Operation und Folgen

Hodenhochstand bei Kind und Mann: Welche Folgen drohen?

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Hodenhochstand bedeutet, dass sich die Hoden bei der Geburt nicht im Hodensack, sondern noch im Bauch oder den Leisten befinden. Fast jeder dritte frühgeborene Junge hat einen Hodenhochstand. Von den termingerecht geborenen Knaben sind nur höchstens drei Prozent betroffen.

Hodenhochstand: Welche Folgen drohen?
© Getty Images/Westend61

Im Überblick:

Woher Hodenschmerzen kommen

Was ist Hodenhochstand und wie häufig ist die Erkrankung?

Hodenhochstand (medizinisch Maldescensus testis oder Kryptorchismus) bedeutet, dass einer oder beide Hoden zum Zeitpunkt der Geburt nicht im Hodensack liegen. Es handelt sich um die häufigste Anomalie des Urogenitaltraktes. Er tritt bei etwa 0,7 bis 3 Prozent der termingerecht geborenen Jungen auf.

Wesentlich häufiger betrifft die Fehlbildung Frühgeborene – in dieser Gruppe haben sogar bis zu 30 Prozent einen Hodenhochstand.

Symptome: So äußert sich ein Hodenhochstand

Meist wird der Hodenhochstand bei der ersten Untersuchung direkt nach der Geburt entdeckt. Das bedeutet, ein oder zwei Hoden können nach der Geburt nicht ertastet werden, der Hodensack ist leer. Die Symptome sind also eindeutig.

Verschiedene Formen und ihre Anzeichen:

  • Bauchhoden (Kryptorchismus): Die Hoden befinden sich im Bauchraum und lassen sich nicht ertasten.

  • Leistenhoden: Die Hoden können im Leistenkanal ertastet werden, sie lassen sich aber nicht von dort aus in den Hodensack führen.

  • Gleithoden: Die Hoden sind im Leistenkanal ertastbar, sie lassen sich mit etwas Druck in den Hodensack (genauer in das Skrotalfach) bewegen, von dort gleiten sie jedoch wieder zurück.

  • Pendelhoden: Die Hoden befinden sich zwar im Hodensack, wandern jedoch immer wieder in die Leiste zurück, etwa bei Kälte.

  • Hodenektopie: Bei dieser äußerst seltenen Anomalie befinden sich die Hoden außerhalb ihres normalen Weges, etwa im Oberschenkel oder Damm.

Hodenhochstand: Ursachen und Risikofaktoren

Im Laufe der vorgeburtlichen Entwicklung wandern die Hoden normalerweise vom Bauchraum durch den Leistenkanal in den Hodensack. Embryos haben also von Natur aus einen Hodenhochstand. Bei einem Hodenhochstand weicht die Lokalisation des Hodens nach der Geburt von der Norm ab. Vorausgesetzt, dass sie angelegt worden sind, befinden sich die Hoden dann meist irgendwo auf dem Weg zwischen ihrem Anlage- und Zielort. Die Ursachen für die Lageanomalie sind sehr unterschiedlich.

Mögliche Ursachen:

  • anatomische Besonderheiten des Samenstrangs
  • Veränderungen im Leistenkanal
  • hormonelle Störungen seitens der Mutter als auch des Kindes
  • erbliche Veranlagung
  • Umweltfaktoren (Pestizide)
  • Alkoholkonsum der Mutter
  • Rauchen der Mutter und eventuell Passivrauchen

Wie wird ein Hodenhochstand festgestellt?

Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen wird die*der Kinderärztin*Kinderarzt regelmäßig die Lage der Hoden kontrollieren und dabei gegebenenfalls auch einen Hodenhochstand feststellen. Bei Hodenhochstand mit tastbarem Hoden wird dieser sanft mit dem Finger der einen Hand vom Leistenkanal her nach unten ausgestrichen und mit der anderen Hand vom Hodensack aus dagegen getastet. So können Ärzt*innen Leisten-, Gleit- und Pendelhoden unterscheiden. Diese Untersuchung wird mehrmals innerhalb weniger Wochen durchgeführt, da sich die Situation durch eine verspätete Hodenwanderung noch verändern kann.

Auch die Eltern können bei der Diagnose helfen: Sie sollten gelegentlich beim Wickeln oder Baden darauf achten, ob sich beide Hoden im Hodensack befinden.

Beim Hodenhochstand ist der rechte Hoden häufiger betroffen und bei vier von fünf Babys im Leistenkanal tastbar. Da es sich bei der Anomalie um eine Entwicklungsstörung handelt, besteht eine gute Chance, dass der Hoden bis zum Ende des ersten Lebensjahres noch in den Hodensack absteigt und der Hodenhochstand damit von selbst beendet ist.

Der beste Zeitpunkt zur Untersuchung und Diagnose ist vor dem sechsten Monat, weil der Hodenhochzugreflex (Cremasterreflex) dann noch nicht sehr ausgeprägt ist und die Fettpölsterchen noch eine genaue Untersuchung ermöglichen.

Lassen sich die Hoden bei Neugeborenen nicht ertasten, stehen verschiedenste Möglichkeiten zur Verfügung, um die Art des Hodenhochstands sowie die Lage der Hoden genau zu erkennen. Darunter kommen etwa ein Ultraschall und weitere bildgebende Verfahren sowie ein Hormontest infrage.

Bildgebende Verfahren zur Abklärung

Ist ein Hoden überhaupt nicht tastbar, lässt sich mithilfe von Ultraschall in der Mehrzahl der Fälle die genaue Lokalisation im Bauchraum bestimmen. Sollte dies nicht gelingen, sind weiterführende Untersuchungen erforderlich.

Um die Lage eines Bauchhodens ausfindig zu machen, ist die Kernspintomografie oder Computertomografie nicht immer geeignet, weil Bauchhoden häufig mangelernährt und sehr klein sind. Üblich ist in so einem Fall die Bauchspiegelung (diagnostische Laparoskopie). Dabei kann festgestellt werden, wo sich der Hoden befindet und in welchem Ernährungszustand er ist oder ob er fehlt und nicht angelegt wurde. In gleicher Sitzung kann die notwendige Therapie durchgeführt werden.

Hormontests

Sollten beide Hoden nicht tastbar sein, so wird mit einem Hormonstimulationstest geprüft, ob überhaupt Hodengewebe vorhanden ist. Das ist der Fall, wenn auf den Stimulationsreiz der Testosteronspiegel beim Kind ansteigt. Fehlt es, steigt der Testosteronspiegel kaum an. Auf jeden Fall wird eine Bauchspiegelung durchgeführt, um die Lage der Bauchhoden festzustellen und gegebenenfalls bereits operative Schritte zu unternehmen. So können spätere Folgeschäden verhindert werden.

Therapie: So wird der Hodenhochstand behandelt

In vielen Fällen verlagern sich die Hoden nach einigen Monaten spontan in den Hodensack, eine Behandlung ist in diesem Fall nicht notwendig. Auch nimmt der Pendelhoden eine Sonderstellung ein, bei dem nur eine Behandlungsbedürftigkeit besteht, wenn der Hoden überwiegend im Leistenkanal liegt.

Da bereits nach dem ersten Lebensjahr das Risiko für Folgeschäden groß ist, sollte bis zur Vollendung der ersten zwölf Monate die Therapie abgeschlossen sein. Fachleute warten rund bis zum sechsten Lebensmonat, bevor eine Therapie eingeleitet wird.

Der Hodenhochstand wird zunehmend als hormonelle Störung gesehen, deren Behandlung mehr beinhalten muss als nur die rein anatomische Korrektur durch die Verlagerung der Hoden in den Hodensack. Eine Operation und sowie die Gabe von Hormonen sind die besten Möglichkeiten zur Behandlung. Manchmal reicht auch die Hormontherapie aus und es bedarf keines chirurgischen Eingriffs.

Welche Therapie bei Hodenhochstand jedoch im Einzelfall eingeleitet werden muss, können nur die behandelnden Ärzt*innen entscheiden. Die Entscheidung ist abhängig vom Zeitpunkt der Diagnostik, Alter des Kindes, Lage des Hodens und anderen anatomischen Veränderungen, zum Beispiel einem Leistenbruch.

Hormontherapie

Bei einseitigem oder beidseitigem Hodenhochstand mit tastbaren oder im Ultraschall nachweisbaren Hoden wird eine Hormonbehandlung angewandt. Sie führt in rund 15 Prozent der Fälle zum Erfolg und hilft beim Absenken der Hoden. Vor einer Operation wird stets eine vier- bis sechswöchige Hormontherapie durchgeführt.

Hierfür werden verschiedene Hormone, darunter GnRH, etwa als Nasenspray oder Spritze verabreicht. GnRH (Gonadotropin releasing hormon) wirkt auf einer höheren Ebene und regt die Freisetzung von Testosteron an, das die Wanderung des Hodens auslöst und die Stimulation und Verbesserung der Spermienzahl und Spermienreifung bewirkt. Daneben kann das Hormon hCG (humanes Choriongonadotropin) gespritzt werden, es stimuliert ebenfalls die Testosteronproduktion. Welches Hormon zur Behandlung eingesetzt wird oder ob eine Kombitherapie notwendig wird, ist im Einzelfall abzuwägen.

Die Therapie erfolgt nach unterschiedlichen Schemata. Bei einer frühzeitigen Hormongabe vor der Operation lassen sich deutlich mehr Spermienvorläuferzellen nachweisen. Wegen möglicher Rückfälle sind regelmäßige Nachuntersuchungen erforderlich.

Operation zur Verlagerung des Hodens

Wandern die Hoden nicht im Zuge der hormonellen Therapie ab, ist eine Operation notwendig. Sind die Hoden tastbar, wird die sogenannte Orchidopexie durchgeführt. Dabei wird der Hoden nach einem Schnitt in die Leiste aus Verwachsungen befreit und am tiefsten Punkt des Hodensackes festgenäht. Damit ist der Hodenhochstand dauerhaft behoben.

Bei Hodenhochstand mit einseitig nicht tastbaren Hoden aber gesundem Gegenüber wird ebenfalls eine Operation von der Leiste aus durchgeführt. In zwei Drittel der Fälle findet sich nur das Samenstrangbündel. Der Hoden ist häufig verkümmert und wird entfernt, um Folgeschäden zu verhindern. Ist der zweite Hoden nicht verkümmert, wird er ebenfalls in das Skrotum verlagert.

Bei Hodenhochstand mit nicht tastbaren Hoden wird eine Bauchspiegelung gemacht. In 50 Prozent der Fälle können die Hoden damit erhalten bleiben.

Verlauf und mögliche Folgen: Droht Unfruchtbarkeit?

Ein Hodenhochstand, der bis zum sechsten Monat nicht wieder von alleine zurück geht, muss auf jeden Fall behandelt werden. Dabei ist es wichtig, dass die Behandlung spätestens zum 12. Lebensmonat abgeschlossen ist, um Folgeschäden zu vermeiden.

Unfruchtbarkeit

Die Hoden benötigen zur Herstellung von Samenzellen eine Temperatur von 32 bis 37 Grad Celsius, für die richtige Temperaturregulation befinden sich die Hoden daher außerhalb des Körpers. Da bei Hodenhochstand die Hoden im Körper liegen, führt die erhöhte Körpertemperatur zu einer Schädigung des Gewebes. Als Folge können sich die Urkeimzellen (Gonozyten) nicht in die Samenkeimzellen (Spermatozyten) weiterentwickeln. Im Verlauf nimmt die Samenproduktion ab und Unfruchtbarkeit (Infertilität) droht. Die Anzahl der Urkeimzellen nimmt bis zum dritten Lebensjahr rasch ab. Deshalb sollte die Therapie von Hodenhochstand möglichst früh abgeschlossen sein.

Ist nur ein Hoden vom Hodenhochstand betroffen, ist die Fruchtbarkeit oftmals nicht oder kaum beeinträchtigt und unterscheidet sich nicht vom Rest der Bevölkerung. Wird ein beidseitiger Hodenhochstand nicht behandelt, sind fast alle Betroffenen später unfruchtbar. Nach einer Therapie sind rund ein Drittel der Patienten zeugungsunfähig.

Weitere Komplikationen und Spätfolgen

  • Hodenkrebs: Hodenkrebs ist mit einer Häufigkeit von einem Prozent bei Männern eher selten, im Falle eines Hodenhochstands, insbesondere wenn dieser nicht oder spät behandelt wird, ist die Wahrscheinlichkeit bis zu 32-fach erhöht. Das Risiko ist dabei am höchsten bei Bauchhoden und Hoden, die an nicht vorgesehenen Stellen hängen bleiben (Hodenektopie). In 60 Prozent der Fälle entwickelt sich Hodenkrebs im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Die Prognose und damit die Heilungschancen sind bei frühem Entdecken des Hodentumors sehr gut.

  • Hodentorsion: Eine Hodentorsion ist die schraubenförmige Drehung des Samenstrangbündels und des Hodens um seine Längsachse. Diese abnorme Beweglichkeit kommt vermehrt bei Hodenhochstand oder verspätet abgestiegenen Hoden vor.

  • Leistenbruch: Beim Hodenhochstand besteht immer ein offener Leistenkanal, also ein Leistenbruch. Er verschließt sich erst, nachdem der Hoden in den Hodensack gewandert ist. Bei einem operativen Eingriff des Hodenhochstands wird dieser angeborene, kindliche Leistenbruch immer mit versorgt. Ein Wiederauftreten (Rezidivhernie) ist nach dieser Operation selten.

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