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Thalamusinfarkt

Kategorie: Neurologie » Expertenrat Schlaganfall | Expertenfrage

17.05.2010 | 01:36 Uhr

Lieber Herr Dr. Frommelt,

mein Vater erlitt vor drei Tagen einen Thalamusinfarkt. Die dominierende Symptomatik ist eine ausgeprägte Sensibilitätsstörung (taubes Gefühl) der linken Körperhälfte, die Motorik ist weitestgehend erhalten, er klagt über leichte Sehstörungen, spricht manchmal verwaschen.
Mein Vater ist 57 Jahre alt, Nicht-Raucher, kein Alkohol, vor dreieinhalb Jahre noch Marathon gelaufen, jedoch mit genetischer Vorbelastung.
Er wurde direkt nach dem Schlaganfall auf eine Stroke Unit gebracht und erhielt die Lyse-Therapie. Inzwischen befindet er sich auf der neurologischen Station und soll nächste Woche in die Reha.
Ich bin selber Psychologin (in der neurowissenschaftlichen Forschung tätig) und kenne die Bedeutung des Thalamus als Tor zum Kortex. Leider weiss ich auch von den Thalamusschmerzen, die noch Monate nach dem Schlaganfall auftreten können.
Können Sie mir sagen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten solcher Schmerzen ist? Wie kann man sie verhindern? Was kann man tun, wenn sie auftreten? Ich weiss dass jede Gehirn anders ist, aber die Angabe einer groben statistischen Kennzahl oder Ihrer Erfahrungswerte würde mir in dieser unsicheren Zeit sehr weiter helfen.
Herzlichen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
K.H.

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18.05.2010, 04:23 Uhr
Antwort

Grüß Gott,

meiner Erfahrung nach gibt es bei den kleinen Thalamusinfarkten relativ selten lang anhaltende Schmerzen, es sind mehr die Patienten mit ausgedehnten Ischämien. Es ist richtig, dass die Schmerzen oft später auftreten, jedoch eher bei den Patienten, die sensomotorische Ausfälle haben. Bei den Kleinhirninfarkten, wie sie bei Ihrem Vater vorhanden sind, hat meiner Erfahrung nach eher eine gute Prognose.
Sie fragen nach Wahrscheinlichkeitszahlen. Die Literatur dazu ist schwierig zu interpretieren, weil sie doch das Gesamtbild wenig berücksichtigen: Bei Ihrem Vater, ein sonst gesunder Mann, der einen kleinen Thalamusinfarkt hat, ist meiner Erfahrung nach ganz anders zu bewerten, als ein schwer gefäßkranker, gleichaltriger anderer Patient.
Ich würde Ihrem Vater empfehlen, dem Arm möglichst viele angenehme sensible Reize zuzuführen, das angenehmste ist sicher, wenn wir gestreichelt werden, aber auch andere Texturen können zur Anregung der sensiblen Afferenzen beitragen.
Ich werde noch einmal in die Literatur schauen, schätze aber, dass die Wahrscheinlichkeit für spätere thalamische Schmerzen bei nicht mehr als 10% liegt. Lassen Sie mich gelegentlich wissen, ob ich mit dieser Aussage bei Ihrem Vater Recht hatte. Ich schaue mal, ob ich noch ein paar Zahlen nachliefern kann.

Was die Prophylaxe angeht, so haben Kollegen (Lampl et al., 2002) versucht, Amitriptylin zu geben. Der Unterschied war minimal und wenn man im Alltag die Nebenwirkungen von Amitriptylin (besonders die anticholinergen) erlebt, ist man doch recht zurückhaltend. Wir geben hier prophylaktisch keine Medikamente, es sei denn, jemand ist arg niedergeschlagen und bedrückt. Auch da überlegen wir, ob es nicht andere, nicht-pharmakologische, Wege gibt.

Beste Grüße

Dr. P. Frommelt

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19.05.2010, 06:03 Uhr
Antwort

Lieber Herr Dr. Frommelt,

vielen herzlichen Dank für Ihre rasche Antwort. Das beruhigt mich durchaus. Wie Sie geraten haben: angenehme sensorische Reize entspannen meinen Vater grade sehr!
Wir hoffen das Beste und sind voller Zuversicht.

Ich werde mich, wenn ich darf, auch in Zukunft nocheinmal bei Ihnen melden. Es ist immer gut, eine zweite Meinung einzuholen, wenn auch aus der Ferne.

Herzliche Grüße,

K.H.

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