Niedriger Kalziumspiegel

Hypoparathyreoidismus: Symptome einer Nebenschilddrüsenunterfunktion

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Produziert die aus vier Drüsen bestehende Nebenschilddrüse zu wenig Parathormon (PTH), sinkt der Kalziumspiegel im Blut unter den Normalwert. Die Unterfunktion, fachsprachlich Hypoparathyreoidismus genannt, hat vielfältige Störungen und Symptome zur Folge. Lesen Sie hier, wie die Erkrankung behandelt wird.

Hypoparathyreoidismus: Nebenschilddrüsenunterfunktion
© Getty Images/Photographer, Basak Gurbuz Derman

Das Parathormon (PTH) reguliert den Kalzium-Phosphat-Haushalt und wird in der Nebenschilddrüse gebildet. Ist die Kalziumspiegel im Blut zu niedrig, wird das Parathormon vermehrt ausgeschüttet. Dies führt etwa zu einer Mobilisation des gespeicherten Kalziums aus den Knochen. Kommt es im Zuge einer Nebenschilddrüsenunterfunktion (Hypoparathyreoidismus) zu einer verminderten Bildung des Hormons, gerät der Mineralstoffwechsel aus dem Gleichgewicht. Es drohen schwerwiegende Folgen.

Im Überblick:

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Was ist Hypoparathyreoidismus?

Bei Hypoparathyreoidismus handelt es sich um eine Unterfunktion der Nebenschilddrüse, welche hinter der Schilddrüse vorne am Hals zu verorten ist. Die Folge ist eine zu geringe Ausschüttung von Parathormon und infolgedessen ein Mangel an Kalzium im Blut.

Fachleute unterscheiden zwei Formen der Erkrankung: den seltenen angeborenen sogenannten primären Hypoparathyreoidismus und den häufigeren erworbenen sekundären Hypoparathyreoidismus. Letztere ist auf eine Schädigung der Nebenschilddrüse, beispielsweise durch eine Schilddrüsenoperation oder Autoimmunerkrankung, zurückzuführen.

Darüber hinaus muss der Hypoparathyreoidismus vom Pseudohypoparathyreoidismus (PHP) abgegrenzt werden, bei dem das Ansprechen (fachsprachlich auch als Sensitivität bezeichnet) auf das Parathormon vermindert ist. Aufgrund genetischer Ursachen, die entweder den Parathormonrezeptor selbst oder die Signalverarbeitung in den Zellen der Zielorgane betreffen, kommt trotz ausreichend hohem Parathormonspiegel keine ausreichende physiologische Wirkung zustande. Das heißt, die gestörte Sensitivität beim Pseudohypoparathyreoidismus geht mit den typischen Symptomen eines Hypoparathyreoidismus einher.

Hypoparathyreoidismus: Symptome der Nebenschilddrüsenunterfunktion

Verantwortlich für die Symptome sind der durch Hypoparathyreoidismus bedingte Kalziummangel (Hypokalzämie oder Hypocalcämie) und in geringerem Maße der zu hohe Phosphatspiegel (Hyperphosphatämie).

Aufgrund der Hypokalzämie wird die Reizleitung zwischen Nerven und Muskeln beeinträchtigt, was bei einer Nebenschilddrüsenunterfunktion einerseits zu Fehl- beziehungsweise Missempfindungen (Parästhesien) wie

  • Prickeln,
  • Taubheitsgefühl,
  • Pelzigkeit,
  • schmerzhaftem Brennen und
  • Kribbeln

insbesondere im Gesicht und an Händen und Füßen führt. Zum anderen treten latente oder offensichtliche schmerzhafte Muskelkrämpfe (Spasmen) auf. Fachsprachlich werden sie als hypokalzämische Tetanie bezeichnet. Von den Spasmen sind wiederum vor allem die Hände, Füße und die Kiefermuskulatur betroffen. Es kann aber auch die glatte Muskulatur krampfen, also die Muskeln der

  • Atemwege (Bronchialspasmen),
  • Blutgefäße oder
  • des Darms.

Dies kann sich als Atemnot, Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen äußern. Darüber hinaus kann es zu epileptischen Krampfanfällen kommen. Die Hypokalzämie kann sich aber auch auf der psychischen Ebene in Form von unerklärlichen Angstgefühlen und Reizbarkeit äußern.

Symptome bei Kindern

Bleibt der Hypoparathyreoidismus bei Kindern über lange Zeit unbehandelt, können verschiedene Spätfolgen auftreten, darunter:

Der Pseudohypoparathyreoidismus fällt durch Kleinwuchs, Verkalkungen in der Haut und geistige Entwicklungsverzögerung (Retardierung) auf.

Welche Ursachen gibt es für Hypoparathyreoidismus?

Der sekundäre Hypoparathyreoidismus ist mit rund 80 Prozent die weitaus häufigere Form. Die Ursache liegt etwa in der Schädigung der Nebenschilddrüse während einer Operation. Zu versehentlichen Verletzungen des Organs kommt es beispielsweise bei einer teilweisen (subtotalen) oder kompletten (radikalen) Schilddrüsenentfernung (Thyreoidektomie) zur Behandlung von Schilddrüsenkrebs.

Weitere Ursachen für die erworbene Form des Hypoparathyreoidismus sind beispielsweise eine Bestrahlung zur Behandlung von Tumoren (Strahlentherapie) sowie Autoimmunerkrankungen, die das empfindliche Drüsengewebe zerstören.

Weitere Ursachen einer Nebenschilddrüsenunterfunktion

In seltenen Fällen ist der Hypoparathyreoidismus genetisch bedingt, also angeboren (primärer Hypoparathyreoidismus). Hierbei kommen verschiedene Genmutationen als Auslöser infrage. Eine mögliche Form der primären Nebenschilddrüsenunterfunktion ist die autosomal-dominante Hypokalzämie oder familiäre hyperkalziurische Hypokalzämie (ADH). Dabei treten die Symptome schon im Kindesalter auf. Hier ist aufgrund von Genmutationen der Calcium-Sensing-Rezeptor der Nebenschilddrüse defekt, über den die Parathormonsynthese gesteuert wird.

Auch das DiGeorge-Syndrom kann mit einer Nebenschilddrüsenunterfunktion einhergehen. Bei dieser häufigen angeborenen Störung kommt es zum Verlust bestimmter DNA-Abschnitte. Bei Neugeborenen kann die Nebenschilddrüsenunterfunktion außerdem vorübergehend auftreten, wenn die Mutter an dieser Störung leidet. Auch ein Magnesiummangel der Mutter kann eine Nebenschilddrüsenunterfunktion bei Neugeborenen verursachen.

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Diagnose: Wie wird Hypoparathyreoidismus festgestellt?

Bei entsprechenden Symptomen und Verdacht auf einen Hypoparathyreoidismus gibt die Erfragung der Krankengeschichte (Anamnese) bereits Hinweise. Spricht die Situation für eine Unterfunktion der Nebenschilddrüse, kann die resultierende Hypokalzämie durch einen Bluttest abgeklärt werden. Neben verringerten Kalziumwerten im Blut sind noch weitere Laborwerte für die Diagnose relevant, darunter:

Auch der Urin wird meist auf erhöhte Kalziumwerte untersucht. Wird eine genetische Ursache für die Nebenschilddrüsenunterfunktion vermutet, schließt sich meist ein Gentest an.

Körperliche Untersuchungen

Daneben können auch körperliche Untersuchungen Hinweise auf die Erkrankung geben. So kann ein positives Chvostek-Zeichen einen Kalziummangel offenlegen. Dabei wird mit einem Hammer vorsichtig auf den Stamm eines Gesichtsnervs (Nervus facialis) geklopft. Kommt es danach zu einer Kontraktion der Gesichtsmuskulatur im Bereich der Oberlippe und Wange, ist dies ein Hinweis auf die Nerven-Übererregbarkeit (Tetanie), die mit einer Hypokalzämie einhergeht. Benannt ist dieses Zeichen nach dem Entdecker der Reaktion, dem österreichischen Arzt Franz Chvostek.

Oftmals wird noch ein weiterer Test zum Nachweis eines Hypoparathyreoidismus durchgeführt. Dafür wird die Blutdruckmanschette am Oberarm wie zum Blutdruckmessen aufgepumpt. Wenn das Blut gestaut ist, kommt es zur „Pfötchenstellung“, was Trousseau-Zeichen genannt wird. Die Hand ist dabei gekrümmt, die Finger aneinandergepresst und der Daumen liegt in der Handfläche.

Weitere diagnostische Verfahren

Röntgenaufnahmen oder eine Computertomografie (CT) können Folgeschäden der Erkrankung sichtbar machen und beispielsweise Verkalkungen des Gehirns aufzeigen. Verkalkungen des Herzens können durch eine Ultraschalluntersuchung (Echokardiographie) abgeklärt werden. Eine ebenfalls mögliche Störung der Erregungsleitung im Herzen lässt sich mit einem Elektrokardiogramm (EKG) nachweisen.

Wenn davon auszugehen ist, dass die Unterfunktion der Nebenschilddrüse schon länger besteht, können auch eine augenärztliche sowie eine ohrenärztliche Untersuchung sinnvoll sein. Dabei wird überprüft, ob bereits ein grauer Star oder eine Verkalkung des Innenohres vorliegt. Eine Beteiligung der Niere kann durch Fachleute der Nephrologie ausgeschlossen oder bestätigt werden.

Wie wird Hypoparathyreoidismus behandelt?

Hypoparathyreoidismus bei Kindern wird in der Regel nicht durch die Gabe des Parathormons (rekombinantes rhPTH [1–84]) behandelt. Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED) schlagen jedoch zur Behandlung von Hypoparathyreoidismus und Pseudohypoparathyreoidismus in schwerwiegenden Fällen einen Off-Label-Einsatz des Hormonpräparats vor. Das heißt, auch wenn das Hormonmedikament von der Arzneimittelbehörde nicht zur Behandlung einer Nebenschilddrüsenunterfunktion bei Kindern zugelassen ist, kann es verordnet werden. Für Erwachsene hingegen ist das Medikament in Europa generell für den Einsatz bei Hypoparathyreoidismus zugelassen. Die Hormongabe erfolgt als Spritze.

Im Vordergrund der Behandlung steht meist der Ausgleich des Kalziummangels und des Mineralstoffhaushalts im Blut. Zusätzlich zu Kalzium in Tablettenform werden bei Hypoparathyreoidismus hoch dosiert aktive Vitamin-D-Metabolite wie Calcitriol verabreicht. Vitamin D ist ebenfalls in den Kalziumstoffwechsel des Körpers involviert. Im Extremfall eines epileptischen Krampfanfalls oder einer Muskelkrampf (Tetanie) wird Kalzium auch akut als Infusion gegeben.

Da der Kalziumspiegel einen gewissen Wert nicht überschreiten darf, müssen regelmäßig alle drei Monate die Kalzium- und Phosphatspiegel im Blut zu Kontrolle bestimmt werden, zu Beginn der Therapie sogar noch häufiger. Die Phosphatspiegel müssen zusätzlich bestimmt werden, da das Parathormon auch den Phosphatspiegel reguliert wird und die Konzentration daher in Abhängigkeit vom Kalziumspiegel variiert. Üblicherweise normalisieren sich die Phosphatspiegel durch die Gabe von Kalzium und aktiven Vitamin-D-Metaboliten, sodass Patient*innen keine besondere Diät einhalten müssen.

Der Anstieg der Kalziumspiegel auf unphysiologisch hohe Werte muss verhindert werden, weil Kalzium sonst nicht mehr im Blut löslich wäre, in den Urin ausgeschieden würde und damit zu Nierensteinen führen könnte. Eine noch schwerwiegendere Folge wäre die Kalziumablagerung unter anderem in den empfindlichen Nierenkörperchen und Nierenkanälchen. Diese könnten dadurch ihrer Filtrierfunktion nicht mehr nachkommen, was in einer Störung der Nierenfunktion resultieren würde.

Prognose bei Hypoparathyreoidismus

Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung ist die Prognose bei Hypoparathyreoidismus günstig. Viele Beschwerden, Folgeschäden und Komplikationen können durch die Einnahme von Kalzium und Vitamin D verhindert werden. Trotz medikamentöser Therapie kommt es bei Hypoparathyreoidismus gehäuft zu Nierenleiden wie Nierensteinen und Nierenversagen. Daneben haben Menschen mit Hypoparathyreoidismus ein erhöhtes Risiko für:

Die Lebensqualität von Patient*innen mit Hypoparathyreoidismus kann vermindert sein. Um die medikamentöse Therapie zu unterstützen, setzen viele Betroffene auf eine spezielle Ernährung. Dabei sollte viel Kalzium und wenig Phosphat über die Speisen aufgenommen werden. Um den Phosphatanteil in der Nahrung niedrig zu halten, sollte vor allem auf Lebensmittel mit phosphathaltigen Zusatzstoffen verzichtet werden, wie:

  • Schmelzkäse
  • Cola und colahaltige Getränke
  • Fertiggerichte

Ob und inwieweit die Ernährung den Verlauf der Erkrankung beeinflusst und etwa eine medikamentöse Therapie ersetzen beziehungsweise unterstützen kann, ist allerdings bislang nicht abschließend wissenschaftlich geklärt.

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