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Glomeruläre Filtrationsrate (GFR): Wert im Blut zu niedrig?

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Die glomeruläre Filtrationsrate, kurz GFR, ist ein wichtiger Wert zur Einschätzung der Nierenfunktion. Sie dient dem Nachweis von Nierenschäden. Wie wird der GFR-Wert berechnet und was bedeutet eine niedrige glomeruläre Filtrationsrate?

GFR-Wert
© Getty Images/SewcreamStudio

Kurzübersicht: Glomeruläre Filtrationsrate (GFR)

Was ist die glomeruläre Filtrationsrate? Die GFR ist die Filtrationsrate der Nieren. Sie zeigt an, wie funktionsfähig das Ausscheidungsorgan ist. Die Filtrationsrate kann nicht direkt bestimmt werden, sondern erfordert eine komplizierte Berechnung mithilfe einer mathematischen Formel (etwa die MRDR-Formel).

Wann wird die glomeruläre Filtrationsrate gemessen? Bei Verdacht auf Nierenversagen oder zur Verlaufskontrolle einer chronischen Niereninsuffizienz wird die glomeruläre Filtrationsrate bestimmt.

Welcher Wert ist normal? Werte zwischen 90 und 120 ml/min sprechen für eine gute Nierengesundheit.

Artikelinhalte im Überblick:

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GFR-Wert: Was ist die glomeruläre Filtrationsrate?

Mit der glomerulären Filtrationsrate oder auch Nierenfiltrationsrate können Fachleute abschätzen, wie funktionsfähig die Niere ist.

Das Organ wird sehr gut durchblutet. Das Blut wird dabei in den Nierenkörperchen (Glomeruli) filtriert. So entstehen bei Menschen mit zwei funktionsfähigen Nieren pro Minute rund 120 Milliliter sogenannter Primärharn. Die Menge an filtriertem Primärharn wird als glomeruläre Filtrationsrate bezeichnet. Sie lässt sich nicht direkt bestimmen, sondern wird über verschiedene mathematische Formeln berechnet.

Die Filtration der Niere dient der Reinigung des Blutes, ausgeschieden werden etwa Substanzen wie Kreatinin, Harnstoff und Harnsäure. Wichtige Mineralsalze, die ebenfalls in den Primärharn gelangt sind, sowie ein Großteil der Flüssigkeit, werden jedoch rückresorbiert, also wieder in den Blutkreislauf aufgenommen. So entsteht ein konzentrierter Harn, der in der Blase gesammelt und ausgeschieden wird.

Liegt eine Nierenschwäche vor, können die Nierenkörperchen nicht mehr ausreichend filtern und es wird infolge weniger Primärharn produziert. Dadurch steigt die Konzentration der schädlichen Abbauprodukte im Blut an und kann im Labor nachgewiesen werden.

Wann wird die GFR bestimmt?

Die glomeruläre Filtrationsrate gehört nicht zu den Standard-Blutwerten, wie sie zum Beispiel im kleinen oder großen Blutbild bestimmt werden. Wenn jedoch unklar ist, ob die Nierenfilterfunktion noch ausreicht oder schon vermindert ist, wird die GFR ermittelt.

Der GFR-Wert spielt eine wichtige Rolle, wenn der Verdacht auf eine Nierenerkrankung besteht. Bei vielen Menschen mit Diabetes mellitus wird die Methode zur Nierenfunktionsdiagnostik angewendet, wenn eine sich schleichend entwickelnde Nierenschwäche vermutet wird. Die GFR dient deshalb auch als Kontrollwert bei der Therapie.

Mit der GFR können Nierenerkrankungen zudem bereits in einem sehr frühen Stadium erkannt werden. Vor medikamentösen Therapien, welche die Nieren schädigen könnten, ist es sinnvoll, die Nierenfunktion anhand der GFR zu überprüfen.

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GFR und die Unterschiede zu Kreatinin und Kreatinin-Clearance

Zur Nierenfunktionsdiagnostik können neben der glomerulären Filtrationsrate noch weitere Werte herangezogen werden, darunter:

  • Kreatinin im Serum: Die Bestimmung des Kreatinin-Werts im Blutserum liefert einen ersten Anhaltspunkt, wie gut die Nieren arbeiten. Jedoch steigt das Kreatinin erst bei einer Verschlechterung der Nierenfunktion um über 50 Prozent an. Zur Abschätzung einer beginnenden Nierenschädigung ist der Wert nicht empfindlich genug.

  • Kreatinin-Clearance: Die Kreatinin-Clearance dient der Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate. Sie ist eine Kennzahl dafür, wie viel Kreatinin die menschliche Niere in einer bestimmten Zeit ausscheiden kann. Die Kreatinin-Clearance-Messung ist aufwändig: Neben der Bestimmung von Kreatinin im Serum, muss über einen ganzen Tag der komplette ausgeschiedene Urin gesammelt werden (24-Stunden-Sammelurin). Kreatininwert aus der Blutprobe und dem Urin werden dann miteinander verrechnet, wodurch die Nierenfunktion bestimmt wird. Die Methode ist fehleranfällig und kann etwa durch eine fleischhaltige Ernährung verfälscht werden.

Genauer ist die Inulin-Clearance, die jedoch ebenfalls sehr aufwändig ist und selten zum Einsatz kommt.

Nierenfiltrationsrate aus dem Serumkreatinin berechnen

Aufgrund der Fehleranfälligkeit und Ungenaugkeit anderer Methoden wurden verschiedene Berechnungsformeln entwickelt, mit denen die glomeruläre Filtrationsrate (GFR/Nierenfiltrationsrate) aus dem einfacher zu bestimmenden Kreatinin näherungsweise ermittelt werden kann, darunter:

  • MDRD-Formel (Modification of Diet in Renal Disease)
  • Cockcroft-Gault-Formel
  • CKD-EPI-Formel (Chronic-Kidney-Disease-Epidemiology-Collaboration)

In diese Näherungsformeln werden unter anderem Alter, Geschlecht, Gewicht, Körpergröße, Körperfläche und Hautfarbe mit einbezogen, denn die Konzentration des Kreatinins im Blut wird nicht allein von der Nierenfunktion bestimmt.

Alle Formeln geben jedoch nur einen geschätzten GFR-Wert, er wird auch eGFR (für englisch estimated = geschätzt) genannt. Je nach Formel liefert die Berechnung unterschiedliche Ergebnisse. Verfälschte Werte können sich zum Beispiel bei sehr zierlichen oder stark übergewichtigen Patient*innen, bei Menschen mit großer oder verminderter Muskelmasse, bei erhöhter oder verminderter Kreatin-Zufuhr über die Nahrung (vegetarische oder vegane Ernährungsweise) ergeben. Auch spielt der Grad der Nierenvorschädigung eine große Rolle für die GFR-Ergebnisse.

Alternativ kann die glomeruläre Filtrationsrate mittels Cystatin C im Blut berechnet werden. Cystatin C ist ein Eiweiß, welches nur über die Nieren aus dem Blut gefiltert wird. Seine Konzentration im Blut ist unabhängig von der Muskelmasse und anderen Faktoren. Der Wert ist ein guter Parameter, um beginnende Nierenschäden erkennen zu können. Allerdings ist die Laboruntersuchung von Cystatin C im Blut auch teuer und wird nicht überall angewandt.

Normalwerte für die glomeruläre Filtrationsrate (GFR)

All diese Faktoren müssen zur Interpretation des GFR-Werts herangezogen werden. Bei Menschen mit gesunder Nierenfunktion bewegen sich die Werte der glomerulären Filtrationsrate zwischen 95 und 120 Milliliter pro Minute. Das heißt, gesunde Nieren können diese Menge Blut filtern.

Der Normalwert ist abhängig von Geschlecht, ethnischen Merkmalen und dem Alter. Die GFR nimmt mit zunehmendem Alter ab – das gilt auch für Menschen ohne Nierenschädigung

Den höchsten Wert erreicht die GFR zwischen 20 und 29 Jahren, bis zum 70. Lebensjahr sinkt sie auf etwa 70 ml/min.

Niedrige GFR: Ursachen und Deutung des Laborwerts

Medizinisch relevant sind vor allem niedrige Werte der glomerulären Filtratrionsrate. Werte unter der Norm zeigen eine Nierenschädigung an, das heißt, das Organ kann nicht mehr ausreichend Blut filtern.

Mittels der glomerulären Filtrationsrate wird die Schädigung der Nieren in verschiedene Stadien eingeteilt.

  GFR in ml/min Grad der Nierenschädigung Diagnose und Therapie
Stadium I ≥ 90 Nierenfunktion normal, aber erhöhte Albumin-Ausscheidung (Mikroalbuminurie oder Makroalbuminurie)
  • kaum oder keine Symptome
  • normale Kreatininwerte
  • möglicherweise erhöhte Eiweißausscheidung im Urin, verfärbter/trüber Urin, Ödeme (Wassereinlagerungen)
  • Ultraschall kann erste krankhafte Veränderungen des Nierengewebes aufdecken
  • Therapie kann Verschlechterung der Nierenfunktion verlangsamen
Stadium II 60 bis 89 beginnende Nierenschwäche
  • Nierenschäden oft noch nicht über weitere Blutuntersuchungen nachweisbar
  • weitere Untersuchungen zeigen jedoch Nierenschäden
Stadium III 30 bis 59 mäßige Einschränkung der Nierenfunktion
  • erhöhte Werte für Kreatinin und Harnstoff im Blut
  • eher unspezifische Symptome wie Bluthochdruck, rasche Ermüdung, Leistungsabfall
  • Anstieg des Risikos für Herz-Kreislauferkrankungen und akutes Nierenversagen
Stadium IV 15 bis 29 hochgradige Einschränkung der Nierenfunktion
  • Mangelhafte Ausscheidung der Niere von Giftstoffe
  • Einschränkungen im Stoffwechsel
  • Symptome wie Wassereinlagerungen (Ödeme), Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Erbrechen, Übelkeit, Nervenschmerzen, Juckreiz und Knochenschmerzen
Stadium V < 15

Nierenversagen

(terminale Niereninsuffizienz)

  • sehr stark eingeschränkte oder völlig eingestellte Nierenfunktion
  • Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie (Dialyse) oder Nierentransplantation

Eine chronische Niereninsuffizienz entwickelt sich schleichend, oft über Jahre hinweg und ist durch den steten Abfall der GFR erkennbar. Hauptursache für die Verschlechterung der Nierenfunktion ist Diabetes mellitus, sowohl Typ 1 als auch Typ 2. Durch den häufig jahrelang unerkannt hohen Blutzuckerspiegel kommt es zu einer zunehmenden Einschränkung der Nierenfunktion.

Als weitere Ursachen für eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate kommen neben Diabetes infrage:

  • gefäßbedingte Nierenerkrankungen, vor allem durch Bluthochdruck
  • Entzündungen der Nierenkörperchen (Glomeruli)
  • Autoimmunerkrankungen mit Beteiligungen der Nieren
  • bakterielle Infektionen
  • langjährige Medikamenteneinnahme
  • Harnwegserkrankungen
  • Nierensteine
  • Nierentumoren
  • Medikamente, zum Beispiel Antibiotika, Zytostatika

Ursachen für erhöhte GFR-Werte

Eine glomeruläre Filtrationsrate über den Normalwerten kann ganz am Anfang einer Nierenschädigung auftreten, da die Nieren verstärkt versuchen, Abfallprodukte auszuscheiden. Auch während der Schwangerschaft steigt die GFR an, da die Nieren hier verstärkt arbeiten.

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