Selbstbestimmt leben

Behinderung: Arten, Grad und Hilfen

Menschen jeden Alters können von einer Behinderung betroffen sein. Um staatliche Leistungen zu erhalten, wird der Grad der Behinderung bestimmt. Was Sie darüber wissen sollten und welche Hilfen es für Menschen mit Behinderungen gibt.

Frau im Rollstuhl sitzt am Laptop
© Getty Images/shironosov

Zum Jahresende 2021 lebten in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 7,8 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung – das entspricht 9,4 Prozent der Bevölkerung. Wer von einer Behinderung betroffen ist, muss meist einen zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Mehraufwand im Alltag auf sich nehmen. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Barrieren für behinderte Menschen kontinuierlich abzubauen (Barrierefreiheit) und ihnen eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Unter anderem besteht daher der Anspruch auf den sogenannten "Nachteilsausgleich".

Artikelinhalte im Überblick:

Schlaganfall: Vorboten und akute Symptome erkennen

Was ist eine Behinderung?

Eine allgemeingültige Definition von Behinderung gibt es nicht. Was in einer Gesellschaft als Behinderung gilt, ist unter anderem von sozialen und kulturellen Normen abhängig. Heute wird der Begriff "Behinderung" vor allem auf einer sozialen Ebene betrachtet. Denn Barrieren in der Umwelt und negative Einstellungen der Mitmenschen erschweren es Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, ungehindert am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Im Neunten Sozialgesetzbuch (§ 2 Abs. 1 SGB IX) ist Behinderung folgendermaßen definiert:

"Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist."

Ursachen einer Behinderung

Menschen können aus den unterschiedlichsten Gründen mit einer Behinderung leben. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Kind bereits mit einer Behinderung geboren wird – etwa, weil eine Chromosomenstörung wie Trisomie 21 vorliegt. Ebenso ist es möglich, dass eine Behinderung erst im Laufe des Lebens erworben wird. Beispielsweise, weil ein Mensch nach einem Schlaganfall gelähmt ist und im Rollstuhl sitzt. Auch durch einen Unfall oder eine Berufskrankheit kann eine Behinderung entstehen.

Welche Arten von Behinderung gibt es?

Behinderungen sind keine einheitlichen, festgelegten Gruppen. Vielmehr werden die verschiedenen Bezeichnungen als Sammelbegriffe verstanden, denen unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen und die diverse Erscheinungsformen und Ausprägungen haben können.

Die verschiedenen Begrifflichkeiten stehen immer wieder im öffentlichen Diskurs und werden teilweise als problematisch erachtet. Der Grund: Bestimmte Bezeichnungen – wie etwa eine geistige Behinderung – können zu einer Stigmatisierung führen. Oftmals werden daher alternative Bezeichnungen verwendet oder zumindest gefordert. Die Bezeichnung „Menschen mit Behinderungen“ wird aktuell als politisch korrekt betrachtet. Vermieden werden sollten in diesem Zusammenhang die Umschreibung „an einer Behinderung leiden“ oder der Begriff „Schädigungen“ statt „Beeinträchtigungen“.

In der Definition von Behinderung im Neunten Sozialgesetzbuch werden folgende Behinderungen genannt:

  • Körperbehinderung/körperliche Behinderung: Dieser Begriff umfasst alle Erscheinungsformen und Schweregrade von körperlichen Bewegungseinschränkungen. Solche Behinderungen entstehen zum Beispiel durch Schädigungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Dazu gehören unter anderem Schädigungen des Zentralen Nervensystems, die zu einer Querschnittslähmung geführt haben oder auch der Verlust von Gliedmaßen durch einen Unfall.

  • Psychische Behinderung/seelische Behinderung: Menschen können aufgrund von Symptomen einer psychischen Störung an einer Behinderung leiden. Dies ist etwa der Fall, wenn jemand durch seine Depression nicht mehr dazu in der Lage ist, zur Arbeit zu gehen oder sich selbst zu versorgen.

  • Geistige Behinderung: Bei einer geistigen Behinderung sind die kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt, wobei sich die Schwere dieser Einschränkungen von Mensch zu Mensch unterscheidet. In der Medizin wird eine geistige Behinderung als eine Intelligenzminderung definiert. Sie äußert sich durch eine Entwicklungsverzögerung im Baby- oder Kindesalter, zum Beispiel bei der Sprachentwicklung. Die Ursachen für eine geistige Behinderung können Gendefekte oder erworbene Schädigungen sein. Beim fetalen Alkoholsyndrom kommt es zum Beispiel aufgrund von Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft bereits im Mutterleib zu Schädigungen des Ungeborenen.

  • Sinnesbehinderung: Bei einer Sinnesbehinderung ist der Seh-, Hör,- Tast- oder Riechsinn eingeschränkt und kann nicht durch Hilfsmittel wiederhergestellt werden. Hierzu gehört zum Beispiel der Verlust des Hörvermögens oder eine angeborene Blindheit.

Zudem gibt es weitere Begrifflichkeiten für verschiedene Formen von Behinderungen. Dazu gehören zum Beispiel Behinderungen durch chronische Erkrankungen wie Asthma, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch andere Arten der Behinderung werden als Oberbegriffe geführt und sind häufig nicht eindeutig definiert. Bei einer Lernbehinderung kann ein Mensch zum Beispiel Schwierigkeiten in Lernbereichen wie dem Lesen oder Rechnen haben, bei einer Sprachbehinderung kann sich die Sprache verzögert entwickeln oder der Redefluss ist wie beim Stottern beeinträchtigt. Solche Behinderungen gehen nicht zwangsläufig mit einer verminderten Intelligenz einher.

Was ist der Grad der Behinderung?

Der Grad der Behinderung (GdB) soll Auskunft über die geistigen, seelischen, körperlichen und sozialen Auswirkungen einer Behinderung geben, die Einfluss auf die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben haben. Er wird benötigt, um eine Einschätzung darüber zu erhalten, wie stark eine Behinderung die Person in allen Lebensbereichen beeinflusst. Auch wer einen Nachteilsausgleich in Anspruch nehmen möchte, muss den Grad zuvor feststellen lassen. Je höher der Grad, desto mehr Leistungen stehen den Betroffenen zu. Er gibt keine Auskunft über die Leistungsfähigkeit eines Menschen in seinem Arbeitsleben.

  • Beantragung: Der Grad der Behinderung wird vom zuständigen Versorgungsamt festgelegt – er richtet sich nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Diese umfassen alle relevanten Krankheiten und deren Ausprägungen. Oftmals kann der Antrag online gestellt werden. Für die Beantragung ist es wichtig, den eigenen Gesundheitszustand möglichst genau zu schildern und medizinische Gutachten beizulegen.

  • Aussagekraft: Die Angabe erfolgt in Zehnergraden von 20 bis 100. Je höher die Zahl, desto schwerer ist die Behinderung. Hinter den Zahlen verbergen sich allerdings keine Prozentangaben. Ein schwerbehindertet Mensch hat einen Grad von mindestens 50. Personen mit einem niedrigeren GdB können gleichgestellt werden, wenn ihr Grad der Behinderung mindestens 30 beträgt und sie aufgrund ihrer Behinderung ohne diese Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht bekommen oder behalten könnten.

  • Selbstauswertung: Die Versorgungsmedizin-Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist ein öffentlich zugängliches Dokument und kann online eingesehen werden. Die Auswertung gestaltet sich jedoch als sehr komplex. Möchte man vor der Antragstellung selbst seinen Grad der Behinderung bestimmen oder zweifelt man das Urteil im Nachhinein an, sollte man sich fachlich beraten lassen. Hilfe bieten die Sozialverbände – etwa der Sozialverband VdK Deutschland e.V. oder Sozialverband Deutschland e.V.

Grad der Behinderung: GdB-Tabelle

In der Versorgungsmedizin-Verordnung ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) angegeben. GdB und GdS werden nach den gleichen Grundsätzen bemessen. Folgende Bereiche werden in der Tabelle erfasst:

  • Kopf und Gesicht
  • Nervensystem und Psyche
  • Sehorgan
  • Hör- und Gleichgewichtsorgan
  • Nase
  • Mundhöhle, Rachenraum und obere Luftwege
  • Brustkorb, tiefere Atemwege und Lungen
  • Herz und Kreislauf
  • Verdauungsorgane
  • Brüche (Hernien)
  • Harnorgane
  • männliche Geschlechtsorgane
  • weibliche Geschlechtsorgane
  • Stoffwechsel, innere Sekretion
  • Blut, blutbildende Organe, Immunsystem
  • Haut
  • Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten

Welche Leistungen erhalten Menschen mit Behinderungen?

Menschen mit und ohne Behinderungen sollen ungehindert und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Hierfür hat sich der Begriff Inklusion durchgesetzt. Jeder Mensch soll akzeptiert und einbezogen werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass Schüler*innen mit Behinderung durch die Hilfe von Schulbegleiter*innen eine Regelschule besuchen können.

Im Sinne der Inklusion stehen Menschen mit Behinderungen verschiedene Leistungen zur Verfügung, um eventuelle Nachteile auszugleichen. Solche Leistungen sind zum Beispiel:

  • Besondere Regelungen für Menschen mit Schwerbehinderung: Sie können spezielle Leistungen beantragen, die sich auf die Arbeitswelt oder den Alltag beziehen. Dazu gehören zum Beispiel ein besonderer Kündigungsschutz, mehr Urlaubstage, ein früherer Renteneintritt, Steuererleichterungen und Ermäßigungen im öffentlichen Nahverkehr oder beim Eintritt in Kultureinrichtungen. In der Regel müssen Nachteilsausgleiche beantragt werden, in vielen Fällen ist es erforderlich, einen Schwerbehindertenausweis mit den passenden Merkzeichen zu besitzen.

  • Persönliches Budget: Dadurch haben behinderte Menschen mehr freie Entscheidungsmöglichkeiten. Statt Sachleistungen erhalten Sie Gelder und können eigenständig und unabhängig entscheiden, für welche Leistungen sie diese ausgeben möchten.

  • Hilfsangebote für Ausbildung und Arbeit: Die Bundesagentur für Arbeit bietet auf ihrer Webseite einen Überblick zu den finanziellen Fördermöglichkeiten. Sollte das erzielte Einkommen nicht ausreichen, kann zusätzlich Arbeitslosengeld II beantragt werden. Ist es aufgrund der Behinderung nicht möglich zu arbeiten, besteht ebenfalls ein Anspruch auf Grundsicherung.

  • Eingliederungshilfe: Menschen mit Behinderungen haben im Sinne der Eingliederungshilfe Anspruch auf verschiedene Leistungen – etwa eine Unterstützung beim Wohnen, in der Schule, bei der Arbeit oder der medizinischen Rehabilitation. Unter anderem ist es möglich, ein spezielles Budget für eine Ausbildung zu beantragen.

  • Unterstützung für Eltern, die Kinder mit einer Behinderung haben: Bei Muttschaftsgeld, Elterngeld und Kindergeld können gegebenenfalls besondere Bedingungen gelten. Auch Leistungen wie das Persönliche Budget können von Eltern für ihre Kinder beantragt werden.

  • Hilfe für pflegende Angehörige: Sie müssen in ihrem Alltag mit einem erheblichen Mehraufwand umgehen. Zu ihrer Unterstützung gibt es verschiedene Möglichkeiten – von finanziellen Förderungen bis zur Familienpflegezeit.

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