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Eine andere Strategie...

Kategorie: Frauenheilkunde » Forum Wechseljahre

15.02.2018 | 14:06 Uhr

Hallo an alle leidgeplagten Wechseldamen!

Ich kannte dieses Forum gar nicht, erfuhr davon durch eine Freundin, die häufig in diesem Forum unterwegs ist. Auf ihren hartnäckigen Wunsch hin soll ich euch eine Geschichte erzählen – meine Geschichte. Vorsicht: lang!

Ich bin seit Januar 59 Jahre alt und hatte bis September  2017 noch meine Mens. Bin also ein echt "spätes Mädchen".:-P

Da ich es gar nicht so genau wissen wollte, habe ich nie einen Hormonstatus machen lassen oder irgendwelche Medikamente genommen.  Ich dachte mir, Mädels in der Pubertät kommen da auch so irgendwie durch….  Allerdings habe ich fast alle der in diesem Forum beschriebenen Symptome seit einigen Jahren mal mehr, mal weniger stark und dachte früher auch oft: warum ist mein Leben so niederschmetternd?

Dann trat etwas ein, womit ich nicht gerechnet hatte und was ich auch niemandem wünsche: Ich bekam die Diagnose Hirntumor gestellt. Und was soll ich sagen? Schlagartig hörten alle Wechseljahresbeschwerden auf, da ich dafür gar keine Zeit mehr hatte. Ich will hier gar nicht den ganzen steinigen Weg aufzeigen, das wäre viel zu langatmig. Ich wurde operiert und musste wieder laufen lernen, und, und, und… Um alles zu bewältigen, empfahl mir der Neurochirurg eine Psychotherapie. Ich hatte die beste Therapeutin, die man sich denken kann (leider ist sie jetzt in Rente). Sie vertrat den Standpunkt, dass sich unendlich viele Sachen im Kopf abspielen und sich körperlich niederschlagen können. Nicht alle vermeintlichen Wechseljahressymptome sind auch welche.  Ich war jahrelang bei ihr in Behandlung, und da einige meiner WJ-Symptome  etwa drei  Jahre nach der OP wiedergekommen waren, war auch das zunächst für mich ein Thema. Die Beschwerden waren ja sehr real. Ich fand es allerdings schon merkwürdig, dass ich in der schlimmsten Krise überhaupt keine WJ-Beschwerden hatte. Sie meinte aber, das käme daher, dass ich einfach nicht mehr darüber nachgedacht hatte, da andere Dinge Priorität hatten. So sehe ich das inzwischen auch. Worauf man sich gedanklich immer wieder konzentriert und je mehr man in sich hineinhört, umso größer wird das Problem.

Ich sollte mein Leben überdenken, so riet sie mir.  Viele der Symptome kämen oft durch unerkannten Lebensfrust und könnten körperliche Beschwerden verschlimmern. Ich überdachte also mein Leben, trennte mich von meinem Mann, mit dem ich eine ziemlich traurige Ehe geführt hatte, ihn aber nicht verlassen wollte, solange unsere Kinder jünger waren. Ich hatte seit der Geburt meiner beiden Kinder nie gearbeitet. Da ich von meinem Mann für mich kein Geld wollte, besuchte ich diverse Computerkurse und bekam tatsächlich mit über 50 noch einen richtig guten Job. Mein Selbstbewusstsein wuchs beträchtlich mit jedem weiteren Erfolg. Ich lernte einen neuen Mann kennen, heiratete ihn und bin immer noch sehr glücklich mit ihm. Meine nun erwachsenen Kinder gönnen mir mein Glück.

Meine Hitzewellen, Herzstolperer, Stimmungsschwankungen etc., die jetzt wieder ab und zu mal vorbeischauen,  sind für  mich nun keine „Feinde“ mehr, sondern erinnern mich daran, dass der Wechsel als das angesehen werden kann, was er ist: einfach eine Veränderung. Wenn es mir schlecht geht, lasse ich das zu und hadere nicht damit, dann geht es am schnellsten vorbei. Und mit  jedem Jahr werde ich gelassener. Und immer dankbarer dafür, dass meine Zuversicht und die richtige Hilfe zur richtigen Zeit mich so weit gebracht haben. Glaubt mir, man kann viel mehr als man meint. Und ganz ehrlich: wenn jemand sagt: das kann ich nicht, dann meint er er oft: das will ich nicht. Denn mit Veränderungen haben wir ja alle so unsere Probleme, oder? Der Weg ist  außerdem sehr anstrengend und erfordert unglaubliche Selbstdisziplin und Mut, aber er lohnt sich. Das Potential dazu hat meiner Meinung nach jeder Mensch. Und wir Frauen sind doch sowieso taffer als die Männer, oder?

Diesen Denkanstoß sollte bzw. wollte ich euch also einfach mal geben, damit ihr vielleicht etwas gelassener mit den WJ-Beschwerden umgehen könnt. Ihr müsst ja nicht gleich euer ganzes Leben auf den Kopf stellen, aber schaut kritischer darauf und tut euch selbst mehr Gutes. Und lasst euch helfen, wenn nichts mehr zu gehen scheint. Es gibt immer eine Lösung, nur sieht die manchmal anders aus, als man gedacht hat.  Bei mir war es der Gehirntumor - verrückt, oder? ;-)

 

Ich wünsche Euch die Erkenntnis, dass die WJ durchaus Positives bewirken können, sofern man ein wenig den Blickwinkel ändert.

Seid alle herzlich gegrüßt von

Antonia

P.S.: Sehr zu empfehlen sind auch die Ratschläge von Doris Wolf unter www.palverlag.de zum Thema WJ

 

 

 

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15.02.2018, 15:16 Uhr
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Hallo Antonia!

Deine Geschichte ist sehr interessant und du hast sicher recht: umso mehr man in sich hineinhorcht, um so mehr "hört" bzw. spürt man. Ich bin auch so eine Kandidatin die sich zu viel selbst beobachtet und das tut nicht gut. Ich habe mal ein gutes Buch über den Krieg gelesen. Ich glaube es war von Viktor Frankl und er hat beschrieben, wie Juden, die ins KZ kamen und zuvor unter Depressionen litten plötzlich keine Depression mehr hatten und um ihr Leben kämpften. Das kam daher, dass sie so abgelenkt von der Situation waren, dass das ganze Denken plötzlich anders ablief, es war gar kein Raum mehr da für die Depression. Es ging ums nackte Überleben und da war kein Platz für Depressionen, denn das komplette Leben war mit jeder Faser auf Überleben ausgerichtet. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich glaube in dem Buch stand auch, dass bei diesen Menschen nach Kriegsende und wo eigentlich die Bedrohung weg war die Depression wieder kam. Eigentlich eine sehr logische Geschichte, wenn auch verblüffend.

Es wäre auf jeden Fall gut, es einfach anzunehmen, wenn es einem nicht so gut geht und nicht damit zu hadern, ich glaube auch, dass das Problem dann schneller verschwindet. Einfach weil man nicht dagegen ankämpft und ihm nicht soviel Raum gibt. Aber trotzdem fällt das oft schwer, auch wenn man weiß, dass es so ist.

Danke für deine Erfahrungen und alles Gute

LG

Toffifee

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15.02.2018, 15:47 Uhr
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Liebe Toffifee,

Ich weiß genau was du meinst. Ich kenne durchaus auch die Phasen, in denen man denkt es geht gar nichts mehr. Aber auch die gehen zum Glück vorüber. 

Letztendlich muss jede von uns ihren eigenen Weg finden. Es ist ja auch jede von uns eine eigenständige Persönlichkeit. 

Ich wünsche euch allen viel Glück! :IN LOVE:

Antonia

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15.02.2018, 16:58 Uhr
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Liebe Antonia,

vielen Dank für deinen Bericht. Er hat mich zum Nachdenken angeregt und mir Mut gemacht. Ich überlege gerade beruflich etwas zu verändern, da das was ich jetzt mache mir zwar bis zu einem gewissen Grad Spaß macht, aber ich denke nichts auf Dauer für mich ist. Vielleicht ist mit knapp 50 doch noch nicht aller Tage Abend.

;-)

LG Ringelblume

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15.02.2018, 17:57 Uhr
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Liebe Antonia

 

ich danke dir sehr für deine Zeilen!!!

Mein Therapeut sieht das übrigens genauso!!!

Toll dass es dir nun so gut geht!!!

Einfach nur Klasse

Alles alles gute

Namaste

PollyO:-)

 

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15.02.2018, 18:13 Uhr
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Liebe Polly,

Was ich konnte, kannst du auch! Und dein Therapeut hilft dir dabei. Bleib dran! 

Liebe Grüße! 

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15.02.2018, 18:10 Uhr
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Liebe Ringelblume!

Ich finde es toll, dass du über eine berufliche Veränderung nachdenkst. Man ist nie zu alt um etwas zu ändern. Es dauert vielleicht länger als in jungen Jahren, aber mit etwas Beharrlichkeit geht es - wenn man es sich selber zutraut und etwas für die Veränderungen tut. Abwarten führt zu nichts, man muss selber aktiv werden.

Viel Erfolg und alles Gute!

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15.02.2018, 18:32 Uhr
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Hallo Antonia! Musste gerade weinen als ich deinen Bericht gelesen habe und hat mich sehr zum nachdenken gebracht. Ich danke dir von ganzem Herzen und wünsche dir weiterhin alles erdenklich Gute. LG Alpenveilchen:ROSE:

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15.02.2018, 19:32 Uhr
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Danke, Alpenveilchen. Ich möchte einfach in schwierigen Zeiten etwas Mut machen. Wenn man mal ganz am Boden war und sich wieder aufgerappelt hat, möchte man das teilen.

Ich habe lange überlegt, ob ich wirklich schreiben soll oder nicht. Ich kehre nicht gerne öffentlich mein Innerstes nach außen, aber jetzt bin ich froh, dass ich es getan habe.

Und nun verabschiede ich mich auch schon wieder - morgen geht es in den Urlaub, ich wollte nur vorher geschrieben haben...

Passt alle auf Euch auf! 

LG, Antonia

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15.02.2018, 19:40 Uhr
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Nochmals vielen Dank. Ich wünsche dir einen erholsamen und unvergesslichen Urlaub. LG Alpenveilchen

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15.02.2018, 20:33 Uhr
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Liebe Antonia,

auch von mir herzlichen Dank für deine inspirierenden Zeilen. Es tut wirklich gut, von einer Frau zu lesen, die so mit allen Wassern gewaschen ist und mutig ihren Weg gegangen ist. Da hast du wirklich viel Lebensweisheit entwickelt, die du hier mit uns teilen kannst.

Mir helfen solche Berichte ungemein, dass ich aus meiner Verzagtheit komme und wieder Mut fasse.

Dir alles Gute weiterhin und erst mal einen wunderbaren Urlaub.

 

Liebe Grüße,

Poppy

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