichen Patienten zu helfen.
Nach einer ersten Einschätzung von Takebe könnten erste Studien mit Leberkranken schon in zehn Jahren beginnen. Seit mehreren Jahrzehnten versuchen Forscher schon, Organe im Labor nachzuzüchten, um sie als Ersatzteilllager für kranke Lebern oder Herzen zu nutzen. Aktuell arbeitet das Team um Takebe daran, die Methode auf die Anzucht von Bauchspeicheldrüsen- oder Nierengewebe anzuwenden.
Großer Bedarf an Retorten-Organen
Für einfache Hirn- und Augenmodelle gibt es bereits Ersatz aus Stammzellen. Durch Spenderorgane allein wird der Bedarf nicht gedeckt, weshalb Forscher weltweit daran arbeiten, künstliche Organe im Labor nachwachsen zu lassen.
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