Hallo an alle leidgeplagten Wechseldamen!
Ich kannte dieses Forum gar nicht, erfuhr davon durch eine Freundin, die häufig in diesem Forum unterwegs ist. Auf ihren hartnäckigen Wunsch hin soll ich euch eine Geschichte erzählen – meine Geschichte. Vorsicht: lang!
Ich bin seit Januar 59 Jahre alt und hatte bis September 2017 noch meine Mens. Bin also ein echt "spätes Mädchen".
Da ich es gar nicht so genau wissen wollte, habe ich nie einen Hormonstatus machen lassen oder irgendwelche Medikamente genommen. Ich dachte mir, Mädels in der Pubertät kommen da auch so irgendwie durch…. Allerdings habe ich fast alle der in diesem Forum beschriebenen Symptome seit einigen Jahren mal mehr, mal weniger stark und dachte früher auch oft: warum ist mein Leben so niederschmetternd?
Dann trat etwas ein, womit ich nicht gerechnet hatte und was ich auch niemandem wünsche: Ich bekam die Diagnose Hirntumor gestellt. Und was soll ich sagen? Schlagartig hörten alle Wechseljahresbeschwerden auf, da ich dafür gar keine Zeit mehr hatte. Ich will hier gar nicht den ganzen steinigen Weg aufzeigen, das wäre viel zu langatmig. Ich wurde operiert und musste wieder laufen lernen, und, und, und… Um alles zu bewältigen, empfahl mir der Neurochirurg eine Psychotherapie. Ich hatte die beste Therapeutin, die man sich denken kann (leider ist sie jetzt in Rente). Sie vertrat den Standpunkt, dass sich unendlich viele Sachen im Kopf abspielen und sich körperlich niederschlagen können. Nicht alle vermeintlichen Wechseljahressymptome sind auch welche. Ich war jahrelang bei ihr in Behandlung, und da einige meiner WJ-Symptome etwa drei Jahre nach der OP wiedergekommen waren, war auch das zunächst für mich ein Thema. Die Beschwerden waren ja sehr real. Ich fand es allerdings schon merkwürdig, dass ich in der schlimmsten Krise überhaupt keine WJ-Beschwerden hatte. Sie meinte aber, das käme daher, dass ich einfach nicht mehr darüber nachgedacht hatte, da andere Dinge Priorität hatten. So sehe ich das inzwischen auch. Worauf man sich gedanklich immer wieder konzentriert und je mehr man in sich hineinhört, umso größer wird das Problem.
Ich sollte mein Leben überdenken, so riet sie mir. Viele der Symptome kämen oft durch unerkannten Lebensfrust und könnten körperliche Beschwerden verschlimmern. Ich überdachte also mein Leben, trennte mich von meinem Mann, mit dem ich eine ziemlich traurige Ehe geführt hatte, ihn aber nicht verlassen wollte, solange unsere Kinder jünger waren. Ich hatte seit der Geburt meiner beiden Kinder nie gearbeitet. Da ich von meinem Mann für mich kein Geld wollte, besuchte ich diverse Computerkurse und bekam tatsächlich mit über 50 noch einen richtig guten Job. Mein Selbstbewusstsein wuchs beträchtlich mit jedem weiteren Erfolg. Ich lernte einen neuen Mann kennen, heiratete ihn und bin immer noch sehr glücklich mit ihm. Meine nun erwachsenen Kinder gönnen mir mein Glück.
Meine Hitzewellen, Herzstolperer, Stimmungsschwankungen etc., die jetzt wieder ab und zu mal vorbeischauen, sind für mich nun keine „Feinde“ mehr, sondern erinnern mich daran, dass der Wechsel als das angesehen werden kann, was er ist: einfach eine Veränderung. Wenn es mir schlecht geht, lasse ich das zu und hadere nicht damit, dann geht es am schnellsten vorbei. Und mit jedem Jahr werde ich gelassener. Und immer dankbarer dafür, dass meine Zuversicht und die richtige Hilfe zur richtigen Zeit mich so weit gebracht haben. Glaubt mir, man kann viel mehr als man meint. Und ganz ehrlich: wenn jemand sagt: das kann ich nicht, dann meint er er oft: das will ich nicht. Denn mit Veränderungen haben wir ja alle so unsere Probleme, oder? Der Weg ist außerdem sehr anstrengend und erfordert unglaubliche Selbstdisziplin und Mut, aber er lohnt sich. Das Potential dazu hat meiner Meinung nach jeder Mensch. Und wir Frauen sind doch sowieso taffer als die Männer, oder?
Diesen Denkanstoß sollte bzw. wollte ich euch also einfach mal geben, damit ihr vielleicht etwas gelassener mit den WJ-Beschwerden umgehen könnt. Ihr müsst ja nicht gleich euer ganzes Leben auf den Kopf stellen, aber schaut kritischer darauf und tut euch selbst mehr Gutes. Und lasst euch helfen, wenn nichts mehr zu gehen scheint. Es gibt immer eine Lösung, nur sieht die manchmal anders aus, als man gedacht hat. Bei mir war es der Gehirntumor - verrückt, oder?
Ich wünsche Euch die Erkenntnis, dass die WJ durchaus Positives bewirken können, sofern man ein wenig den Blickwinkel ändert.
Seid alle herzlich gegrüßt von
Antonia
P.S.: Sehr zu empfehlen sind auch die Ratschläge von Doris Wolf unter www.palverlag.de zum Thema WJ