Unwillkürlicher Urinverlust

Inkontinenz: Was tun bei Blasenschwäche?

Qualitätssiegel Nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Expert*innen geprüft

Menschen mit Inkontinenz können die Ausscheidung von Urin nicht mehr oder nur unzureichend kontrollieren. Eine Blasenschwäche beeinträchtigt den Alltag oft sehr. Aber es gibt Behandlungsmöglichkeiten, die Menschen dabei helfen können, die Kontrolle über ihre Blasenfunktion zurückzugewinnen oder zu verbessern.

GettyImages-1664986971.jpg
© Getty Images/Halfpoint Images

Kurzübersicht: Inkontinenz

Symptome: Betroffene spüren oft nicht, dass sie Urin verlieren, beziehungsweise können den abgehenden Harn nicht zurückhalten.

Ursachen: Eine Inkontinenz kann unterschiedliche Ursache haben. Oft liegt eine Schwäche der Bodenmuskulatur oder eine Schädigung des Bandhalteapparates zugrunde. Das kann beispielsweise auf Erkrankungen oder die Einnahme bestimmter Medikamente zurückzuführen sein.

Diagnose: Neben einer ausführlichen Befragung (Anamnese) und einer körperlichen Untersuchung kommen weitere Verfahren wie eine Blasendruckmessung oder Blasenspiegelung zum Einsatz.

Behandlung: Bei leichten Beschwerden können Beckenbodenübungen oder Blasentrainings helfen. Alternativ kommt eine medikamentöse Therapie oder der Einsatz von Hilfsmitteln wie Binden infrage. In Einzelfällen ist auch eine Operation sinnvoll.

Artikelinhalte auf einen Blick:

Nykturie: Was hilft bei nächtlichem Harndrang?

Was ist eine Inkontinenz?

Harninkontinenz, auch Blasenschwäche genannt, meint den unwillkürlichen Verlust von Urin aufgrund verschiedener Erkrankungen im Bereich der Harnblase. Noch immer handelt es sich bei Inkontinenz um ein Tabuthema, dabei sind schätzungsweise 10 Millionen Menschen in Deutschland betroffen. Die genaue Zahl dürfte noch viel höher sein. Denn da das Thema mit großer Scham besetzt ist, suchen sich viele Betroffene keine ärztliche Hilfe.

Mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der inkontinenten Menschen. Aber auch jüngere Menschen können unter unwillkürlichem Harnabgang leiden. Frauen sind aufgrund der Anatomie und Physiologie des Beckens etwas häufiger betroffen als Männer.

Formen der Inkontinenz

Harninkontinenz kann verschiedene Ausprägungen haben. Dementsprechend teilen Fachleute Inkontinenz in verschiedene Formen ein:

  • Belastungskontinenz: Bei einer Belastungskontinenz (früher auch: Stressinkontinenz) ist der Schließmuskel der Harnröhre geschwächt. Der Urinverlust tritt bei körperlicher Belastung auf. Das kann beispielsweise beim Tragen oder Heben schwerer Gegenstände sein, aber auch Lachen oder Husten können zum Urinverlust führen.

  • Dranginkontinenz: Die Dranginkontinenz (überaktive Blase) wird durch ständigen Harndrang und einen darauffolgenden, nicht unterdrückbaren Urinverlust gekennzeichnet. Die meisten Patient*innen haben schon einen Harndrang bei geringer Blasenfüllung. Sie müssen ständig zur Toilette, manchmal sogar mehrmals pro Stunde.

  • Reflexinkontinenz: Erkrankte spüren nicht mehr, ob die Blase voll oder leer ist. Eine Fehlsteuerung durch Nerven und/oder das Gehirn führen zu einer unkontrollierten und unvollständigen Blasenentleerung.

  • Überlaufinkontinenz: Der Druck in der Blase ist so groß, dass ihr Verschluss nicht mehr funktioniert. Es kommt zum tröpfchenweisen Harnverlust, ohne völlige Entleerung der Blase.

  • Extraurethrale Blasenschwäche: Im Gegensatz zu den anderen Inkontinenzformen bei denen Urin über die Harnröhre ausgeschieden wird, nimmt der Urin den Weg über andere Ausgänge, beispielsweise der Vagina oder dem Darmausgang. Meist stecken sogenannte Urinfisteln, unnatürliche Gänge, dahinter. Die Folge ist ein ständiges unkontrolliertes Heraustropfen des Urins.

Auch eine Mischinkontinenz, also eine Kombination aus Belastungs- und Dranginkontinenz, kommt häufig vor.

mann mit inkontinenz
Selbsttest
Inkontinenz: Selbsttest für Männer

Haben Sie Probleme mit Ihrer Blase? Vielleicht leiden Sie unter einer Form von Harninkontinenz. Machen Sie unseren Test!
Neben einer allgemeinen Auswertung erhalten Sie zusätzlich Kommentare zu den von Ihnen gewählten Antworten. Dieser Selbsttest entstand in freundlicher Zusammenarbeit mit Dr. med. Walter Merkle, Facharzt für Urologie an der DKD Helios Klinik Wiesbaden. Bitte beachten Sie: Ein Selbsttest kann niemals ein Arztgespräch ersetzen. Bei Beschwerden holen Sie bitte ärztlichen Rat ein.

Inkontinenz: Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen sind vielfältig und unterscheiden sich je nach Art der Inkontinenz. Infrage kommen etwa:

  • Krankheiten: Häufig führen Erkrankungen im Urogenitaltrakt zu Harninkontinenz. Dazu gehören etwa Harnwegsentzündungen, Verengungen der Harnröhre oder Blasensteine. Bei Männern kann eine Prostatavergrößerung eine Blasenschwäche verursachen. Lungenerkrankungen können das Risiko erhöhen, eine Belastungsinkontinenz zu entwickeln, da durch das ständige Husten der Beckenboden belastet wird. Neurologische Erkrankungen, wie Multiple Sklerose, Querschnittslähmung oder Morbus Parkinson sind hingegen mögliche Ursachen für eine überaktive Blase.

  • Medikamente: Auch die Einnahme bestimmter Arzneimittel kann das Risiko für eine Inkontinenz erhöhen. Betablocker oder Cholinesterase-Hemmer reizen beispielsweise die Blase und begünstigen das Auftreten einer Dranginkontinenz.

  • Hormonelle Umstellungen: Die Ursache bei einer Belastungsinkontinenz liegt häufig in einer schwachen Beckenbodenmuskulatur, die mit einer Schwangerschaft, einer Geburt oder hormonellen Umstellungen in den Wechseljahren zusammenhängen kann.

  • Operationen: Bei Männern ist eine Prostatektomie (operative Entnahme der Prostata) bei Prostatakrebs häufig Ursache von Harninkontinenz. Oft bessern sich die Beschwerden aber innerhalb weniger Wochen oder Monate nach der Operation wieder.

  • Psychische Ursachen: Auch die Psyche kann zu Inkontinenz führen. Beispielsweise können Nervosität, Stress oder Angst Harninkontinenzprobleme auslösen oder Beschwerden verstärken.

Risikofaktoren für Blasenschwäche

Ein wesentlicher Risikofaktor für Inkontinenz ist der natürliche Alterungsprozess. Im Laufe des Lebens verliert das Gewebe an Elastizität und der Halteapparat der Beckenorgane erschlafft. In der Folge kommt es zu einer Senkung des Beckenbodens und die natürliche Öffnung der Harnröhre wird aufgedehnt.

Weitere begünstigende Faktoren einer Blasenschwäche sind:

  • Übergewicht, weil dadurch der Beckenboden erhöhtem Druck ausgesetzt ist

  • Bewegungsmangel, der eine schwächere Beckenbodenmuskulatur zur Folge hat

  • Ungünstige Entleerungsgewohnheit: Wer beispielsweise zu oft zur Toilette geht, mindert dadurch die Blasenkapazität, wer mit dem Toilettengang zu lange wartet, überdehnt die Blasenwand.

  • Heben schwerer Lasten, da dadurch der Beckenboden geschädigt werden kann

Eine familiäre Vorbelastung stellt ebenfalls ein Risiko für das Entstehen einer Blasenschwäche dar.

Inkontinenz: So erfolgt die Diagnose

Die Diagnose der Harninkontinenz beginnt mit einer ärztlichen Befragung (Anamnese), etwa nach der Häufigkeit des Wasserlassens. Ebenso sind Trinkgewohnheiten, eingenommene Medikamente und bestehende Grunderkrankungen von Interesse.

Da bei einer Harninkontinenz die Kontrolle über den Stuhl beeinträchtigt sein kann, fragt der*die Arzt*Ärztin zudem nach Häufigkeit und Konsistenz des Stuhlgangs oder ob eine Stuhlinkontinenz vorliegt.

Miktionstagebuch liefert wichtige Daten

Für eine genaue Diagnostik ist das Führen eines Miktionstagebuchs über mehrere Wochen hilfreich. In das Miktionstagebuch tragen Betroffene jeweils die Uhrzeit ein, zu der sie Harndrang verspüren, sie die Toilette zum Wasserlassen aufsuchen oder es zu ungewolltem Harnverlust kommt. Auch ausgeschiedenen Harnmengen werden notiert.

Weiterführende Untersuchungen bei Inkontinenz

Auf die Anamnese folgt die körperliche Untersuchung, insbesondere der Beckenregion. Um eine Infektion auszuschließen, wird zudem in der Regel eine Urinprobe auf mögliche Krankheitserreger untersucht. Weitere mögliche Untersuchungsmethoden sind:

  • Ultraschall-Untersuchung (Sonographie), mit der der obere und untere Harntrakt und vor allem die Harnleiter und Nieren kontrolliert werden

  • Blasendruckmessung (Urodynamik), um die Funktionsweise der Harnblase genauer zu untersuchen

  • Blasenspiegelung (Zystoskopie), die bei Verdacht auf Harnsteine, Polypen an der Blasenwand oder Tumoren in Betracht kommt

Sowohl die Blasenspiegelung als auch die Urodynamik erfordern eine örtliche Betäubung oder Narkose.

Therapie: Was hilft bei Inkontinenz?

Zur Behandlung kommen je nach Schweregrad und Form der Inkontinenz verschiedene Therapien infrage:

  • Spezielle Trainings (Beckenbodentraining, Toilettentraining)
  • Medikamente
  • Hilfsmittel wie Binden
  • Operationen (falls konservative Maßnahmen keine Besserung erzielen)

Spezielle Trainings bei Inkontinenz

Ein wesentlicher Bestandteil der Inkontinenz-Therapie ist das Beckenbodentraining. Die Beckenbodenmuskulatur spielt eine zentrale Rolle für die Blasenfunktion und kann mit entsprechenden Übungen gezielt gestärkt werden.

Neben einfachen Übungen für zu Hause, die im Rahmen einer Physiotherapie erlernt werden können, eignet sich auch eine Biofeedback-Therapie. Bei diesen Übungen für Frauen wird ein Sensor in die Vagina eingeführt.  Er zeigt die Kontraktionen der Beckenbodenmuskulatur auf einem Monitor an und hilft so, die Übungen zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur richtig auszuführen.

Eine weitere Maßnahme, vor allem bei Dranginkontinenz, ist das Blasen- oder Toilettentraining. Ziel ist es, die Intervalle zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Begonnen wird mit kurzen Zeitintervallen, zum Beispiel nur einmal alle zwei Stunden. Gelingt dies, werden die Intervalle schrittweise beispielsweise um jeweils 30 Minuten verlängert, sodass schließlich drei bis vier Stunden ohne Aufsuchen der Toilette möglich sind.

Ausreichend trinken bei Blasentraining

Menschen mit Dranginkontinenz neigen dazu, ihren Flüssigkeitskonsum einzuschränken, um nicht mehr so oft die Toilette aufsuchen zu müssen. Sie erreichen damit aber eher das Gegenteil. Denn zum einen steigt die Infektionsgefahr, da die Blase nicht ausreichend durchgespült wird. Zum anderen verliert die Blase mit der Zeit an Fassungsvermögen, wenn sie dauerhaft nur wenig Flüssigkeit enthält.

Medikamente bei Harninkontinenz

Reicht das Beckenbodentraining allein nicht aus, ist eine zusätzliche medikamentöse Therapie eine Option.

  • Bei der Belastungsinkontinenz kann der Wirkstoff Duloxetin dazu beitragen, die Häufigkeit des unfreiwilligen Urinverlusts zu reduzieren.

  • Zur Behandlung der Dranginkontinenz werden Muskarinrezeptorantagonisten eingesetzt. Sie hemmen die Blasenmuskulatur, um deren Kapazität zu erhöhen und die Muskulatur der Harnblase zu dämpfen. Um die übermäßige Aktivität der Harnblasenmuskulatur zu dämpfen, besteht die Möglichkeit, Botulinumtoxin A (Botox) zu injizieren. Die Behandlung muss nach sechs Monaten wiederholt werden.

Windeln und weitere Hilfsmittel bei Inkontinenz

Nicht immer lässt sich die Kontrolle über die Urinausscheidung wieder vollständig erlangen. Dann können im Alltag aufsaugende Inkontinenzhilfsmittel wie

  • Einlagen,
  • Windeln,
  • Inkontinenzhosen,
  • Inkontinenzslips oder
  • Bettschutzeinlagen helfen.

Wichtig ist dabei eine gute Hautpflege, um die Haut zu schützen und Gerüche zu vermeiden.

Operative Maßnahmen bei Inkontinenz

In Einzelfällen, insbesondere bei hohem Leidensdruck durch die Inkontinenz, können operative Eingriffe in Betracht gezogen werden. Am häufigsten wird sowohl bei Männern als auch bei Frauen in einem minimalinvasiven Eingriff ein spannungsfreies Bändchen eingesetzt, das die Harnröhre stützt oder verengt.

Bei Defekten der Harnröhrenschließmuskeln kann auch eine Unterspritzung helfen. Dabei werden gelartige Substanzen in die Schleimhaut um die Harnröhre gespritzt, um diese zu verengen.

Tipps zur Vorbeugung von Blasenschwäche

Zur Vorbeugung einer Blasenschwäche werden unter anderem folgende Maßnahmen empfohlen:

  • Übergewicht vermeiden

  • Körperlich aktiv bleiben

  • Gesunde Ernährung und Verzicht auf Rauchen

  • Nicht zu häufig Blase entleeren, aber auch nicht zu lange Urin "zurückhalten"

  • Beckenbodentraining

  • Prävention von Diabetes Typ 2

  • Ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen

  • Offener Umgang mit Inkontinenz-Symptomen

Tabu brechen: Bessere Aufklärung rund um Inkontinenz

Da Inkontinenz ein sehr intimes Thema ist, trauen sich viele Betroffene nicht, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Auswirkungen auf die Lebensqualität sind subjektiv und hängen vom Schweregrad der Inkontinenz ab. In vielen Fällen sind die Auswirkungen jedoch immens: Alltagsaktivitäten, soziale Kontakte und Sexualität leiden oft darunter. Eine bessere Aufklärung über das Thema Harninkontinenz kann zu einer Enttabuisierung und damit zu einer besseren Versorgung der Betroffenen führen.

20 typische Pilates-Übungen
Bestellen Sie den Newsletter

Haben Sie eine Frage?

Sie möchten Informationen zu bestimmten Krankheitssymptomen oder wollen medizinischen Rat? Hier können Sie Ihre Fragen an unsere Experten oder andere Lifeline-Nutzer stellen!

Artikel zum Thema
Corona: Welche Symptome sind möglich?

Die wichtigsten Fakten zum Coronavirus im Überblick und der aktuelle Impfstatus in Deutschland →

mehr...
Experten-Foren

Mit Medizinern und anderen Experten online diskutieren.

Forum wählen
Stichwortsuche in den Fragen und Antworten unserer Community

Durchstöbern Sie anhand der für Sie interessanten Begriffe die Beiträge und Foren in der Lifeline-Community.

Newsletter-Leser wissen mehr über Gesundheit

Aktuelle Themen rund um Ihre Gesundheit kostenlos per Mail.

Abonnieren

Zum Seitenanfang

afgis-Qualitätslogo mit Ablauf 2024/05: Mit einem Klick auf das Logo öffnet sich ein neues Bildschirmfenster mit Informationen über FUNKE Digital GmbH und sein/ihr Internet-Angebot: https://www.lifeline.de/

Unser Angebot erfüllt die afgis-Transparenzkriterien.
Das afgis-Logo steht für hochwertige Gesundheitsinformationen im Internet.

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt. Vielen Dank für Ihr Vertrauen.