Magersucht, Bulimie, Binge Eating

Essstörungen: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Qualitätssiegel Nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Expert*innen geprüft

Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimie (Ess-Brechsucht) und Binge Eating sind die drei Hauptformen von Essstörungen. Alle Betroffenen haben ein gestörtes Verhältnis zum Essen und dem eigenen Körper. Die Folgen von Essstörungen zeigen sich auf körperlicher, seelischer und sozialer Ebene – unbehandelt können sie zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen.

Schlanke Frau mit Essstörung sieht im Spiegel verzerrtes Bild
© iStock.com/ronstik

Artikelinhalte im Überblick:

Was sind Essstörungen?

Man spricht von einer Essstörung, wenn ein Mensch sein Essverhalten übermäßig stark einschränkt, kontrolliert oder die Kontrolle darüber verliert. Zu den drei häufigsten Arten von Essstörungen zählen Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimie (Ess-Brechsucht) und Binge Eating (Essattacken ohne Gegenmaßnahmen). Weitere Formen sind: Adipositas (krankhaftes Übergewicht), Orthorexie (fixiert auf gesundes Essen), Biggerexie (Muskelsucht) sowie Pica-Syndrom (Essen von Dingen, die keine Nahrungsmittel sind), Anorexia athletica (Sportanorexie).

Besonders Kinder und Jugendliche zeigen ein auffälliges Essverhalten: Ein Bericht des Robert-Koch-Instituts beschreibt bei einem Fünftel aller 11- bis 17-Jährigen in Deutschland den Verdacht auf eine Essstörung. Man geht heute davon aus, dass nachweislich 1,5 Prozent der Frauen und 0,5 Prozent der deutschen Männer unter einer der drei Hauptformen der Essstörungen leiden.

Anorexie, Bulimie, Binge Eating: Das haben sie gemeinsam

So unterschiedlich die Essstörungen auch sind, gibt es viele Gemeinsamkeiten. Diese führen dazu, dass Übergänge zwischen den einzelnen Störungen häufig und sehr fließend sind: Bei Magersucht entwickelt sich oft später eine Bulimie oder eine Binge-Eating-Störung. Das Essen beziehungsweise das Nicht-Essen bestimmt in allen Fällen das Leben der Betroffenen. Dies gilt für den Tagesablauf und Beruf sowie Gefühle und Beziehungen zu anderen. Verantwortlich für Glück oder Unglück ist für essgestörte Menschen der eigene Körper, der als Schlachtfeld für innere Spannungen dient.

Essgestörte haben in der Regel ein sehr niedriges Selbstwertgefühl und ein negatives Selbstbild. Sie wenden viel Kraft dafür auf, sich den Wünschen und Vorstellungen anderer Menschen anzupassen. Gerade bei Frauen ist das hervorstechende Merkmal für Anerkennung das Aussehen. Im Vordergrund steht die Figur, Modelmaße sind hier das Vorbild, dem nachgeeifert werden soll.

Eine weitere Gemeinsamkeit aller Essstörungen ist die mangelnde Kontrolle über sich selbst. Um den Alltag besser bewältigen zu können, werden Dinge wie Alkohol, Drogen, Nikotin, Fernsehen, Internet oder eben auch Essen unkontrolliert konsumiert und so einer psychischen Störung der Weg geebnet.

So unterscheiden sich die Essstörungen

Trotz dieser Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die einzelnen Essstörungen ganz erheblich. Allerdings sind besonders der Unterschied zwischen Magersucht und Bulimie, sowie der Unterschied zwischen Binge Eating und Bulimie nicht auf den ersten Blick erkennbar.

  • zum Selbsttest!

    Bulimie, Magersucht, Binge Eating, Orthorexie: Essstörungen können ganz unterschiedlich ausgeprägt sein. Sind Sie betroffen?

Unterschied Magersucht und Bulimie 

Menschen mit Anorexie und Bulimie wollen auf drastische Weise ihr Gewicht reduzieren. Bei beiden Formen der Essstörung kann es zu starkem Untergewicht kommen – besonders bei schweren Fällen der Magersucht ist das Leben der Erkrankten, durch die bestehende Mangelernährung, bedroht. 

Magersüchtige versuchen ihr Essverhalten so stark zu kontrollieren, dass sie immer mehr abnehmen. Sie erleben sich als zu dick und leben in ständiger Angst, zuzunehmen oder die Kontrolle über ihr Essverhalten zu verlieren. Menschen mit Bulimie leiden dagegen an Essanfällen. Sie können nicht steuern, wieviel Nahrung sie zu sich nehmen – es kommt zum unbeherrschbaren Drang zu essen. Weil Bulimie-Erkrankte aber nicht zunehmen möchten, versuchen sie die aufgenommene Nahrung wieder loszuwerden. Dies geschieht durch selbst herbeigeführtes Erbrechen oder die Einnahme von Abführmitteln. 

Unterschied Binge-Eating und Bulimie 

Wie bei der Bulimie, kommt es bei einer Binge-Eating-Störung immer wieder zu Essanfällen. Die Betroffenen können nicht steuern, was und wie viel sie essen. Die Essanfälle sind beim Binge Eating aber nicht so klar abgegrenzt wie die der Bulimie, häufig lassen sich das Ende eines Anfalls und der Neubeginn der nächsten Essattacke nicht eindeutig festlegen. Im Gegensatz zur Bulimie kommt es beim Binge Eating nicht zu Maßnahmen, die der Gewichtszunahme entgegensteuern. So führt eine Binge-Eating-Störung meist zu Übergewicht oder Fettleibigkeit (Adipositas), während eine Bulimie zu starkem Untergewicht führen kann.

Wie kann es zu Essstörungen kommen? 

Essstörungen lassen sich nicht auf einen einzelnen Auslöser zurückführen. Sie entstehen vielmehr aus dem Zusammenspiel biologischer (auch genetischer), psychischer und sozialer Faktoren. Für die einzelnen Hauptkrankheitsbilder gibt es aber Faktoren, denen man auslösenden Charakter zubilligt. 

In der Biografie vieler Menschen mit einer Essstörung finden sich traumatische Erfahrungen wie körperliche, emotionale oder sexuelle Gewalt. Auch wenn viele Betroffene aus scheinbar intakten und harmonischen Familien kommen, zeigen sich oft Beziehungsstörungen der einzelnen Familienmitglieder untereinander. Negative oder unerwünschte Gefühle wie Wut, Angst oder Traurigkeit werden in diesen Familien oft unterdrückt.

An diesen Symptomen lassen sich Essstörungen erkennen 

Ob Veränderungen des Essverhaltens ernstzunehmende Hinweise auf eine Erkrankung sind, oder ob es sich bei veränderten Verhaltensweisen um normale Veränderungen im Rahmen der pubertären Entwicklung handelt, kann nur ein Fachmann richtig beurteilen. Essstörungen entstehen aber nicht von heute auf morgen und die Übergänge, von merkwürdigen Essgewohnheiten hin zu einer krankhaften Störung, sind fließend. Besonders für Eltern, aber auch für Freunde und Lehrer ist es daher besonders wichtig, bei bestimmten Warnhinweisen fachkundige Hilfe einzuholen:

  • starke Gewichtsveränderung
  • Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen (zeigt sich besonders in panischer Angst vor Gewichtszunahme)
  • verändertes Essverhalten (Ausreden um Mahlzeiten auslassen zu können, Essanfälle, Essen wird versteckt oder entsorgt)
  • Frustessen
  • Reizbarkeit
  • Zunehmende sportliche Aktivitäten
  • Vernachlässigung von Freunden und Hobbies
  • Häufige Toilettengänge (anschließend riecht es nach Durchfall oder Erbrochenem)
  • körperliche Veränderungen wie geschwollene Speicheldrüsen oder eingerissene Mundwinkel durch das Erbrechen, Frieren, Kreislaufprobleme, Schwindel, Haarausfall
  • Abführmittel oder Mittel zum Abnehmen
  • Depressive, ängstliche oder zwanghafte Verhaltensweisen

Diagnose einer Essstörung

Wenn sich Betroffene, Eltern oder Lehrer an einen Fachmann wenden wollen, sind mögliche Anlaufstellen der Hausarzt, der Kinder- und Jugendarzt, der Psychotherapeut oder eine Spezialambulanz für Essstörungen. Auch unterschiedliche Beratungsstellen mit Erfahrungen im Umgang mit Essstörungen bieten Hilfe an. 

Die Diagnose einer Essstörung kann in der Regel nach einem ausführlichen Gespräch gestellt werden. Eine medizinische Diagnostik sollte aber ermitteln, ob die Symptome eventuell durch eine körperliche Erkrankung verursacht werden. Es werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt:

  • Bestimmung von Gewicht und Körpergröße zur Berechnung des Body-Mass-Index (BMI)
  • Messung von Blutdruck, Puls, Körpertemperatur 
  • Kontrolle der Durchblutung
  • Untersuchung der Herzfunktion
  • Blutuntersuchung
  • Urinuntersuchung 
  • Untersuchung der Leber und Nieren
Unbekannte Frau isst Salat mit Nüssen und trinkt Wasser
Selbsttest
Orthorexie: Bin ich betroffen?

Wird gesundes Essen zum Zwang, spricht man von der Essstörung Orthorexie. Doch wo verläuft die Grenze zwischen gesunder Ernährung und zwanghafter Kontrolle der verspeisten Lebensmittel? Machen Sie den Test zu Ihrem Orthorexie-Risiko!

Achtung: Der Test liefert lediglich Hinweise und ersetzt keine ärztliche Diagnose!

Behandlung von Essstörungen ist immer notwendig 

Die Hilfe bei Essstörungen muss immer auf körperlicher und psychischer Ebene stattfinden. Oft ist es sinnvoll, die gesamte Familie in die Behandlung einzubinden. Über den konkreten Behandlungsplan jedes einzelnen Betroffenen entscheidet individuell der behandelnde Arzt. In vielen Fällen ist eine stationäre Aufnahme notwendig – nur so kann in fortgeschrittenen Fällen der Magersucht das starke, lebensbedrohliche Untergewicht behandelt werden. Andere Möglichkeiten der intensiven Behandlung sind Tageskliniken und Wohngruppen, die sich auf die Betreuung von Essgestörten spezialisiert haben. 

Das erste Ziel einer Psychotherapie ist Gewichtszunahme oder -abnahme, wodurch ernsthafte körperliche Schäden verhindert werden sollen. In allen Fällen muss ein normales Essverhalten neu erlernt werden. Parallel werden die psychischen Probleme der Betroffenen in Einzel- und Gruppentherapien bearbeitet. So kann Verhaltenstherapie in Kombination mit Sport und anderen körperorientierten Therapien, eine Kunsttherapie oder eine Familientherapie helfen Entspannungstechniken und Selbstsicherheitstrainings haben sich ebenfalls bewährt.  In manchen Fällen ist auch der Einsatz von Medikamenten, oft Neuroleptika, sinnvoll. Ein weiterer Ansatz ist die sozialpädagogische Betreuung, die besonders bei länger bestehenden Essstörungen sehr wichtig ist.

Nicht behandelte Essstörungen haben ernste Folgen

Alle Essstörungen schädigen den Körper, haben seelische Folgen und führen zu sozialen Auffälligkeiten. Nachfolgend werden die typischsten Folgen der drei Haupt-Essstörungen aufgelistet. Diese sind aber nur ein Ausschnitt der möglichen Auswirkungen, die letztendlich immer von Fall zu Fall unterschiedlich sind. Eines haben aber alle Formen gemeinsam: Sie beeinflussen nicht nur den Erkrankten, sondern auch in ganz erheblichem Umfang das familiäre Umfeld, Freunde sowie Schule oder Arbeitsplatz.

Anorexie Bulimie Binge Eating
Starkes, teils lebensbedrohliches Untergewicht Starkes Untergewicht Starkes Übergewicht
Trockene Haut und brüchige Haare Zahnschäden durch Erbrechen Bluthochdruck und Diabetes mellitus
Ausbleiben der Regelblutung oder Potenzstörungen Schäden an Gelenken und Wirbelsäule durch das Übergewicht
Osteoporose Nierenschäden

Atem- und Schlafstörungen 

 

Wachstumsstörungen Bauchspeicheldrüsenentzündung Allgemeine Antriebslosigkeit 
Herz-Kreislauf-Störungen
Depressionen mit Scham und Selbsthass, teilweise mit Selbstverletzungen wie Ritzen oder Kratzen
Angst- und Zwangsstörungen

Können Betroffene wieder gesund werden? 

Die Heilungschancen für Patienten mit Essstörungen sind schwer zu beurteilen. Je früher die Therapie beginnt, desto besser sind die Chancen, einen Weg aus der Essstörung heraus zu finden. Man geht davon aus, dass dies bei 70-80 Prozent aller Betroffenen gelingt. Viele Erkrankte behalten aber auch nach überstandener Erkrankung ein "spezielles Verhältnis" zu Essen. Sie achten mehr als andere Menschen darauf, was und wie viel sie essen. 

Bei etwas über 20 Prozent der magersüchtigen Patienten kommt es immer wieder zu Rückfällen oder einem chronischen Verlauf. Essstörungen können sogar tödlich verlaufen: Etwa 5 Prozent aller Menschen mit einer fortgeschrittenen Magersucht sterben an ihrer Erkrankung. Ohne angemessene Behandlung erhöht sich dieser Wert auf 10-15 Prozent.

Ernährungsregeln: So essen Sie sich gesund und fit
Meistgeklickt zum Thema
Magersucht: Bin ich betroffen?
Anorexia nervosa

Essstörungen sind sehr verbreitet. Testen Sie, ob Sie möglicherweise unter Magersucht leiden! → Weiterlesen

Orthorexie: Gesunde Ernährung als Zwang
Auffälliges Essverhalten

Orthorexie bedeutet, sich zwanghaft gesund zu ernähren. Ursachen, Anzeichen und Therapie der Orthorexie. → Weiterlesen

Haben Sie eine Essstörung?
Essstörungen

Testen Sie, ob Ihr Essverhalten normal ist oder ob Sie eine Essstörung haben! → Weiterlesen

Aktuelle Artikel zum Thema
Bulimie: Raus aus der Ess-Brech-Sucht
Schwerwiegende Folgen möglich

Menschen mit der Essstörung Bulimie leiden unter wiederkehrenden Essattacken. Anschließend versuchen sie verzweifelt die aufgenommenen Kalorien wieder loszuwerden → Weiterlesen

Magersucht (Anorexie): Symptome erkennen und behandeln
Verläuft häufig tödlich

Von Magersucht Betroffene hungern sich manchmal bis zum Tod herunter. Was hilft? → Weiterlesen

Binge Eating: Teufelskreis aus Essanfällen und Schuldgefühlen
Schwerwiegende Essstörung

Binge Eating bezeichnet eine Form der Essstörung, bei der es zu Essanfällen kommt: Der Leidensdruck Betroffener ist oft sehr hoch. → Weiterlesen

Beratender Experte
Herr Dr. med. Roger Eisen

Naturheilverfahren, Sportmedizin, Chirotherapie, Anti-Aging in Bad Griesbach

Body-Mass-Index: BMI schnell und einfach berechnen!

Wie steht es um Ihr Körpergewicht? Mit dem BMI-Rechner finden Sie das schnell heraus

mehr...
Aktuelle Fragen aus der Community
  • Expertenrat Ernährung, Diät und Abnehmen
    Hashimoto
    gestern, 21:33 Uhr

    Hallo  Warum behandeln manche ÄRZTE Hashimoto mit L Thyroxin und andere mit Prothyrid,...  mehr...

  • Expertenrat Vitamine
    Hemmung der Eisenaufnahme durch Kalzium
    14.03.2024 | 17:56 Uhr

    Sehr geehrter Dr. Eisen,  meine Tochter mag partout kein Fleisch und soll auf Anraten des...  mehr...

  • Expertenrat Vitamine
    Krankheitserreger in Lebensmitteln
    05.12.2023 | 09:16 Uhr

    Sehr geehrter Herr Dr. Eisen, ich habe neulich in einem Tageszeitungs-Artikel gelesen,...  mehr...

Newsletter-Leser wissen mehr über Gesundheit

Aktuelle Themen rund um Ihre Gesundheit kostenlos per Mail.

Abonnieren
Experten-Foren

Mit Medizinern und anderen Experten online diskutieren.

Forum wählen

Zum Seitenanfang

afgis-Qualitätslogo mit Ablauf 2024/05: Mit einem Klick auf das Logo öffnet sich ein neues Bildschirmfenster mit Informationen über FUNKE Digital GmbH und sein/ihr Internet-Angebot: https://www.lifeline.de/

Unser Angebot erfüllt die afgis-Transparenzkriterien.
Das afgis-Logo steht für hochwertige Gesundheitsinformationen im Internet.

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt. Vielen Dank für Ihr Vertrauen.