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Teil 3: Überlastungssyndrom oder Burnout

Kategorie: Leben-Familie » Expertenrat Depression - Burnout - Stress | Expertenfrage an Lifeline Gesundheitsteam

11.02.2013 | 20:10 Uhr


Meine Freundin hat in ihrem neuen Job leider auch viele Sorgen und Nöte, die sie mir kundtut. Ich kriege es jeden Abend und zwischendurch per SMS „ab“ und muss mir Lösungen für ihre Nöte überlegen und ihr Mut machen. Seit September!!! Ich zeige es gar nicht, dass ich selbst genug Probleme habe. Ich fühle mich seit 2011 nicht mehr gesund, jeden Tag quält mich irgendwas. Mal mehr, mal weniger. Aber das unbeschwerte Leben, wie es vor 2011 war-das kenne ich gar nicht mehr. Meine Lebensfreude ist stark eingeschränkt. Aufgrund der beruflichen Sorgen meiner Freundin liegt die Arbeit der Hochzeitsplanung fast vollständig bei mir – eine zeitintensive Aufgabe, die auch nicht ohne ist. Außerdem macht es mich traurig, dass man sich gar nicht auf die Hochzeit freuen bzw. die Vorbereitungen genießen kann – täglich stehen meine gesundheitlichen Probleme und die beruflichen Sorgen und Nöte meiner Freundin auf der Tagesordnung. Alles dreht sich bei mir darum und nun fühle ich mich total ausgelaugt. Immer öfter denke ich Ich kann nicht mehr!". Ich bemerke auch, dass ich immer gereizter werde. Wenn meine Freundin zB mal was im Haushalt vergessen hat, dann bin ich immer schon kurz vorm Meckern oder meckere. Meine Toleranzgrenze ist stark abgesenkt. Seit heute zeichnet es sich nun ab, dass auch mein Job deutlich stressiger werden wird. Ich empfinde eine starke Hilflosigkeit, weil ich aus dem Laufrad nicht mehr ausbrechen kann.

Die Symptome waren und sind sehr vielfältig: ich sehe Blitze, habe hohen Blutdruck, manchmal abends/nachts Herzrasen, Kribbeln/Mißempfindungen, Magenschmerzen bzw. Verdauungsprobleme, usw usw (siehe im Text oben)…Natürlich mache ich mir auch große Sorgen, welche Krankheit ich wohl habe und google danach. Dementsprechend "hatte ich schon" Hirntumor, Schlaganfall, Alzheimer, Magenkrebs, Darmkrebs, Multiple Sklerose usw usw...Ich steigere mich da total rein und habe Angst vor dem Tod. Das Thema "Tod" it fast täglich präsent und ich frage mich manchmal, ob die Hochzeit noch Sinn hat, wo ich doch jeden Tag neue Krankheitssymptome habe. Ich hoffe natürlich auf Heilung, aber wie???

Ich habe einen Ärzte-Marathon (MRT´s, mehrere Magen- und Darmspiegelungen, neurologische Untersuchungen, Kardiologie, Augenklinik usw) hinter mir, alle sagen, ich sei körperlich gesund und sie enden mit „Vielleicht ist es ja Stress.“ Ich selbst nehme es gar nicht als Stress wahr und traue mich daher mit dem Problem auch nicht zum Arzt – als Angst, als Weichei abgestempelt zu werden. Ich wüsste auch nicht, welcher Arzt für „sowas“ der richtige Ansprechpartner wäre. Ich vermisse mein altes unbeschwertes Leben ohne die gesundheitlichen Sorgen und würde mir wünschen, einfach mal wieder gesund zu sein.

Ich habe im März noch eine Magenspiegelung vor mir. Wenn das um ist und hoffentlich nichts gefunden wurde, würde ich mich mal dem Stress-Aspekt zuwenden wollen. Was sagen Sie zu meiner Situation? Handelt es sich um ein Burnout? Was kann ich machen bzw an wen mich wenden?

Vielen Dank für Ihre Hilfe!!!

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Bisherige Antworten
Lifeline Gesundheitsteam
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19.02.2013, 14:31 Uhr
Antwort von Lifeline Gesundheitsteam

Hallo Hamburg78,

fassen wir mal eben zusammen: Dauerstress seit mehren Monaten / Jahren, diverse körperliche Symptome, die alle für Ermüdung stehen, Kopf und Gliederschmerzen, Herz-Kreislaufprobleme, nervöse Erregungszustände, Überreizbarkeit. Organische Ursachen per Untersuchung ausgeschlossen. Psychiche Anspannung und fehlender Ausgleich. Lebensmittelpunktverlagerung und persönliche Neuorientierung in Berufs- und Privatleben.

Es ist gut, dass organische Ursachen schon mittels aufwändiger Untersuchungsmethoden ausgeschlossen werden konnten. Dass das Problem ganz wo anders liegt und es nicht nur "vielleicht" am Stress liegt, sondern Sie maximal ausgebrannt sind, dazu braucht es keinen Facharzt.

Ja, Ihre Belastung ist definitiv zu hoch. Ziehen Sie jetzt die Notbremse. Aber stempeln Sie sich nicht als Weichei ab - das sind Sie nicht. Bei dieser Belastung kommt jeder ins Wanken. Dafür müssen Sie sich nicht schämen. Und: es gibt Wege aus dieser Phase. Denn letztendlich haben Sie sich auch ein Stück weit selbst dort hineinmanövriert. Das ist aber auch der einzige Vorwurf, den Sie sich machen dürfen. Alles andere ist menschlich und Sie sollten vielmehr stolz darauf sein, dass Sie noch die Emotion besitzen dies auch festzustellen und sich nicht in eine apathische Abwehhaltung reduziert haben.

WICHTIG: alleine kommen Sie wohl nicht heraus. Aber Sie haben eine Partnerin an Ihrer Seite. Sie möchte Sie heiraten - wem könnten Sie mehr vertrauen und sich ganz öffnen? Auch wenn Sie Probleme hat - Sie stützen Ihre Partnerin und sie stützt sie. Sie können nicht alle Probleme tragen. Ein Hilferuf bei Zeiten an die Partnerin erspart das Abrutschen in das Dunkle der Gefühle. Wir empfehlen Ihnen also dringend, Ihre Partnerin hier ins Vertrauen zu ziehen.

Ein befreiendes Gespräch nimmt Ihnen die Last. Gemeinsam sollten Sie ihre Prioritäten neu ordnen. Befreien Sie sich von gesellschaftlichen Konventionen und fragen Sie nicht, was Ihr Job von Ihnen verlangt. Wichtig ist nur das, was für Sie wichtig ist. Zwingen Sie sich zu nichts und machen Sie Dinge aus Freude - nicht als Pflicht.

Das Gesrpäch mit Ihrer Partnerin ist eine Supervision, aber damit dies nicht zur Belastung für sie wird, sollten Sie auch professionelle Hilfe in Betracht ziehen. Dazu kann Sie Ihr Hausarzt beraten. Psychotherapeuten können mit Ihnen im Gespräch die angestauten Probleme aufarbeiten und Ihnen bei der Neusortierung helfen. Bei den Stars übernehmen Management und Angestellt solche Aufgaben - die haben wir Otto-Normal-Verbraucher leider nicht... Aber dort ist es ganz normal, dass sich jemand darum kümmert, dass man entlastet wird. Also warum nicht auch Sie? Empfinden Sie sich selbst aber nicht als der, der jetzt zum Seelenklmpner gehen muss. Was machen Sie, wenn Sie Fieber und Schnupfen haben? Klar - ab zum Arzt und Antibiose. Sie haben sich verletzt? Ab ins Krankenhaus und Wunde nähen lassen. Ihr empfindlichstes Körpersystem wurde maximal überlastet und braucht Heilung? Warum also nicht auch dafür zum Arzt. Nur weil man die Psyche nicht messen oder auf einem Röntgenbild darstellen kann, ist sie nicht weniger Existent und behandelbar, als eine Sportverletzung.

Mögliche Bestandteile dieser Behandlung sind dann autogenes Training, Entspannungsübungen aber auch Zeitmanagement. Durch geplante Abläufe wird das Gefühl des Überfordertseins weggenommen.

In der jetzigen akuten Phase ist aber eine Auszeit sicherlich angebracht, um Sie noch rechtzeitig aufzufangen. Berichten Sie alle Ihre oben genannten Punkte Ihrem Hausarzt und Sie werden mit Sicherheit für ein paar Wochen aus dem Verkehr gezogen - Vielleicht reicht sogar nur eine Woche? Je früher Sie den Schritt wagen, desto besser die Chancen auf schnelle Genesung. Denn Sie haben da jemanden in Ihrem Leben gefunden, die Sie noch sehr lange braucht. Denken Sie also nicht an die Erwartungen Ihres Arbeitgebers. Denken Sie an sich und Ihre Partnerin. Das wird Sie auf ein gesundes Level zurückführen und Ihnen die Sicht auf Veränderungen erleichtern. Ein Jobwechsel würde zwar das aktuelle Problem lösen, ist aber nur dann sinnvoll, wenn dadurch alle anderen Probleme mit verschwinden würden. Und wenn es Ihnen Spaß macht - weiter so. Aber das Gefühl der Freude muss wieder in Sie zurück kehren. Dann lassen sich die schweren Bürden wieder leicht ertragen.

Ihr Lifeline Gesundheitsteam

P.S.: Dass Sie derzeit mit den Kräften am Ende sind ist nicht verwunderlich, wir sind eher erstaunt, dass Sie es so lange durchgehalten haben und sehen gute Chancen auf schnelle Verbesserung, da Sie den schwierigsten Schritt schon geschafft haben: Sie haben Ihr Problem erkannt, es konkret benannt und suchen schon nach Lösungen. Beim Burn-Out kommen Ihnen solche sinnvollen Gedanken nicht mehr in den Kopf. Sie haben jetzt die Chance, es selbst noch in den Griff zu bekommen.

Ihnen und Ihrer Partnerin alles Gute!

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