Wenn die Wechseljahre in die Pubertät der Tochter fallen
Wendepunkte wie Wechseljahre und Pubertät verunsichern. Befinden sich Mutter und Tochter zeitgleich in körperlichen wie seelischen Umbruchphasen, sind Konflikte fast programmiert.
Erst Karriere, dann ein Kind Diese Reihenfolge wählen immer mehr Frauen. So steigt die Zahl derjenigen, die mit 35 Jahren und älter Nachwuchs bekommen. Der Anteil dieser Spätgebärenden liegt in Deutschland inzwischen bei zwölf Prozent. Eine Folge ist, dass immer mehr Mütter mitten in die Wechseljahre kommen, während ihr Kind gerade die Pubertät durchlebt. Beides sind kniffelige Phasen. Besonders für das Verhältnis von Tochter und Mutter.
Emotionen und Gereiztheit erschweren den Umgang
Allen guten Vorsätzen zum Trotz: Eine wirklich entspannte Beziehung zwischen einer Mutter in den Wechseljahren und ihrer Tochter in der Pubertät gibt es nicht, glaubt Psychologin Roswitha Stemmer-Beer: „Der wirklich reife, intakte Muttertyp ist ein Wunschbild. Das würde bedeuten, dass die Mutter mit Beginn der Wechseljahre sagt: "Meine Tochter wird erwachsen – ich trete zurück und gönne ihr ihr Glück."
Ein Problem: Auf beiden Seiten spielen viele Emotionen mit. Für die Tochter ist die Pubertät durch Vortasten und Ausprobieren, der Suche nach Halt und durch Ablösen, geprägt. Das führt zu widersprüchlichem, gereiztem Verhalten und sorgt nicht selten für handfesten Zoff. Ein Trost: Pubertierende meinen es eigentlich nicht böse, sie sind einfach nicht Herren ihrer Launen.
Schuld an den wechselnden Gemütslagen ist US-Forschern zufolge auch der Umbau von Nervenverbindungen im Gehirn. Dabei verlieren Teenager in der Pubertät viel von ihrer Fähigkeit, die Gefühle anderer Menschen und soziale Szenarien einzuschätzen. Doch auch die Wechseljahre machen reizbarer. Während der weibliche Östrogenspiegel langsam absinkt, fällt Testosteron mehr ins Gewicht. Das macht launischer und angriffslustiger. „Frauen verhalten sich oft wie Marionetten, an deren Fäden beliebig lange von anderen gezogen werden kann. Und dann platzt ihnen endlich mal der Kragen und sie „rasten" aus", erklärt Brigitte Hieronimus, Wechseljahrberaterin und Buchautorin.
Lebensentwürfe sind nicht von den Wechseljahren abhängig
Eine Mutter in den Wechseljahren sollte die Pubertät der Tochter dazu bringen, sich auf ihre altersgemäße Rolle zu besinnen, finden Psychologen. Doch was früher ganz selbstverständlich geschah, stürzt moderne Mütter in eine Krise. „Heutige Frauen leiden unter unglaublichen Ansprüchen und haben im Grunde keine Vorbilder", glaubt Stemmer-Beer. Das Problem bestehe darin, dass es inzwischen keine Lebensläufe mehr gebe, sondern Lebensentwürfe: Je nach körperlichem Zustand, Temperament und Mut könne jeder alles machen – unabhängig von seinem Alter. „Die heutige Mutter fährt Extrem-Ski und legt sich abends eine Wolldecke über ihre arthritischen Knie", pointiert die 63-Jährige. Das klingt nach erfreulicher Vielfalt, setzt aber auf der anderen Seite ein Riesenmaß an Flexibilität und Fitness voraus.
Aggressive und regressive Muttertypen
Wie Mütter in den Wechseljahren auf die Pubertät ihrer Töchter reagieren, hält Stemmer-Beer für eine Typfrage. Eine „agile, dem Leben zugewandte Mutter" begegne der Pubertät der Tochter und deren erwachenden Sexualität vermutlich mit einer Angst vorm Altern, einer „Flucht nach vorne" und Aggression. „Relativ viele wollen noch einmal richtig ankommen und versuchen sich in dieser Zeit einen jungen Mann zu angeln", beobachtet die Ratgeberautorin. Sie kleideten sich jung, begleiteten die Tochter in Diskos, trainierten hart in Fitnessstudios, und versuchten Jugendlichkeit und Attraktivität zu erhalten – allen Falten und Haarausfall zum Trotz.
Die „zurückgezogene, sanfte Mutter" dagegen verfalle oft in Traurigkeit. „Nun ist das Leben gelaufen" – ein selten ausgesprochener, aber wohl oft gedachter Satz. Gerade für diesen Typ Frau ist es entscheidend, während der Wechseljahre nicht in Schwermut zu versinken - eine aufwändige Aufgabe. „Aggressionen zurückzustecken ist leichter", urteilt Stemmer-Beer.
Eine erfahrene Ratgeberin für die Tochter in der Pubertät sein
Eine Frau sollte ihre Altersrolle reflektieren, rät die Psychologin. Als Mutter in den Wechseljahren gelte es, sein Alter zu akzeptieren und eine weise Mutterrolle einzunehmen. „Die Tochter braucht in der Pubertät eine erfahrene, kluge Ratgeberin an ihrer Seite, ohne dass die Mutter die kumpelhafte Freundin ist." Dafür gebe es die gleichaltrigen Mädchen. Darüber hinaus gelte es für die Frau, sich rechtzeitig etwas aufzubauen, was sie durch die Wechseljahre und mögliche Beschwerden trägt. „Wichtig ist, das Leben mit neuen Dingen zu erfüllen."